Die Angeklagten des Böllerwurf-Prozesses im Gerichtsaal
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Eindeutige Chats im Böllerprozess: "Da wackelt das Stadion"

Eindeutige Chats im Böllerprozess: "Da wackelt das Stadion"

Neun Ordner mit 3.000 Seiten Chat-Nachrichten und die Stadionkamera wurden im Augsburger Böllerprozess gesichtet – am geplant vorletzten Verhandlungstag. Ein szenekundiger Polizist beschreibt die Hilfe der Hoffenheimer Ultras bei der Festnahme.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Schwaben am .

"Junge da wackelt das Stadion, da scheppert alles zusammen" und "der reißt dir deinen ganzen Arm weg", zitiert der Vorsitzende Richter Christoph Kern am Landgericht Augsburg aus den gesicherten Chatprotokollen. Sie stammen von zwei der Angeklagten im Böllerwurf-Prozess. Die Hoffenheimer Fußballfans sollen sich in den Chats besprochen haben, wie sie den explosionsstarken, verbotenen Böller ins Stadion bringen könnten.

Neun Ordner – 3.000 Seiten Chatprotokolle

Die von der Polizei auf den Handys der vier Angeklagten sichergestellten Chatprotokolle erstrecken sich über neun Ordner und über 3.000 Seiten. Ausgedruckt und aufgereiht hinter Richter Christoph Kern ergab sich etwa einen Meter Beweismaterial. Der Inhalt ist relativ eindeutig und belastet die Beschuldigten schwer. Über Wochen hinweg hatten sie sich untereinander, aber auch in öffentlichen Chatgruppen über verschiedenste Böllerarten, ihre Detonationskraft und deren Beschaffung ausgetauscht. Auch ein prahlerisches Foto, mutmaßlich mit dem in Augsburg detonierten Mamba-Böller wurde untereinander geteilt.

Böllerwurf ursprünglich fürs Derby beim VfB Stuttgart geplant

In ihren Chats unterhielten sich die Beschuldigten auch darüber, wie man die nur wenige Zentimeter großen Knallkörper am besten ins Stadion schmuggeln könne. "In der Rosette oder unter den Eiern" ginge das relativ problemlos, so einer der Angeklagten. Die ursprüngliche Idee des Böllerwurfs habe sich bereits auf das Derby zwei Wochen zuvor beim VfB Stuttgart bezogen. Allerdings seien die Sicherheitsvorkehrungen in Stuttgart deutlich strenger als in Augsburg, weshalb man sich im Chat auf das Spiel in der Augsburger Arena verabredet habe. "Das geht schon klar, die kontrollieren eh nicht so richtig" in Augsburg, schrieb einer der vier Männer dazu.

Böller stammen vom Schwarzmarkt

Er habe die Böller von einem Freund vom Schwarzmarkt, so einer der Angeklagten im Chat. "Mamba-Böller ist geisteskrank, da freuen sich die Rosetten der Augsburger Ultras", heißt es in einem Chatgespräch zwischen dem Hauptangeklagten und einem weiteren Mann, der ebenfalls mittlerweile in U-Haft sitzt. Beide sind im Prozess in Fußfesseln vorgeführt worden. Ein Experte der Augsburger Kripo hat die Chatprotokolle ausgewertet und die Mitglieder der Gruppe identifiziert.

Laut des Vorsitzenden Richters Christoph Kern sei die Empfehlung des Böllerherstellers, einen Abstand von rund 40 Metern zum Explosionsort einzuhalten. In diesem Fall betrug der Abstand vom Standort des Werfers aber lediglich knapp 25 Meter, ein bis zweitausend Stadionbesucher seien akut gefährdet gewesen. Mehr als 120 Dezibel Lautstärke seien in dieser Entfernung möglich gewesen, so ein Gutachter. Ab diesem Wert seien auch längerfristige Hörschäden möglich, "die Gefährdung ist auf jeden Fall da".

Übelkeit, Kopfschmerzen, Trauma als Folgen des Knalls

Zuvor hörte das Gericht noch einmal einen jungen Zeugen, der die Explosion im Stadion miterlebt hat. Felix, 11-jähriger Schüler des Augsburger Maria-Stern-Gymnasiums, hatte Freikarten gewonnen und saß im Block direkt neben den Hoffenheim-Fans als der Böller detonierte. "Im Stadion war noch alles normal, aber wie ich heimgekommen bin, hab ich schon gemerkt, dass ich nicht mehr ganz so gut höre und ich sehr müde werde", sagte der Schüler im Prozess aus. Am nächsten Tag waren Übelkeit und Kopfschmerzen dazu gekommen.

Eine Woche lange musste er zu Hause bleiben und auch Kortison-Tabletten nehmen, sei sehr lärmempfindlich gewesen. Beim Einschlafen sei er tagelang hochgeschreckt und habe wieder den lauten Knall gehört, erzählt der Bub im Zeugenstand. In der Schule habe er längere Zeit Ohrstöpsel tragen müssen, "weil er es anders nicht ausgehalten hat", so die Mutter. Der Hauptangeklagte entschuldigte sich auch bei diesem Zeugen persönlich und sagte, dass es ihm sehr leid tue und es nie seine Absicht gewesen sei, jemanden zu verletzen.

Hoffenheimer Ultras helfen bei Festnahme

Auch ein szenekundiger Polizist aus Sinsheim wurde anschließend noch befragt. Er ist seit 2009 hauptamtlich für die Spiele der TSG Hoffenheim zuständig und begleitet die Fans in Zivil beim überwiegenden Teil ihrer Heim- und Auswärtsspiele. Laut seiner Aussage gehören die vier Angeklagten nicht zur aktiven Hoffenheimer Fanszene, den sogenannten Ultras. Der Beamte schildert die Augsburger Detonation als "selbst für uns über das normale Maß hinaus" und seinen sofortigen "Terrorverdacht". Dieser habe sich zum Glück nicht bewahrheitet aber die Unruhe im Fanblock sei dennoch sehr groß gewesen.

Auch die Hoffenheimer Ultras seien sehr aufgebracht gewesen und hätten nach dem Täter gefahndet. Einer der Ultras sei auf ihn zugekommen und habe ihm das Bild aus einem Chatverlauf gezeigt, das den Angeklagten gezeigt habe. Dies habe letztlich zur schnellen Verhaftung des Hauptangeklagten geführt. Die drei weiteren Verdächtigen seien schließlich nach Auswertung der Stadionkameras ermittelt worden. die Videoaufnahmen wurden im Prozess noch einmal vorgeführt, die vier Angeklagten deutlich ermittelt.

Urteil geplant für den 22. April

Die Beweisaufnahme ist mit diesem Verhandlungstag weitgehend abgeschlossen, am 22. April soll allerdings ein Gutachter noch letztmals vernommen werden. Danach möchte Richter Christoph Kern den Prozess aber noch am selben Tag zum Abschluss bringen, den Angeklagten drohen teils langjährige Haftstrafen.

Teil-Schmerzensgeld für Nebenkläger

Im parallel zum Strafprozess geführten Schmerzensgeld-Prozess hat ein Nebenkläger aus Hoffenheim bereits einen Teilerfolg erzielt. Wie seine Anwältin Marion Zech erklärte, habe der Hauptangeklagte einem Teil-Schmerzensgeld in Höhe von 3.000 Euro zugestimmt und die Summe bereits überwiesen. Die restlichen 5.000 Euro Schmerzensgeld fordert der Geschädigte nun von den drei weiteren Beschuldigten, laut seiner Anwältin sollen sich diese untereinander abstimmen und die Summe bezahlen: 3.000 Euro seien für das verursachte Leid viel zu wenig, man bestehe auf insgesamt 8.000 Euro Schmerzensgeld.

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