Hubert Aiwanger verlässt nach einer Sondersitzung im Landtag zur Flugblattaffäre den Sitzungssaal.
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Hubert Aiwanger verlässt nach einer Sondersitzung im Landtag zur Flugblattaffäre den Sitzungssaal.

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Ein Jahr nach der Flugblattaffäre um Aiwanger: Eine Chronologie

Ein Jahr nach der Flugblattaffäre um Aiwanger: Eine Chronologie

Vor einem Jahr löste die Süddeutsche Zeitung die Flugblattaffäre um Hubert Aiwanger aus. Tagelang war unklar, ob der stellvertretende bayerische Ministerpräsident und Wirtschaftsminister diesen Skandal politisch überlebt. Die Tage im Rückblick.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Es ist früher Freitagabend, der 25. August 2023, als die Meldung wie ein Paukenschlag über die bayerische Landespolitik kommt. Die Süddeutsche Zeitung berichtet, dass Freie Wähler-Chef Hubert Aiwanger als Schüler ein antisemitisches Flugblatt verfasst haben soll. In dem Pamphlet, das in der Zeitung abgedruckt ist, wird gefragt: Wer ist der größte Vaterlandsverräter? Als erster Preis wird ein "Freiflug durch den Schornstein von Ausschwitz" ausgelobt.

Schnell steht die Frage im Raum: Kann Aiwanger Vize-Ministerpräsident bleiben? Ein Jahr ist das inzwischen her. BR24 zeichnet die Tage des politischen Bebens nach.

26. August 2023: Die überraschende Wende – Aiwangers Bruder meldet sich zu Wort

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) fordert Aufklärung. "Dieses Flugblatt ist menschenverachtend und geradezu eklig." Aiwanger räumt schriftlich ein, dass "ein oder wenige Exemplare" des Flugblatts damals in seiner Schultasche gefunden wurden. Vom Flugblatt selbst distanziert er sich: Er sei nicht der Verfasser.

Am Samstagabend, 26. August 2023, rund 24 Stunden nach der ersten Berichterstattung, kommt es zu einer Wende. Hubert Aiwangers älterer Bruder Helmut gibt der Mediengruppe Bayern ein Interview. Helmut Aiwanger sagt, er habe die Schrift verfasst.

28. August: Rücktrittsforderungen werden laut

Am vierten Tag nach Bekanntwerden des Skandals äußert sich Aiwanger am Rande eines Bierzelttermins erstmals persönlich vor Journalisten. Er wiegelt Fragen zum Skandal ab, das sei jetzt nicht die "aktuellste Thematik". Auf die Frage, ob er Exemplare des Flugblatts im Schulranzen hatte, antwortet er: "Glauben Sie mir, das ist gar nicht so wichtig, wie Sie glauben."

Seine Aussagen verblüffen Kritiker. Ist Aiwanger nicht klar, wie ernst die Lage ist? Kann er den Skandal politisch überhaupt überleben? Jüdische Gemeinden sind über das Flugblatt entsetzt, die SPD im bayerischen Landtag fordert Aiwangers Rücktritt. Auch Grüne und FDP machen Druck, fordern eine Erklärung.

29. August: Aiwanger soll 25 Fragen beantworten

Am Dienstag, den 29. August 2023: Tag fünf des Skandals. Der Koalitionsausschuss von CSU und FW kommt zu einem Krisengespräch zusammen. Danach tritt Söder allein vor die Presse. Er wirkt unzufrieden, hält aber an Aiwanger fest: Aiwanger soll nun 25 Fragen beantworten, um für Klarheit zu sorgen. Doch damit wird er sich tagelang Zeit lassen.

Inzwischen melden sich auch ehemalige Mitschüler zu Wort. Einige sagen, Aiwanger sei als Jugendlicher rechts gewesen, habe mehrmals den Hitlergruß gezeigt.

31. August: Nach sieben Tagen entschuldigt sich Aiwanger

Am Donnerstag, dem siebten Tag der Affäre, gibt Aiwanger erstmals selbst eine Pressekonferenz. Er entschuldigt sich, sollte er Gefühle verletzt haben: "Ich war nie ein Antisemit, ich war nie ein Menschenfeind, die Vorwürfe haben mich erschreckt, ich kann mich nicht erinnern, jemals einen Hitlergruß gezeigt zu haben."

Bei der Pressekonferenz liest Aiwanger vom Blatt ab. Normalerweise spricht er frei. Kritiker werfen ihm anschließend mangelnde Demut vor, denn Aiwanger geht auch in die Offensive: Sein Eindruck sei, dass er politisch und persönlich fertig gemacht werden soll.

Aiwanger beantwortet Fragenkatalog – doch einiges bleibt ungeklärt

Eine Woche nach Beginn der Affäre hat Aiwanger schließlich die 25 Fragen beantwortet, die ihm Ministerpräsident Söder auferlegt hat. Es gibt viel Kritik an seinen größtenteils sehr knapp ausfallenden Antworten. Auch von Söder: "Die Antworten waren nicht alle befriedigend, es war viel Bekanntes, wenig Neues und einiges ist auch nicht erinnerlich."

Dennoch belässt Söder Aiwanger im Amt, er hat auch kaum eine andere Wahl. Andere Koalitionen hatte der Ministerpräsident schon frühzeitig ausgeschlossen. Eine Sondersitzung im Landtag gibt es noch: Auch die übersteht Aiwanger unbeschadet. In den Bierzelten wird er zu diesem Zeitpunkt bereits von seinen Anhängern als Held gefeiert.

Trotz Affäre: Umfragewerte der Freien Wähler steigen

Der Skandal hat Hubert Aiwanger insgesamt nicht geschadet. Bei der Landtagswahl nur wenige Wochen später war sogar das Gegenteil der Fall. Hier bekommt seine Partei mit 15,8 Prozent das beste Ergebnis, das sie je hatte. Mittlerweile haben sich die Umfrageergebnisse für die Freien Wähler mit 12 Prozent - Werte vor der Flugblattaffäre - eingependelt.

Im Video: Ein Jahr Flugblattaffäre - Hat Aiwanger inzwischen Reue gezeigt und Vertrauen zurückgewonnen?

Das antisemitische Flugblatt
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Das antisemitische Flugblatt

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