Wenn Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger gegen die Grünen wettert, dann ist das ein Standardelement seiner Reden. Wenn er aber mit scharfen Worten gegen den Koalitionspartner CSU poltert, ist klar: Es ist Wahlkampf. Am 9. Juni findet die Europawahl statt. Und so steht Aiwangers Rede bei der Landesversammlung in Bamberg im Zeichen des Wahlkampfendspurts - heftige Sticheleien gegen die CSU, den Koalitionspartner in Bayern, inbegriffen.
Den CSU-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Manfred Weber, nennt Aiwanger einen "Totalausfall" und sendet ihm folgende Botschaft: "Wir werden uns darum kümmern, dass wir dir so viele Leute ins Europäische Parlament schicken, dass wir dir eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung organisieren können." Als Wahlziel hat Aiwanger bereits vor einigen Monaten ausgegeben, künftig drei bis vier FW-Abgeordnete ins Europaparlament zu entsenden. Bisher stellen die Freien Wähler zwei Abgeordnete. Man muss wissen: Aiwanger und Weber sind Niederbayern, stehen in einem besonderen, direkten Konkurrenzverhältnis.
Aiwanger will Weber "auf die Finger schauen"
Aktuellen Umfragen zufolge liegen die Freien Wähler bei der Europawahl bei neun Prozent in Bayern. Bei der letzten Europawahl 2019 hatten sie 5,3 Prozent geholt. Die Parteispitze zeigt sich daher entspannt und rechnet damit, erneut mindestens zwei Abgeordnete nach Europa zu schicken. Ob die ausreichen werden, um Weber "auf die Finger zu schauen", lässt Aiwanger bei seiner Parteitagsrede offen.
Aiwangers Kritik an Weber kann als Retourkutsche gesehen werden. Denn Weber spottet umgekehrt derzeit ebenso gerne über den FW-Chef. Anstatt rund um die Uhr Wahlkampf zu machen, sollte Aiwanger lieber seinen Job als Wirtschaftsminister ernst nehmen, lästert Weber bei Wahlkampfveranstaltungen. Und moniert: FW-Chef Aiwanger sei viel zu wenig in Brüssel gewesen.
Gegen Verbrenner-Aus und Brennholzverbot
Da müsse er ihm im Nachhinein recht geben, kontert Aiwanger: "Wenn ich gewusst hätte, welchen Unsinn Weber dort abstimmt die letzten Jahre, dann hätte ich täglich dorthin fahren müssen", ruft Aiwanger beim Parteitag von der Bühne und erntet damit viel Applaus.
Konkret verurteilt Aiwanger das Verbot von Verbrennungsmotoren auf EU-Ebene ab 2035. Viel zu lange habe die CSU "diesen Unsinn" mitgetragen. Gleiches gelte für ein Teilverbot von Brennholz, für das die CSU-Europaabgeordneten zunächst gestimmt hätten, bevor sie das später revidierten. Die Freien Wähler hingegen stünden für Technologieoffenheit statt für ein konsequentes Verbrenner-Aus. Brennholz zählt für sie zu den erneuerbaren Energien und dürfe nicht verboten werden.
Freien Wähler seien die "Kern-Demokraten"
Auch mit der Bundesregierung geht Aiwanger scharf ins Gericht und kritisiert namentlich Wirtschaftsminister Robert Habeck. Der Grüne habe vor Kurzem das Heizungsgesetz als Testballon für die Bürger bezeichnet, um zu sehen, ob die Bürger es mittragen könnten. Für Aiwanger ist dergleichen die Ursache dafür, "dass sich die Menschen von der Politik abwenden, dass sie am Ende radikale Parteien wählen".
Die Politik der Freien Wähler hingegen sei "pragmatisch und ideologiefrei". Man spreche mit den Bürgern und den Bürgermeistern, nehme sie bei politischen Entscheidungen mit. Damit erreiche man mehr als über Regeln und Verbote von oben herab. Das sei quasi das Erfolgsgeheimnis der Partei. "Wir sind die Kern-Demokraten", sagt Aiwanger. "Die Freien Wähler sind sozialer als die SPD, wirtschaftsfreundlicher als die Union und vor allem grüner als die Grünen."
Spitzenkandidatin Singer: Europa als Friedensprojekt
Die Spitzenkandidatin der Freien Wähler für die Europawahl, Christine Singer, ist, wenn man so will, eine personifizierte Spitze gegen die CSU: Die Landesbäuerin aus Garmisch-Partenkirchen liebäugelte einst mit einer christsozialen Karriere, entschied sich dann aber für die Aiwanger-Truppe. Nun wirbt sie für Europa als Friedensprojekt und warnt vor einem "Zurückfallen in einen Kalten Krieg". Es lohne sich, für Europa zu kämpfen. Aber es sei auch noch viel zu tun. Den Green Deal etwa, das große EU-Klimaschutzprogramm, sei zwar ein gutes Ziel, aber die Umsetzung sei "handwerklich eine Katastrophe".
Zu viele Regeln und Vorschriften beim Klimaschutz führten am Ende dazu, dass kleine landwirtschaftliche Betriebe in Bayern womöglich aufgeben müssten, warnt Singer. Gerade für die Landwirtschaft sei die europäische Bürokratie ein großes Problem. Die Spitzenkandidatin fordert daher einen "echten Bürokratieabbau" statt "leerer Versprechungen". In einer Resolution, die beim Parteitag beschlossen wurde, fordern die Freien Wähler eine "Streichlisten-Politik für Europa". Unnötige Gesetze müssten wegfallen.
Enders: CSU "nur kleine Regionalpartei"
FW-Generalsekretärin Susann Enders nennt Singer "bodenständig und taff". Sie sei eine typische Freie Wählerin. Ihr Berufsweg gehe "nicht vom Kreißsaal über den Hörsaal in den Plenarsaal". Stattdessen stehe sie Mitten im Leben, war Bankangestellte, ist gelernte Hauswirtschaftsmeisterin und seit mehreren Jahren Landesbäuerin. "Eine Tausendsasserin", so Enders anerkennend.
Neben dem Lob für die Spitzenkandidatin hat sie bei ihrem Auftritt am Parteitag aber auch Spott für den Koalitionspartner CSU parat. Wahlkampfendspurt eben. Die CSU sei "nur eine kleine bayerische Regionalpartei", die Freien Wähler hingegen gäbe es bundesweit.
Im Video: Manfred Weber, Spitzenkandidat der CSU beim Wahlkampf zur Europawahl
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