Hochwasser-Geschädigte haben sich teilweise vergeblich um eine Versicherung bemüht, die in solchen Fällen zahlt. FDP und Versicherer sind gegen eine Pflichtversicherung, die Länder dafür. Jetzt schaltet sich der Kanzler ein.
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FDP und Versicherer sind gegen eine Pflichtversicherung, die Länder dafür.

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Elementarschadenversicherung: Was Buschmann jetzt vorschlägt

Keine Pflicht sich gegen Elementarschäden zu versichern – aber für alle ein Angebot. Das fordert Bundesjustizminister Buschmann (FDP) und macht im Kontrovers-Interview klar: Das französische Modell kommt für ihn nicht infrage.

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Nur mit Gummistiefeln kann Helmut Breyer den Keller seines Hauses in Baar-Ebenhausen betreten – selbst zwei Wochen nach dem Hochwasser. Die Häuser hier am Stockauer Anger hat es besonders schlimm erwischt, nur wenige hundert Meter ist der Fluss Paar entfernt. Am Straßenrand stapelt sich der Besitz der Anwohner aus den vollgelaufenen Kellern – inzwischen ist es nur noch Schrott.

Längst hätte der Fluss durch einen Schutzwall vor Hochwasser gesichert sein sollen. Doch daraus wurde bislang nichts, denn unter anderem wollen nicht alle Grundstückseigentümer Teile ihres Grundstückes dafür verkaufen.

Elementarschadenversicherung: Kaum Angebote im Risikogebiet

Eine Entscheidung, die sich auf die Gemeinschaft auswirkt - denn ohne Hochwasserschutz keine Elementarversicherung, erzählt Breyer im BR-Politikmagazin Kontrovers: "Da sagt jede Versicherung: 'Ja, wo wohnst du? Aha, 85107 Baar-Ebenhausen an der Paar.' Die wissen doch die ganzen Schäden von 2013. Du kannst das ja als Normalsterblicher gar nicht versichern." Bei mehreren Versicherern habe er es bereits versucht – doch nie ein Angebot für eine Elementarschadensversicherung bekommen.

Pflicht zur Versicherung oder Pflicht zum Angebot?

Geht es nach Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), soll sich das bald ändern, wie er im Kontrovers-Interview sagt: "Menschen, die eine Versicherung wollen, sollen eine bekommen." Im Klartext: Wenn es nach ihm geht, sollen Versicherungen verpflichtet werden jedem Eigentümer ein Angebot zur Elementarschadenversicherung zu machen.

Viele Länderchefs, wie jüngst auch Markus Söder (CSU), fordern schon lange eine verpflichtende Elementarschadenversicherung für Hauseigentümer. Eine Arbeitsgruppe aus Bund und Ländern, in der auch der Bundesjustizminister Mitglied ist, soll einen Vorschlag erarbeiten. "Jeder, der schon einen Versicherungsvertrag hat, soll eine Erweiterung angeboten bekommen", sagt Buschmann vor diesem Hintergrund. "Und jeder, der eine neu abschließt, soll immer auch die Möglichkeit haben, Elementarschäden mit abzudecken."

Abgelehnte Versicherung: keine Hilfe mehr für Hochwasseropfer?

Daran, dass die Elementarschadenversicherungen dann, wie im Falle von Breyer und seinen Nachbarn in Baar-Ebenhausen, kostspielig sein werden, ändert dieser Vorschlag nichts. Jedoch erhalten Länder laut Justizminister Buschmann dadurch ein Kontrollinstrument und somit die Möglichkeit, ihre Hilfen einzuschränken: "Es gibt Bundesländer wie Sachsen beispielsweise, die sagen, dass Menschen, für die eine Elementarschadenversicherung erhältlich war, die sich bewusst dagegen entschieden haben, auch keine staatlichen Hilfen bekommen", so Buschmann. "Das haben die Länder also selber in der Hand, wie sie die Förderrichtlinie und die Hilfsrichtlinien ausgestalten."

Im Video: Kontrovers-Interview mit Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP)

Keine Pflicht sich gegen Elementarschäden zu versichern - aber für alle ein Angebot. Das fordert Bundesjustizminister Buschmann (FDP)
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Keine Pflicht sich gegen Elementarschäden zu versichern - aber für alle ein Angebot. Das fordert Bundesjustizminister Buschmann (FDP)

Versicherungsprämie wird am Risiko bemessen

Elementarversicherer gehen von vier Hochwasser-Gefährdungsstufen aus, nach denen Orte und selbst Straßen kartiert sind. 22,2 Millionen Adressen in Deutschland liegen dem Gesamtverband der Versicherer vor. Gut 33.000 Gebäude befinden sich derzeit in gefährdeten oder sogar stark gefährdeten Gebieten.

Die Höhe der Versicherungsprämie bemisst sich am jeweiligen Risiko. Derzeit dürfen Versicherer eine Versicherung grundsätzlich ablehnen, wie Baar-Ebenhausens Erster Bürgermeister Ludwig Wayand (CSU) feststellen musste: "Man hat auch die Gemeinde nicht genommen, weil es ja im Überschwemmungsgebiet ist. Also wir als Gemeinde haben keinen Schutz bekommen. Und da wäre ja die Police und der Betrag egaler gewesen als bei dem einen oder anderen privaten."

Sollte die Angebotspflicht kommen, lässt sich im vom Hochwasser schwer getroffenen Baar-Ebenhausen künftig wohl mit hohen Versicherungsbeiträgen rechnen.

Ahrtal: Prämiensprünge nach Katastrophe

Denn wie stark sich das Risiko auf die Versicherungsprämie auswirkt, zeigt sich im Ahrtal. Vor drei Jahren starben hier bei einer der schlimmsten Hochwasserkatastrophen Deutschlands über 130 Menschen. Noch immer laufen die Aufräumarbeiten. Die parteilose Landrätin des Kreises Ahrweiler Cornelia Weigand erzählt, dass sich viele Menschen hier eine Elementarschadenversicherung nicht mehr leisten könnten: "Ich habe vor Kurzem einen Fall geschildert bekommen, wo eine Prämie von 800, 900 Euro im Jahr auf 2.500 Euro angewachsen ist." Sie befürwortet, wie viele Politiker, eine Elementarpflichtversicherung.

Frankreich: Pflicht als Modell?

Verbraucherschützer würden gerne das französische Modell nach Deutschland bringen: In Frankreich gibt es eine günstige Elementarversicherung. 98 Prozent der Eigentümer haben sie freiwillig. In Deutschland sind es gerade mal 54 Prozent. Momentan kostet sie Versicherte in Frankreich im Schnitt 26 Euro pro Jahr, ab 2025 42 Euro. Die Summe berechnet sich nicht nach dem Risiko, sondern nach der Hausgröße.

Eine für alle Eigentümer verpflichtende Elementarschadenversicherung lehnt Bundesjustizminister Buschmann jedoch ab. In Frankreich gehöre der Versicherer, der am Ende für die Elementarschäden einsteht, dem französischen Staat. Im Schadensfall könne die Versicherungsprämie allein dann doch nicht für die Kosten aufkommen.

Jakob Thevis ist selbst Deutsch-Franzose, zudem Jurist beim Zentrum für Europäischen Verbraucherschutz. Er widerspricht dem Bundesjustizminister: Seit Einführung der Elementarschadenversicherung in Frankreich vor 42 Jahren, habe der Staat nur einmal Steuergeld hinzufügen müssen. "Das war im Jahr 2000. Und das waren 263 Millionen, was einem sehr wenig vorkommt, wenn man die aktuellen Zahlen sieht, die wir Deutschen an Steuergeldern aufbringen müssen, um die Naturkatastrophen in Deutschland zu stemmen."

Buschmann: Keine Prämiendeckelung

Eine Versicherungspflicht berge das Risiko, dass Menschen "aus ihren Häusern vertrieben werden, die sie verkaufen müssen". Von der Möglichkeit, Beiträge gesetzlich zu deckeln, hält der FDP-Politiker im Kontrovers-Interview nichts. Dann würden, so Buschmann, Unternehmen aus dem Markt austreten: "Dann landen wir am Ende doch wieder bei einer Staatsbeteiligung. Und da haben die Länder eigentlich gesagt, dass sie das nicht wollen. Denn es soll ja darum gehen, den Steuerzahler von den Risiken freizuhalten."

Justizminister Buschmann weiter gegen Pflichtversicherung gegen Hochwasser
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Justizminister Buschmann weiter gegen Pflichtversicherung gegen Hochwasser

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