Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat CDU-Chef Friedrich Merz für dessen Äußerungen über die Gesundheitsversorgung von Asylbewerbern offen gerügt. "Was Herr Merz vorgetragen hat, entspricht nicht der rechtlichen Lage in Deutschland. Ich finde, dass man besser auf seine Worte aufpassen sollte", sagte der Kanzler in einem am Freitag veröffentlichten Interview mit dem SWR.
Merz-Behauptungen zu Zahnbehandlungen von Flüchtlingen falsch
Merz hatte mit Blick auf abgelehnte, aber geduldete Flüchtlinge gesagt, diese ließen sich in Deutschland die Zähne machen und nähmen Deutschen beim Zahnarzt die Termine weg. Diese Äußerung ist allerdings nachgewiesen falsch. Asylbewerber haben in Deutschland in den ersten eineinhalb Jahren nach Antragsstellung nur Anspruch auf eine eingeschränkte medizinische Versorgung, die von staatlichen Stellen bezahlt wird. Die Migranten sind in dieser Zeit nicht krankenversichert.
- Zum Artikel: Merz, die Asylbewerber und deren Zähne – Faktencheck
Heftige Kritik an Wortwahl von Merz aus der SPD
Scholz setzte sich dafür ein, dass Migranten abgeschoben werden müssten, wenn sie keinen Anspruch auf Schutz hätten. "Wir müssen sehr klare, präzise Politik machen, damit wir unsere Gesetze auch durchsetzen können. Aber das muss einen nicht dazu verführen, mit seinen Worten ungeschickt zu sein", betonte Scholz in Richtung des CDU-Chefs.
Der Generalsekretär der SPD, Kevin Kühnert, sagte im ARD-Interview: "Dem Chef der größten Oppositionspartei in Deutschland kann man einfach irgendeine Räuberpistole erzählen und dann geht der damit ins nächste Interview und verbreitet es in der gesamten Öffentlichkeit." Das sei ein verantwortungsloser Umgang mit dem "Amt" des Oppositionschefs, so Kühnert. "Und damit fällt er nicht zum ersten Mal auf, wir denken nur an Bemerkungen wie 'Sozialtouristen' mit Blick auf ukrainische Geflüchtete." Damit trage Merz zu Spaltungstendenzen in der Gesellschaft bei.
Fakenews zu Flüchtlingen: Aiwanger stimmt Merz zu
Der SPD-Spitzenkandidat zur Landtagswahl, Florian von Brunn, nutzte die Gelegenheit zu einer Spitze gegen CSU-Chef Markus Söder. "Weder Aiwanger Einhalt geboten, noch Merz widersprochen... Wo versteckt sich eigentlich Markus Söder, wenn es um die Verteidigung unserer Demokratie und um Anstand geht?", schrieb von Brunn auf X.
Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hingegen gab Merz nach dessen nachweislich falschen Aussagen trotzdem recht. "Das ist natürlich etwas zugespitzt und flapsig formuliert und erregt damit die Gemüter", sagte der Freie-Wähler-Chef dem Fernsehsender "Welt-TV" am Freitag. "Aber der Sachverhalt ist wirklich so, dass eben viele Menschen in unseren Sozialkassen sind oder Zugriff auf unsere Sozialkassen und medizinische Versorgung haben, die uns viel Geld kosten", so Aiwanger, der sich in der sogenannten Flugblattaffäre gerade selbst Rassismus- und Antisemitismusvorwürfen ausgesetzt sah.
"Copy-Paste bei der AfD" – Strafanzeigen wegen Volksverhetzung
Die Linken-Politikerin und Migrationsexpertin Clara Bünger warf Merz im Bundestag "billigen Rechtspopulismus" vor. Er bediene rechte Talking Points und betreibe "Copy-Paste bei der AfD". Bünger wies darauf hin, dass der bayerische AfD-Abgeordnete Martin Sichert im vorangegangenen Jahr mit der gleichen Behauptung in einer Bundestagsdebatte aufgefallen war. Es sei brandgefährlich, wenn so etwas in die Mitte der Gesellschaft getragen werde, so Bünger.
"Die AfD haut sich auf die Schenkel, fühlt sich bestätigt", sagte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die Linken-Politikerin Daphne Weber stellte bei der Staatsanwaltschaft Arnsberg gegen Merz Strafanzeige wegen Volksverhetzung. Auf X (vormals Twitter) gab es zudem weitere Ankündigungen von Privatpersonen, Strafanzeige gegen Merz zu stellen.
Beim Deutschen Anwaltverein (DAV) hält man diese Anzeigen jedoch für wenig aussichtsreich. "Dass der Vorwurf der Volksverhetzung gegen Friedrich Merz rechtlich haltbar wäre, bezweifle ich", sagte Stefan Conen (Mitglied im Strafrechtsausschuss des DAV) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Merz insinuiert ja nur, dass Asylbewerber Leistungen bekommen, aufgrund derer Einheimische länger warten müssten, und impliziert zugleich, dass ihnen diese Leistungen gesetzlich zustehen. So dämlich und falsch seine Aussage deshalb auch gewesen sein mag: Für den Tatbestand der Volksverhetzung reicht dies nicht aus."
Mit Informationen von Reuters und dpa
Im Audio: Aussagen von Merz zu Gesundheitsversorgung von Asylbewerbern in der Kritik
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