Blick auf den Forggensee im Allgäu mit Schloss Neuschwanstein im Hintergrund.
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Blick auf den Forggensee im Allgäu mit Schloss Neuschwanstein im Hintergrund.

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Deutschlands größter Stausee: Stromerzeugung mit Urlaubsfeeling

Der Forggensee im Allgäu lockt jedes Jahr tausende Urlauber mit klarem Wasser und schöner Aussicht. Was kaum auffällt: Der See ist künstlich und dient der Stromerzeugung. Hier müssen Wirtschaftsinteressen und Freizeitgenuss zusammen funktionieren.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Türkis-blaues Wasser, das Panorama der Alpen hinter grünen Wiesen und der unverbaubare Blick auf Schloss Neuschwanstein. Das Allgäuer Urlaubsglück wird am Campingplatz in Brunnen am Forggensee noch komplettiert durch eines: die Kuhweide direkt neben dem Spielplatz. Viele Urlauber kommen genau wegen dieses fast klischeehaften Postkarten-Idylls immer wieder an den See im Ostallgäu. "Wo hat man das denn sonst? Nirgends!", erklärt eine Camperin schulterzuckend mit einem Lächeln.

Wildcamper, Wassersportler und Anwohner – am Forggensee treffen sie aufeinander. Wie die Menschen rund um den See damit umgehen, sehen Sie in unserer BR24 vor Ort-Reportage. Zu sehen im folgenden Video:

Wasserkraft und Touristen-Hotspot - 70 Jahre Forggensee
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Wasserkraft und Touristen-Hotspot - 70 Jahre Forggensee

50.000 Haushalte werden mit Strom versorgt

Stefan Schmid sieht an seinem Arbeitsplatz von diesem Idyll nur wenig. Er arbeitet am anderen Ende und meist unterhalb des Forggensees, denn von seinem Arbeitsplatz im Kraftwerk Roßhaupten blickt er auf den 34 Meter hohen Damm, mit dem der Forggensee aufgestaut wird. Seine Aufgabe und die seiner Kollegen: das Kraftwerk am Laufen zu halten und damit die Stromversorgung von fast 50.000 Haushalten zu sichern.

Größtes Kraftwerk entlang des Lechs

Genau zu diesem Zweck hat die Bayerische Wasserkraftwerke AG den Forggensee ursprünglich angelegt. Anfang der 1950er-Jahre lag hier am Lech Europas größte Baustelle – rund 1.200 Arbeiter waren daran beteiligt. Vier Jahre dauerte der Bau des Staudamms, dann konnte vor genau 70 Jahren der Forggensee zum ersten Mal gefüllt werden. 150.000 Liter Wasser pro Sekunde fließen seitdem maximal durch das Kraftwerk und erzeugen damit 45,5 Megawatt Leistung. Das Kraftwerk in Roßhaupten ist damit das größte Kraftwerk entlang des Lechs.

Technik des Forggensees beeindruckt bis heute

Und es läuft nach wie vor größtenteils mit der ursprünglichen Technik. Mit Blick auf die großen, orangen Turbinen, die im gesamten Kraftwerksgebäude ein stetes Brummen erzeugen, fangen Stefan Schmids Augen zu leuchten an: "Man kann vor den damaligen Ingenieuren nur den Hut ziehen. Was die geleistet haben, ist phänomenal. Ich glaube nicht, dass wir das heute so hinkriegen würden."

Schutz vor Hochwasser in Augsburg und Landsberg

Oben auf dem Staudamm wird dessen zweite Funktion deutlich: der Hochwasserschutz. Mit lautem Tosen strömt dort das Wasser durch ein gewaltiges Betonbecken – wenn nötig, kann es zurückgehalten werden. So können die Städte und Gemeinden flussabwärts bis an der Donau geschützt werden. Wie wichtig diese Funktion ist, hat sich beim Hochwasser Anfang Juni gezeigt. "Wenn wir das Wasser nicht hätten speichern können, wäre in Landsberg und Augsburg noch mehr gewesen", erklärt Schmid.

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Stefan Schmid, Leiter des Kraftwerks Roßhaupten, hält mit seinen Kollegen unter anderem die Turbinen aus den 1950er-Jahren am Laufen.

Der Forggensee bringt Menschen zusammen

Wer sich rund um den Forggensee bewegt, dem fällt kaum auf, dass es sich um ein künstliches Naturidyll handelt. Auch Allgäuer kommen an schönen Tagen zum Baden an den Forggensee – und das oft schon seit Kindertagen. So auch Philipp und Lisa Freisl aus dem 20 Kilometer entfernten Marktoberdorf. In der Yachtschule in Dietringen haben sie sich kennengelernt: "Ich habe einen Segelschein gemacht und Lisa einen Motorboot-Führerschein - und dann haben sich unsere Blicke das erste Mal getroffen. Und letzten Freitag haben wir hier geheiratet", strahlt Philipp. Der Forggensee ist für ihn ein "Kraftort" – und einer der schönsten Orte Deutschlands.

Wildcamper im Landschaftsschutzgebiet

Das sehen auch viele Touristen so. Statt auf einen Campingplatz gehen manche von ihnen zum Wildcampen. Wenn es im Sommer dunkel wird am See, beginnt an schönen Wochenenden deshalb die Arbeit der Polizei. Das Gebiet rund um den Forggensee ist Landschaftsschutzgebiet – Campen und Übernachten sind dort verboten.

Im Sommer kontrolliert die Polizei regelmäßig die Parkplätze. "Es gibt sehr verständnisvolle Menschen, die dann lediglich die Beschilderung nicht gesehen haben. Aber es gibt auch die Leute, die absolut kein Verständnis für den Naturschutz haben", erzählt Polizist Dennis Öztürk. Teilweise komme es bei den Polizeikontrollen sogar zu Handgreiflichkeiten.

Polizei verhängt Bußgelder

Auch in einer Nacht Mitte Juli werden Öztürk und seine Kollegin fündig: Ein Mann wollte auf seiner Fahrt eigentlich nur kurz ein Nickerchen machen. Auf dem Parkplatz im Landschaftsschutzgebiet darf er auch das allerdings nicht. 55 Euro Bußgeld bekommt er an dieser Stelle, außerdem muss er weiterfahren. Ein höheres Bußgeld erwartet dagegen die Besitzer des abgestellten Campingwagens, den die Polizei auf einem anderen Parkplatz entdeckt.

Die Strafen fürs Campen im Landschaftsschutzgebiet können in Bayern bei bis zu 1.500 Euro pro Person liegen. Rund 400 Anzeigen verteilt die Polizei jeden Sommer wegen Wildcampens am Forggensee. Besonders schlimm war es während der Corona-Zeit – die Idylle am Forggensee lockte damals noch mehr Besucher an. Die Zahl der Anzeigen lag bei 1.400 in einem Jahr.

Ideale Bedingungen für Wassersportler

Die meisten halten sich aber an die Regeln, auch wenn sie dafür teilweise schon ein Jahr im Voraus ihren Platz zum Campen buchen müssen. Andere haben einen Dauerstellplatz, so wie Stefan, Vivien, Michael und Nina. Die vier Freunde kommen aus Norddeutschland regelmäßig zum Stand-up-Paddeln an den Forggensee, denn er gilt als Wassersportparadies. "Du kannst hier bis nach Füssen reinfahren. Es ist einfach super entspannt mit dieser Kulisse", schwärmt Stefan. Stand-up-Paddeln sei für ihn wie "Wandern auf dem Wasser" – und der Forggensee biete dazu noch eine fantastische Aussicht. Regeln gibt es dabei keine.

Wassersportler und Ausflugsschiffe teilen sich den See

Für unerfahrene Stand-up-Paddler kann das gefährlich werden, weiß Harry Keller. Er sitzt als Kapitän auf der Brücke der MS Füssen, einem der beiden Ausflugsschiffe auf dem Forggensee. An schönen Sommertagen wird es dort eng: "Die fahren dann mit dem Boot oder mit dem Stand-up vor dem Schiff da hin und her. Und man darf eins nicht vergessen: Das Schiff ist knapp 40 Meter lang und hat ein Leergewicht von 190 Tonnen. Und das kann man nicht wie ein Auto oder einen Bus einfach schnell einmal abbremsen", erklärt Keller.

Trotz manch gefährlicher Situation ist es Harry Kellers Traumjob, Schiffskapitän auf dem Forggensee zu sein. Und er kann, wie die meisten Anwohner, verstehen, dass auch andere dieses Idyll genießen möchten. "Das Gesamtpaket finde ich einfach super. Wer hat das schon? Da braucht man bloß rausschauen. Das ist schon Wahnsinn!"

Dieser Artikel ist erstmals am 14.07.2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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