Jonas, zwölf Jahre alt, lebt in einem schwäbischen Dorf und fährt gerne Skateboard. Deswegen hätte er gerne eine Skater-Anlage. Diesen Wunsch bringt er im Gemeinderat ein. Daraufhin wird er zu einer Sitzung des Bauausschusses eingeladen. Dabei erfährt er, dass das Verfahren langwierig ist: Es muss ein Grundstück gefunden, Bodenproben genommen, ein Lärmgutachten erstellt und Gelder beantragt werden.
Im Rahmen des Ferienprogramms packt Jonas dann noch selbst mit an und schaufelt Erde mit seinen Kumpels. Fünf Jahre später ist die Anlage fertig. Heute ist Jonas 24 und entscheidet selbst als gewählter Gemeinderat über Dorfangelegenheiten mit.
Demokratie: Jugendliche hören und ernst nehmen
Ein Erfolg für die Demokratie. Geschichten wie diese hört man viele auf der Tagung der Akademie für Kinder- und Jugendparlamente im oberbayerischen Gauting. Hier beraten Sozialpädagogen mit jungen Menschen, wie Jugendliche stärker an politischen Prozessen beteiligt werden können. Einer der Tagungsteilnehmer ist Philipp Seitz, Präsident des Bayerischen Jugendrings (BJR). Er ist sich sicher: "Wo junge Menschen gehört werden, lernen sie die Chancen der Demokratie kennen."
Leider passiere es noch viel zu oft, dass die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen nicht wahrgenommen werden würden. Das müsse sich dringend ändern, so der BJR-Präsident, auch vor dem Hintergrund der Wahlergebnisse von Thüringen und Sachsen. In Thüringen setzten laut Forschungsgruppe Wahlen 35 Prozent der Menschen zwischen 18 und 29 Jahren ihr Kreuz bei der AfD.
Schon Kindergarten-Kinder an Entscheidungen beteiligen
Gelebte Demokratie in Form von Mitsprache könne bereits in Kindergärten stattfinden, sagt Prof. Wibke Riekmann von der Hochschule Hannover. "Kinder können wir daran beteiligen, was sie essen wollen, wie sie ihre freie Spielzeit gestalten wollen." Es gäbe durchaus Kitas, so Riekmann, wo bei Neueinstellungen von Personal auch die Kinder zu den Bewerbern befragt werden würden. Wenn Kinder mehr an politischen Prozessen beteiligt werden sollten, dann bedeute das auch, dass Erwachsene Macht abgeben müssten, sagt Riekmann.
Kommunen in Bayern: 120 Kinder- und Jugendparlamente
Letztlich sei es keine Frage des Alters. Für Kinder passe eher der Sitzkreis, ältere Jugendliche bringen ihre Anliegen bei einem Lagerfeuerabend oder im Jugendparlament vor. Die 16-jährige Neela Kaltenbach engagiert sich ehrenamtlich in ihrem Wohnort Unterschleißheim im Jugendparlament. “Wir haben zur Europawahl eine Podiumsdiskussion veranstaltet“, erzählt die Schülerin. Um Jugendliche aus allen Schichten zu erreichen, plant sie gerade mit anderen einen Bowling-Abend, bei dem gleichzeitig politische Bildung vermittelt wird.
Studentin Anna Mölle sitzt im Jugendparlament Gersthofen. “Wir setzen auch auf niederschwellige Angebote, bieten zum Beispiel eine Skifahrt an und fordern die Jugendlichen immer wieder auf, mitzureden, sich zu beteiligen in ihrer Gemeinde.“ Ihrem Eindruck nach würde das Recht auf politische Beteiligung in der Schule oft zu wenig erklärt.
Aktuell gibt es in etwa 120 bayerischen Städten und Gemeinden Kinder- und Jugendparlamente. Diese Institutionen erleichtern die Mitsprache, es gibt aber auch die Möglichkeit, Wünsche direkt an einen Gemeinde- oder Stadtrat zu stellen.
Hohe Nachfrage: Neue Fachstelle für Kinder- und Jugendbeteiligung
Wer sich politisch beteiligt, der lernt schnell: Demokratie macht auch vieles langsamer. Das sagt Clemens Scheerer, Projektkoordinator der neuen Fach- und Servicestelle für Kinder- und Jugendbeteiligung des Bayerischen Jugendrings. Die Anlaufstelle gibt es seit Februar dieses Jahres. Wenn bereits Kinder auf kommunaler Ebene ihre Ideen einbringen dürfen, dann sei das eine große Chance. Scheerer: "So können sie selbst später Schlüsselpositionen übernehmen, Netzwerke aufbauen und Gesellschaft mitgestalten."
Die hohe Zahl an Anfragen zeige: Viele Bürgermeister haben den Wunsch, junge Leute stärker miteinzubeziehen, so Scheerer, oft fehlten aber dann vor Ort die Gelder für Räume und Personal. Ziel der Servicestelle ist es, bei Projektpartnern über ein Jahr hinweg Strukturen für Kinder- und Jugendbeteiligung in den Städten und Gemeinden aufzubauen. Für Scheerer eine Win-win-Situation: Wo sich Kinder lokal beteiligen, können auch Erwachsene wieder Demokratie neu lernen.
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