Franz Lintl geht jeden Morgen um halb sieben zu einem kleinen Wäldchen am Ortsrand von Perlhütte bei Waldmünchen im Kreis Cham. Dort zieht sich ein niedriger Plastikzaun am Straßenrand entlang. Dahinter stehen alle paar Meter kleine Eimer: In denen sammeln sich Erdkröten, Grasfrösche, manchmal auch kleine Teichmolche. Sie haben sich nachts aus ihrem Winterquartier im Wald aufgemacht, um über die Straße zu einem kleinen Teich zu wandern. Am Zaun werden sie aufgehalten, plumpsen irgendwann in die Eimer.
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"Krötenretter gesucht" – nicht überall gibt es genug Helfer
Franz Lintl sammelt sie morgens in einem Eimer zusammen, trägt den über die Straße und lässt die Amphibien in einem kleinen Teich gegenüber wieder "aussteigen". Das bewahrt die Tiere davor, von Autos platt gefahren zu werden. In einer Liste trägt er täglich ein, wie viele Tiere in den Eimern waren.
Ohne ehrenamtliche Krötenretter wären die Zäune allerdings sinnlos. Werden die Eimer nicht regelmäßig geleert, sterben die Tiere darin. Aber es gibt immer weniger ehrenamtliche Krötenretter. Der Landkreis Cham baut deshalb nur noch halb so viele Amphibienzäune auf wie früher: nur noch 29 statt 50 bis 60 wie noch in den achtziger Jahren. Auf einen Aufruf in den Medien "Krötenretter gesucht" haben sich heuer zumindest fünf neue Helfer gemeldet.
Krötenretten: Ehrenamt von Mitte März bis Ende April
"Mir haben die vielen toten Frösche auf der Straße leid getan": Das war der Grund, warum sich Martin Meier, 55 Jahre alt, heuer für das Ehrenamt gemeldet hat. Er unterstützt Franz Lintl, der inzwischen 77 Jahre alt ist und schon seit 1990 aus Liebe zur Natur mitmacht. Martin Meier, der tagsüber als Produktionshelfer in einem Unternehmen arbeitet, übernimmt nach Feierabend die zweite, abendliche Runde am Zaun. Denn auch die ist nötig.
Krötenretten am Zaun bedeutet, zweimal täglich gewissenhaft die Eimer am Zaun zu kontrollieren und das rund sechs Wochen lang, meist von Mitte März bis Ende April. Aber Martin Meier findet den Zeitaufwand nicht so schlimm und auch nicht das Anfassen der Kröten:
"Die meisten meinen, die sind schleimig. Aber das stimmt nicht. Die sind nur richtig kalt, aber mehr nicht. Die kann man anfassen, die machen nichts." Martin Meier, ehrenamtlicher Krötenretter
Kröten und Frösche kehren zu ihren Laichgewässern zurück
Aber warum braucht es überhaupt jedes Frühjahr solche Aktionen? Erdkröten überwintern oft in Erdlöchern, Erdspalten oder in kleinen Wäldchen wie eben in Perlhütte, erzählt Veronika Russell, Landschaftsplanerin in der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt Cham. Wenn die Tiere aus der Winterstarre erwachen, machen sie sich auf zur Paarung. Dafür kehren sie immer in das Laichgewässer zurück, in dem sie selbst mal geboren wurden. Das ist quasi "in der Genetik der Tiere programmiert", sagt die Landschaftsplanerin. Und manchmal müssen sie beim Weg zum alten Laichgewässer eine Straße überqueren.
Was bringen die alljährlichen Rettungsaktionen?
Ob die alljährlichen Rettungsaktionen etwas bringen, ist regional ganz unterschiedlich. Im Landkreis Cham hat man an den Zäunen in den letzten Jahren immer 10.000 bis 12.000 Kröten, Frösche und Molche gezählt. Erfreulich findet das Simon Skuthan von der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt, die Zahl steige auch wieder etwas.
Auch Bund Naturschutz (BN) und Landesbund für Vogelschutz (LBV) betreuen einige Zäune. Beim LBV freut man sich heuer über eine junge Familie, die an einem Zaun in Hausnähe die Krötenrettung übernommen hat – mit den Kindern und viel Elan. Das Landratsamt sucht weiterhin ehrenamtliche Helfer und will sie künftig stärker untereinander in Kontakt bringen. Dann könnten sie sich auch mal gegenseitig vertreten.
BN: Dramatischer Rückgang von Amphibien
Bayernweit gibt es 400.000 bis 700.000 gerettete Amphibien pro Jahr. Sie werden durch die Zäune jedes Jahr in Bayern vor dem Überfahren-Werden gerettet, sagt der Bund Naturschutz in Bayern. Wie viele Amphibien es aber insgesamt in Bayern gibt, ist unklar, weil sie nur an den Zäunen gezählt werden. Aber der Bund Naturschutz geht von einem dramatischen Rückgang von über 90 Prozent seit 1950 aus. Der Grund:
"Wiesen werden intensiver landwirtschaftlich genutzt. Feuchtgebiete wurden großflächig entwässert, Bäche begradigt und unzählige Kleingewässer verfüllt." Dr. Andreas Zahn, Bund Naturschutz in Bayern
Die trockenen Sommer durch den Klimawandel sorgen für einen weiteren Rückgang. Manche Gewässer versiegen, immer mehr Lebensraum geht verloren. Oft trocknen junge Amphibien aus, wenn sie im Sommer aus dem Wasser an Land gehen.
Lokal haben intensive Schutzmaßnahmen geholfen, so der Bund Naturschutz. Auch Landschaften, die der Biber vernässt, oder renaturierte Moore nutzen den Amphibien. Auch im eigenen Garten könne man Lurchen helfen, zum Beispiel durch Gartenteiche ohne Fische oder durch Verstecke wie zum Beispiel schattige Ast-und Steinhaufen unter Hecken.
Feste Zäune an Straßen wären sinnvoll
Die Chamer Kreisgruppe des Landesbunds für Vogelschutz hofft auf mehr feste Leiteinrichtungen aus Metall oder Stein, die man errichten kann, wenn Straßen neu oder umgebaut werden. Das werde leider viel zu selten gemacht. Zu diesen festen Zäunen gehört ein fester schmaler Durchlass unter der Straße, damit Amphibien, aber auch Laufkäfer und andere kleine Tiere die Fahrbahn überqueren können. Auf einer Straße zwischen Oberndorf und Zandt gibt es so etwas zum Beispiel schon im Landkreis Cham. Dann braucht man keine alljährlichen wochenlangen Rettungsaktionen mehr.
Außerdem regelt man damit auch das Problem der Rückwanderung der Tiere. Einige Kröten und Frösche hüpfen nach dem Laichen wieder zurück auf die andere Straßenseite und werden dann überfahren. Andere suchen sich einen Lebensraum, bei dem sie nicht wieder queren müssen. Das Ganze zieht sich aber über den halben Sommer, sagt Monika Kerner vom LBV Cham. Deshalb sei es meistens zu aufwendig und bringe zu wenig, den Zaun auf der anderen Seite wieder aufzubauen und erneut zu betreuen.
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