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Inzwischen ist klar: Die linke Aktivistin Lisa Poettinger darf in Bayern nicht ihr Referendariat starten, um Gymnasiallehrerin zu werden. Sie will gegen die Ablehnung klagen. Der Fall sorgt in der BR24-Community für viele Diskussionen und Nachfragen.
Früherer Rechtsextremist unterrichtet inzwischen in Franken
"Schana" zieht im Fall Poettinger einen Vergleich: "Ein früherer Rechtsextremist (er war führendes Mitglied des Sturmvogel – einem völkischen Jugendverbund, der sich gezielt an Kinder und Jugendliche richtet) dagegen darf im Freistaat als Lehrer arbeiten. Unglaublich."
Die Anspielung bezieht sich einen Fall, über den unter anderem die "taz" berichtet hat (externer Link). Dem Bericht zufolge handelt es sich um einen Lehrer, der heute Ende dreißig sein soll und "erfolgreich ein Lehramtsstudium erst in Nordrhein-Westfalen, dann in Bayern" durchlaufen habe. Bis 2016 sei er Teil der rechtsextremen Szene gewesen. Seit vier Jahren unterrichte er in Franken.
Auf BR24-Anfrage äußert sich Bayerns Kultusministerium nur allgemein: "Jegliche Formen von Links- wie Rechtsextremismus oder Extremismus aus anderen Motiven sind an unseren Schulen in gleichem Maße nicht akzeptabel." Gleichzeitig könnten "Personen, die sich glaubhaft von etwaigen früheren, verfassungsfeindlichen Aktivitäten distanzieren und deren aktuelles Wirken dies auch belegt, nach eingehender Prüfung die notwendige Verfassungstreue aufweisen." Laut dem "taz"-Bericht gehen das Ministerium, die betroffene Schule und vor allem der Verfassungsschutz davon aus, dass dieser Lehrer geläutert ist.
"Warum ist dann Herr Höcke noch verbeamtet?"
Thüringens AfD-Fraktionschef Björn Höcke hat früher jahrelang als Lehrer gearbeitet, zuletzt in Hessen. BR24-User "Moritz" schreibt dazu: "Herr Höcke, AfD, ist noch immer beurlaubter Oberstudienrat in Hessen, obwohl man ihn nach gerichtlicher Entscheidung Faschist nennen darf." Und "StefanU" stellt folgende Frage: "Warum ist dann Herr Höcke noch verbeamtet?"
Zuständig ist in Höckes Fall das Bundesland Hessen, weil er dort zuletzt als Lehrer tätig war. Hessens früherer Kultusminister Alexander Lorz (CDU) betonte schon vor Jahren, er werde alles tun, damit Höcke niemals wieder Schülerinnen und Schüler unterrichten wird.
Auf BR24-Anfrage teilt das hessische Kultusministerium mit: Wenn Beamte in ein Parlament gewählt worden sind, ruhen ihre Rechte und Pflichten automatisch – "mit Ausnahme der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit sowie des Verbots der Annahme von Belohnungen und Geschenken". Diese beurlaubten Beamtinnen und Beamten seien "außer Dienst" und würden insbesondere nicht der politischen Neutralitäts- und Mäßigungspflicht unterliegen. Gegen ruhende Pflichten könne man nicht verstoßen, deshalb könne es auch keine Disziplinarmaßnahmen geben.
Anders wäre das, wenn Höcke ins aktive Beamtenverhältnis zurückkäme. Laut dem Ministerium gibt es ein weiteres Szenario: "Eine rechtskräftige Verurteilung zu mindestens einem halben Jahr Freiheitsentzug wegen Volksverhetzung und/oder wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen kann schon während der Ausübung eines politischen Mandats zur Beendigung eines Beamtenverhältnisses führen." Höcke stand zwar schon vor Gericht, ein solches Strafmaß wurde gegen ihn noch nicht verhängt.
Was wäre mit "Lehrern aus der AfD, NPD und Co"?
Immer wieder wird in der BR24-Community betont, dass es zweischneidig sei, die Ablehnung durch das Kultusministerium zu kritisieren. User "Mors_Mortis" schreibt: "Wer keine Rechtsextremen als Lehrer haben will, darf auch keine Linksextremen einstellen. Und wer Kommunisten als Lehrer haben will, darf sich dann auch nicht an Lehrern aus der AfD, NPD und Co stören."
Poettinger ist Mitglied der Gruppe "Offenes Antikapitalistisches Klimatreffen München", die Bayerns Verfassungsschutz als linksextrem einstuft. Bayerns Kultusministerium teilt mit: "Wenn aufgrund des bisherigen Auftretens, öffentlicher Äußerungen oder der Mitgliedschaft in extremistischen Organisationen [...] begründete Bedenken bezüglich der Verfassungstreue und der Eignung zur Vermittlung der gesetzlich verankerten Erziehungsziele bestehen, kann eine Einstellung im Staatsdienst nicht erfolgen." Das gelte auch für Lehrkräfte, die sich bereits im Staatsdienst befinden.
Poettingers Anwältin Adelheid Rupp findet dagegen: Der Freistaat Bayern sei zu sehr auf Verdachtsfälle von Linksextremismus fokussiert. Auch im Zuge des sogenannten Radikalenerlasses, der bis vor gut 30 Jahren in Bayern galt, wurde dieser Vorwurf immer wieder geäußert. Wie vielen Anwärtern Bayern das Referendariat aus politisch-ideologischen Gründen verweigert, erhebt das Ministerium nach eigenen Angaben nicht. Allerdings teilt ein Sprecher mit: In den vergangenen drei Jahren seien im Freistaat vier Lehrkräfte wegen ihrer Zugehörigkeit zur Reichsbürgerszene aus dem Dienst entlassen worden.
"Profitmaximierung": Wirklich ein problematischer Begriff?
Laut Lisa Poettinger, die ihren Fall Ende Januar selbst öffentlich machte, kritisiert Bayerns Kultusministerium unter anderem, dass sie den Begriff Profitmaximierung verwendet. Demnach heißt es im Ablehnungsbescheid für das Referendariat: "Nach Mitteilung des Verfassungsschutzes vom 05.11.2024 stammt der Begriff 'Profitmaximierung' aus dem Kommunismus und wertet Gewinnstreben in der Wirtschaft ab." BR24-User "Columbia22" schreibt dazu: "Dieser Begriff, meinetwegen als Gewinnmaximierung bezeichnet, ist doch Ziel für jedes Unternehmen in Bayern [...] Warum sollte man das im Unterricht nicht sagen dürfen?"
In der Poettinger-Debatte ist immer wieder zu hören, dass man den Begriff Profitmaximierung sowohl positiv als auch negativ meinen könne. Tatsächlich ist der Begriff "Profitmaximierung" auch in den Wirtschaftswissenschaften geläufig. Auch Papst Franziskus kritisierte bereits die Folgen der "Prinzipien der Profitmaximierung". Diese Frage haben wir deshalb weitergeleitet an das Kultusministerium, sie blieb unbeantwortet.
"Spricht von Berufsverbot, wo gar keines ist"
Viele Nutzerinnen und Nutzer kritisieren auch Poettingers Rolle und ihr Auftreten. "Johannes46" wirft Poettinger vor, von einem Berufsverbot zu sprechen, "wo gar keines ist". Der bayerische Staat nehme sie lediglich "nicht auf in die Schar der Lehrer, die in der Regel Beamte sind". Poettinger könne aber "problemlos anderswo ihre Referendarszeit ableisten".
Poettingers Anwältin Rupp sagt auf BR24-Anfrage, das Wort "Ausbildungsverbot" treffe es besser. Es sei aber ein Verbot, weil in Bayern der Staat das Ausbildungsmonopol für das Lehramt habe. Auch ein Referendariat im Angestelltenverhältnis wird in Poettingers 105-seitigem Ablehnungsbescheid laut ihrer Anwältin ausgeschlossen.
Auf die Nachfrage, ob ihre Mandantin es nicht in einem anderen Bundesland versuchen könne, sagt Rupp: "Es gilt das Grundrecht auf freie Berufswahl. Sie darf ihre Ausbildung hier in Bayern machen, wo sie familiär verwurzelt ist. Die richtige Frage ist, ob es rechtens ist, dass ihr das hier verwehrt wird."
Bayerns Kultusministerium erklärt dazu: Mit der Versagung zum Vorbereitungsdienst ab Februar 2025 sei "keine generelle Aussage für eine etwaige, spätere und nochmalige Bewerbung um Zulassung zum Vorbereitungsdienst verbunden". Sollte etwa die "Betätigung in einer extremistischen Organisation" dann samt glaubwürdiger Distanzierung beendet sein, könne der Hinderungsgrund entfallen.
Im Audio: Linke Aktivistin darf nicht Gymnasiallehrerin werden
Archivbild: Lisa Poettinger
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