Hubert Aiwanger, FW-Parteichef und Wirtschaftsminister
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Grummeln gegen Aiwanger - Freie Wähler auf Kurssuche

Grummeln gegen Aiwanger - Freie Wähler auf Kurssuche

Während die Fraktion in der Flugblatt-Affäre geschlossen hinter Aiwanger stand, wird jetzt immer öfter Kritik am Parteichef der Freien Wähler laut. Die Sorge wächst, die Partei könnte nach rechts rücken.

Er ist der, der das Image der Freien Wähler wieder zurechtrücken muss. Dann, wenn Parteichef Hubert Aiwanger wieder einmal Rechtspopulismus vorgeworfen wird: der FW-Fraktionsvorsitzende Florian Streibl. Moderat im Ton warnt er seit Jahren vor Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit. Er postet Selfies, auf denen er Demos gegen Rechtsextremismus besucht. Ganz anders als Aiwanger, der bisher nur bei Bauern- und Mittelstandsdemos gesehen wurde.

Freie Wähler verorten sich unterschiedlich

In Streibls Büro im Landtag ist ein riesiger oranger Schriftzug auf die Wand gemalt: "Freie Wähler – Bayerns starke Mitte" seht da. Das ist Streibls Credo. Das Motto der Partei. Doch einige sehen das in Gefahr. Das Bild der Freien Wähler habe sich verändert, sagt ein Fraktionsmitglied, das nicht namentlich genannt werden will. Der Mann sieht einen Rechtsruck seiner Partei. Das bereitet ihm Sorge.

Und nicht nur ihm. Mit Argwohn beobachten manche Freie Wähler Aiwangers Rhetorik. Oft derb und polemisch: manchmal sogar zu Verschwörungstheorien neigend: Anfang Februar bei einer "Mittelstandsdemo" hatte er behauptet, dass die Schließung von Dorfwirtshäusern gewollt sei, damit der Stammtisch nicht mehr miteinander politisiere. Vor zwei Wochen schrieb er auf der Social-Media-Plattform X: "Die Demos gegen Rechts sind vielfach von Linksextremisten unterwandert". Gern schimpft Aiwanger über "die da oben", zu denen er als stellvertretender Ministerpräsident und Wirtschaftsminister doch eigentlich selbst gehört. Auch nach dem Mehringer Bürgerentscheid, der das große Windparkprojekt im Bayerischen Chemiedreieck ins Wanken bringt, will Aiwanger als Energieminister keine Verantwortung übernehmen. Die Planungen seien "von oben gekommen".

Einige Freie Wähler haben Angst, dass Aiwanger übertreibt

Ein anderer Politiker, der seinen Namen nicht in der Öffentlichkeit lesen will, droht: "Man muss das Agieren Aiwangers hochkritisch betrachten. Es wird knallen." Dann, wenn er es schafft, noch mehr Kritiker zu gewinnen und sich so öffentlich eine Gruppe gegen Aiwanger formiert. Doch noch bleibt es bei leisen Tönen. Roland Weigert, Aiwangers früherer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, richtet folgende Botschaft an den Parteichef: "Hubert Aiwanger muss die Herkunft der Freien Wähler erkennen, und die ist die bürgerliche Mitte. Punkt." Es würde nicht schaden, das bürgerlich-liberale Bekenntnis noch klarer vor sich herzutragen.

Ein Rechtsruck würde die Freien Wähler zerstören, ist sich ein anderer sicher. Tief gespalten, diskreditiert, nicht mehr regierungsfähig: Das wäre das Ende, sagt einer, der ebenfalls anonym bleiben will. Die Landtagsabgeordnete Gabi Schmidt wünscht sich, dass die Fraktion ein größeres Gewicht bekommt. Sie warnt Aiwanger durch die Blume vor Alleingängen: "Wir haben ein Parteiprogramm, und da steht alles drin, und wenn man was anders haben will, dann muss man da Änderungsanträge schreiben. Das gilt absolut für alle."

Die Landtagsabgeordnete Ulrike Müller erklärt in Bezug auf Aiwanger: "Wer viele Positionen bezieht, der liegt auch manchmal daneben." Und sie macht klar, was sie von ihren Freien Wählern und ihrem Parteichef erwartet: kein Rechtsruck, sondern eine klare Abgrenzung zur AfD. "Die demokratischen Parteien müssen sich geschlossen an einen Tisch setzen, und gemeinsam an Lösungen arbeiten, die die AfD in Grenzen hält." Gleichzeitig lobt sie aber Aiwanger, er sei "meinungsstark und präsent". Aus Parteikreisen heißt es, dass es bald eine Aussprache zwischen Fraktion und Aiwanger geben werde.

Aiwanger beeindruckt das Grummeln kaum

Aiwanger selbst kann keinen Rechtsruck erkennen, eher eine gesellschaftliche Anpassung. "Es gibt nicht die eine Einstellung, und dann fährt eine Partei wie ein Mähdrescher zehn Jahre lang in eine Richtung mit demselben Blinklicht drauf", sagt Aiwanger auf BR24-Anfrage. Man müsse auf die gesellschaftliche Situation reagieren, und die sei eben gerade so, dass immer mehr Leute unzufrieden sind.

Natürlich könne man sich immer an einzelnen Wörtern reiben. "Dem einen ist es zu deftig, dem anderen zu lasch“, was Aiwanger sage, klagt Aiwanger selbst. "Die Geschmacksrichtungen sind verschieden, und es gibt eben verschiedene Politiker, die man dann an ihren Wahlergebnissen messen muss.“ Nicht an ihren Worten also, sondern an den Wahlergebnissen. Aiwangers schärfstes Argument: 15,8 Prozent haben die Freien Wähler bei der Landtagswahl eingefahren. Das war tatsächlich keinem zu lasch, sondern allen deftig genug. Das beste Ergebnis bisher.

Aiwanger-Vertraute: "Der Hubert ist halt der Hubert“

Solange der Parteichef die Freien Wähler zum Erfolg führt, hat er aus der eigenen Partei vielleicht Gegrummel, aber keinen Aufstand zu befürchten. "Mei, der Hubert ist halt der Hubert“, sagen Vertraute, wenn "der Hubert" mal ein "bisserl übers Ziel hinausschießt“. Das "übers Ziel hinausschießen" liegt nach Meinung des Vize-Landtags-Präsidenten Alexander Hold allerdings auch daran, dass Aiwanger "sehr pointiert formuliert“ und sich "in der Regel spontan äußert“. Oft sei die Kritik ohnehin übertrieben und von CSU oder Grünen konzertiert, um den Freien Wählern zu schaden.

Beim Neujahrsempfang der Fraktion bekam Aiwanger nach seiner Rede minutenlangen Applaus. Tobias Gotthardt, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, betont: Aiwanger grenze sich durchaus ab "von den Radikalen“. Dass in einer Partei "die einen liberaler, die anderen konservativer ticken“, sei ganz normal, fügt Digitalminister Fabian Mehring hinzu. Aber es sei vollkommen unzweifelhaft, dass auch Aiwanger "in der demokratischen Mitte zu Hause“ ist.

Selbst die schärfsten Kritiker in der Fraktion halten Aiwanger nicht für rechts. Doch es ärgert sie, dass er mit missverständlichen Aussagen um Wähler am rechten Rand buhlt. Wie groß das Lager der Kritiker ist, ist selbst für Fraktionsmitglieder schwer abschätzbar. Ob man die Freien Wähler in ein Aiwanger- und ein Streibl-Lager teilen kann? Zumindest in ein konservatives und ein liberales Lager, heißt es in Fraktionskreisen. Und dann sind da noch die Unentschlossenen. Kein kleines Lager, immerhin sind von den 37 Abgeordneten im Landtag 20 neu, und die seien noch in der Findungsphase.

Streibl: Man muss mit Grünen reden

Von "Lagern“ will Fraktionschef Streibl am liebsten gar nicht sprechen. "Der Hubert geht seinen Weg, ich meinen, und das tun wir gemeinsam“, sagt er, ein wenig widersprüchlich. Und dann macht Streibl noch einmal klar, wo die Freien Wähler auch künftig stehen sollen: "in der Mitte“.

Mit dem ständigen Ampel-Bashing müsse daher nun Schluss sein, mahnt Streibl. Mit den Grünen, die Aiwanger in jeder seiner Reden heftig attackiert, müsse man in den Dialog treten. Denn man habe ein gemeinsames Ziel: die AfD kleinzuhalten. "Den Fehler benennen ist das eine, und die Probleme lösen ist das andere.“ Da müsse man auch selbstkritisch die eigene Rhetorik prüfen. Ob sich dieser Appell auch an Aiwanger richtet? "Selbstkritik hat noch nie jemandem geschadet“, sagt Streibl und grinst verschmitzt.

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