Es dürfte einer der turbulentesten Tage seines Lebens gewesen sein: Am Montagmorgen wurde Daniel Halemba im Raum Stuttgart von der Polizei verhaftet, später nach Würzburg gebracht, wo er drei Stunden lang vor einem Ermittlungsrichter saß - und am späten Abend wieder auf freien Fuß gesetzt wurde. Daher konnte der unterfränkische AfD-Abgeordnete nicht an der konstituierenden Sitzung des Bayerischen Landtags in München teilnehmen, wo er als jüngster Parlamentarier dieser Legislaturperiode als vorläufiger Schriftführer am Präsidiumstisch gesessen hätte. Bei der Verlesung seines Namens im Plenum hieß es: "Entschuldigt."
Am Dienstagvormittag saß der 22-Jährige dann im Plenum des Landtags und nahm an der Wahl des bayerischen Ministerpräsidenten teil. Als einziger der 203 Abgeordneten genießt er aber keine Immunität, es wird weiterhin gegen ihn ermittelt. Worum geht es bei den Vorwürfen? Wer ist Daniel Halemba? Und wie geht es für ihn weiter? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Was wird Halemba vorgeworfen?
Gegen Halemba wird wegen des "Verdachts der Volksverhetzung und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen" ermittelt. Nachdem sich die Ermittlungsbehörden zunächst tagelang mit Details dazu zurückgehalten hatten, teilte die Staatsanwaltschaft Würzburg am Dienstag konkrete Vorwürfe mit. Demnach wurde bei einer Razzia bei der Burschenschaft Teutonia Prag zu Würzburg Mitte September unter anderem ein Gästebuch beschlagnahmt, in dem ein Eintrag mit dem Ausspruch "Sieg Heil" mit dem Namenszug Halembas unterzeichnet worden sei. In seinem Zimmer sei zudem "an prominenter Stelle" der Ausdruck eines SS-Befehls des SS-Reichsführers Heinrich Himmler aus dem Jahr 1939 gefunden worden.
Neben Halemba wird laut Staatsanwaltschaft gegen weitere Burschenschaftler ermittelt. In weiteren Räumen des Verbindungshauses entdeckten die Ermittler NS-Devotionalien und antisemitische Schriften. Auch mehrere Schlagringe, eine Machete, Schlagstöcke, ein Einhandmesser und eine Schreckschusswaffe seien gefunden worden.
Warum gab es einen Haftbefehl gegen Halemba?
Im Zuge der Ermittlungen entstand nach Angaben der Staatsanwaltschaft der "dringende Verdacht", dass Halemba und weitere Mitglieder der Verbindung einen ebenfalls beschuldigten Burschenschaftler "massiv eingeschüchtert" hätten. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft wurde daher ein Haftbefehl wegen "Verdunkelungsgefahr" erlassen - also aufgrund der Befürchtung, dass die Aufklärung durch Einfluss auf Beweismittel oder Zeugen erschwert wird. Die Ermittler konnten Halemba weder am Freitag noch am Wochenende finden, erst am Montagmorgen konnte der Haftbefehl vollstreckt werden.
Halemba hätte sich übrigens auch sofort am Freitag freiwillig stellen können – dann wäre eine Anhörung beim Haftrichter vermutlich eher erfolgt und der Abgeordnete hätte möglicherweise auch die erste Landtagssitzung nicht verpasst.
Warum ist Halemba wieder auf freiem Fuß?
Halemba wurde am Montagnachmittag vom Ermittlungsrichter am Amtsgericht Würzburg befragt. Der Haftbefehl wurde anschließend "in vollem Umfang aufrechterhalten" - und auch noch um einen weiteren Haftgrund ergänzt: Fluchtgefahr. Ein dringender Tatverdacht gegen den 22-Jährigen besteht weiterhin. Das Amtsgericht setzte den Haftbefehl aber außer Vollzug - unter mehreren Auflagen: Halemba muss sich wöchentlich bei der Polizei melden, darf die Räumlichkeiten der Burschenschaft nicht betreten und darüber hinaus keinen Kontakt zu anderen Beschuldigten oder zu weiteren Mitgliedern der Verbindung aufnehmen.
Halembas Anwalt Dubravko Mandic teilte mit, es sei gelungen, "den Richter gegen erbitterten Widerstand dreier hochrangiger Staatsanwälte" davon zu überzeugen, dass keine Verdunkelungsgefahr bestehe. Die Staatsanwaltschaft stellte derweil klar, dass sie selbst und die Polizei die Einhaltung der Auflagen "engmaschig überwachen werden". Sollte der AfD-Politiker gegen die Auflagen verstoßen, könnte er sofort in Untersuchungshaft kommen. Dass ein Haftbefehl außer Vollzug gesetzt wird, ist kein ungewöhnlicher Vorgang und sagt auch nichts über die Schwere der Vorwürfe aus.
Wie geht es jetzt weiter?
Die Staatsanwaltschaft ermittelt weiterhin. Die Auswertung zahlreicher sichergestellter Datenträger und Mobiltelefone dauert noch an. Nach Abschluss der Ermittlungen wird die Staatsanwaltschaft entscheiden, ob aus ihrer Sicht die Beweise ausreichen, um Anklage gegen Halemba zu erheben.
Die Staatsanwaltschaft verweist darauf, dass bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung die Unschuldsvermutung gilt.
Warum hat der Landtag Halembas Immunität aufgehoben?
Bayerische Landtagsabgeordnete genießen ab der ersten Sitzung des Landtags bis zum Ende der Wahlperiode oder der Auflösung des Parlaments Immunität. Das bedeutet, dass Abgeordnete nur mit Genehmigung des Landtags juristisch zur Verantwortung gezogen oder verhaftet werden dürfen. Der Haftbefehl gegen Halemba wurde noch vor der konstituierenden Sitzung des Landtags erlassen und vollstreckt. Ob die Immunität anschließend auch für Taten gilt, die sich zuvor ereignet haben, ist unter Juristen umstritten.
Um auf Nummer sicher zu gehen, beantragte der Leitende Oberstaatsanwalt in Würzburg beim Landtag die Aufhebung der Immunität Halembas. Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) sagte im Plenum, der Abgeordnete genieße Immunität, deren Aufhebung sei daher zwingend erforderlich. Per Handzeichen stimmten die Fraktionen von CSU, Freien Wählern, Grünen und SPD zu. Gegenstimmen gab es keine, die AfD-Fraktion enthielt sich. Damit ist juristisch zweifelsfrei geklärt, dass die Ermittlungen gegen den 22-Jährigen weitergehen können.
Was heißt das für die AfD-Fraktion?
Für die AfD-Fraktion ändert sich durch die Ermittlungen und die Aufhebung der Immunität Halembas erst einmal nichts. Er ist weiterhin Landtagsabgeordneter, die Fraktionsstärke der AfD bleibt unverändert bei 32 Mitgliedern. Sollte Halemba aufgrund einer späteren strafrechtlichen Verurteilung sein Mandat verlieren, würde ein anderer AfD-Kandidat auf seinen Platz nachrücken.
Wie reagiert die AfD auf die Vorwürfe gegen Halemba?
Die AfD-Fraktion zweifelt die Rechtmäßigkeit der staatsanwaltlichen Ermittlungen an und kritisiert sie als "politisch motiviert". Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner sprach in einem Video-Statement von "staatlicher Repression". Mit einem "herbeikonstruierten Haftgrund" werde "unter fadenscheinigen Gründen" erheblich in die Rechte der Opposition eingegriffen.
Daniel Halemba nannte in einem bereits vor der Verhaftung vorbereiteten Video die Maßnahmen gegen ihn einen "weiteren traurigen Höhepunkt der Jagd der CSU auf die demokratische Opposition". Sein Anwalt hatte die Aufnahme auf seinen Wunsch nach Vollstreckung des Haftbefehls veröffentlicht.
Was sagt der Bayerische Verfassungsgerichtshof?
Die AfD-Fraktion und Halemba reichten im Zusammenhang mit dem Haftbefehl Eilanträge beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof ein - die beide abgewiesen wurden. Mit dem ersten reagierte die AfD darauf, dass der Landtag ihr nicht zusichern wollte, dass er die Vollstreckung des Haftbefehl gegen Halemba im Maximilianeum verhindern würde. Daraufhin wollte die Fraktion feststellen lassen, dass der Landtag ihre Oppositionsrechte verletze. Der Verfassungsgerichtshof verwies auf die fehlende Antragsbefugnis der Fraktion.
Im zweiten Antrag forderte Halemba, die Staatsanwaltschaft anzuweisen, den Haftbefehl zurückzuziehen. Nach Meinung des Verfassungsgerichtshofs forderte der AfD-Politiker in seinem Eilantrag etwas, was er in einem Hauptsacheverfahren "nicht zulässig erreichen könnte".
Wie reagieren die anderen Parteien?
Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) kritisierte den Umgang der AfD mit der Causa Halemba als "etwas nie Dagewesenes". Sie warf der AfD-Fraktionsspitze einen "gezielten Angriff auf die Institutionen unserer Demokratie" vor. Weder das Parlament noch sie als Landtagspräsidentin könnten Einfluss nehmen auf die Entscheidungen der Justiz. Das sei eine der Grundfesten der Demokratie. Über die Aussagen der AfD-Fraktionsspitze an die Adresse der Ermittler zeigte sich Aigner besorgt. "Erst waren es die Medien, dann der Verfassungsschutz, und jetzt die Justiz. Was kommt denn als nächstes?" Sie erkenne eine "Täter-Opfer-Umkehr" als Muster, mit völkischem Unterton und dem Ziel, die demokratischen Institutionen zu zerstören.
CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek betonte, dass Haftbefehle von unabhängigen Richtern erlassen würden. Er verstehe nicht, "warum die AfD jetzt irgendetwas konstruiert, sich in eine Opferrolle begibt, den Rechtsstaat in Frage stellt, letztlich unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung". Mit der konstituierenden Sitzung des Landtags habe der Vorgang nichts zu tun - Gerichte würden nach Notwendigkeiten entscheiden. Der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, Florian Streibl, sagte: "Hier zeigt ein funktionierender Rechtsstaat Zähne."
Die Tatsache, dass sich Halemba den Ermittlungsbehörden nicht selbst gestellt hat, verdeutlicht laut der Fraktionschefin der Grünen, Katharina Schulze, wie die AfD tickt: "Das ist eine Krawall- und Chaostruppe, die in Teilen rechtsextrem ist." In der Partei gebe es Menschen, die nicht mit beiden Beinen auf der freiheitlich demokratischen Grundordnung stünden. Für den Chef der SPD-Fraktion, Florian von Brunn, ist die Verhaftung von Halemba erst der Anfang: "Ich befürchte, es wird noch schlimmer." Es seien "sehr viele radikale AfDler" in den Landtag gewählt worden. Auch von Brunn betonte, dass ein unabhängiger Richter den Haftbefehl gegen Halemba unterzeichnet habe.
Wer ist Daniel Halemba?
Daniel Halemba, 22 Jahre alt, wohnt in Würzburg, dort wurde er zum Kreisvorsitzenden der AfD gewählt. Als jüngster Abgeordneter überhaupt zog Halemba bei der Landtagswahl am 8. Oktober über die unterfränkische Liste in den neuen Bayerischen Landtag ein. Angetreten war er im Stimmkreis Haßberge/Rhön-Grabfeld. Er selbst bezeichnet sich als Student und Unternehmer.
Das BR24live zur Verhaftung Halemba vom 30. Oktober zum Nachschauen:
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