Die bayerische Polizei führt einen digitalen Kalender. Darin werden alle Veranstaltungen erfasst, die polizeiliche Relevanz haben könnten: größere Gerichtsprozesse oder Kultur- und Sportveranstaltungen ebenso wie politische Kundgebungen und Demonstrationen. Die Veranstaltungen werden jeweils mit Schlagwörtern versehen, um sie recherchierbar zu machen. Das soll der Polizei helfen, mögliche Gefährdungslagen besser einzuschätzen und Einsätze effizienter zu planen.
Vor knapp zwei Wochen wurden nun alle bayerischen Polizisten per Artikel im Intranet der Polizei angewiesen, ab sofort im Bedarfsfall ein neues Schlagwort zu verwenden: "gegen CDU und CSU".
Das neue Schlagwort solle gemeinsam mit dem Schlagwort "Bundestagswahl" verwendet werden, und zwar im Zusammenhang mit Veranstaltungen, die sich gegen die politischen Ziele der Union richteten, insbesondere "vor dem Hintergrund des Fünf-Punkte-Plans Migration". Es geht also um den umstrittenen Antrag, den Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz vor zwei Wochen durch den Bundestag gebracht hat – erstmals mit den Stimmen der in Teilen rechtsextremen AfD.
Irritationen bei bayerischen Polizisten
Innerhalb der Polizei sorgte die Anweisung für Irritationen, vor allem weil es nach BR-Informationen vergleichbare Schlagwörter in Bezug auf andere Parteien bisher nicht gibt. Mehrere Polizisten äußerten sich gegenüber dem BR dahingehend, dass sie sich für parteipolitische Zwecke missbraucht fühlten. Wer das neue Schlagwort "gegen CDU und CSU" veranlasst hat, bleibt unklar. Das Bayerische Landeskriminalamt verweist auf Anfrage an das Polizeipräsidium Mittelfranken, wo die "Verfahrenskoordination" liege. Die Mittelfranken wiederum verweisen auf das Innenministerium in München.
Innenministerium: Neutralitätspflicht nicht tangiert
Eine klare Aussage, wer für die Einführung des neuen Schlagworts verantwortlich ist, gibt es auch von Seiten des Ministeriums nicht. Den Vorwurf der Parteipolitik weist man aber entschieden zurück. Die Neutralitätspflicht der Bayerischen Polizei sei nicht tangiert, so das Innenministerium auf BR-Anfrage. Schließlich beziehe sich das neue Schlagwort "auf eine konkrete, die polizeiliche Aufgabenerfüllung berührende Serie von Ereignissen".
Damit gemeint seien die "derzeit im Bundesgebiet stattfindenden Veranstaltungen, Versammlungen und anderweitige Aktionen vor bzw. im unmittelbaren Umfeld von Objekten der CDU/CSU", also zum Beispiel eine Aktion wie jüngst vor der CSU-Parteizentrale in München, bei der es zu Sachbeschädigungen und Hausfriedensbruch gekommen sein soll. Ziel des neuen Schlagworts sei die "Abwehr politisch motivierter Straftaten".
Bisher keine Schlagwörter in Bezug auf andere Parteien
Auf die Frage, ob es vergleichbare Schlagwörter auch in Bezug auf andere Parteien gebe, reagiert das Innenministerium ausweichend: Die Etablierung von Schlagwörtern erfolge "einzelfallbezogen". Zuletzt hatte es immer wieder Angriffe auf andere Parteien gegeben, etwa auf die AfD oder die Grünen. So berichten grüne Landtagsabgeordnete von regelmäßigen Sachbeschädigungen an ihren Wahlkreisbüros. Anfang Januar gab es zudem eine Attacke auf einen Infostand der Grünen im Münchner Stadtteil Neuperlach.
Für die Staatsregierung ist das aber kein Anlass, auch Veranstaltungen gegen andere Parteien gesondert zu erfassen. Für "einzelfallbezogene Auseinandersetzungen oder lokale Problemstellungen" sei die Vergabe eines eigenen Schlagwortes nicht erforderlich, so das Innenministerium.
Schlagwort gilt nur für Veranstaltungen
Übrigens: Die große Demonstration auf der Münchner Theresienwiese, bei der vor etwas mehr als einer Woche mehr als eine viertel Million Menschen unter anderem gegen eine mögliche Zusammenarbeit von Union und AfD in der Migrationspolitik demonstrierten, wurde laut Innenministerium nicht mit dem Schlagwort "gegen CDU und CSU" versehen. Die Voraussetzungen dafür hätten nicht vorgelegen.
Und wie das Innenministerium betont, bezieht sich das Schlagwort auch nur auf den polizeiinternen Veranstaltungskalender, nicht jedoch auf das Vorgangsverwaltungssystem der Bayerischen Polizei, das sogenannte Integrationsverfahren Polizei (IGVP). Darin werden alle polizeilichen Vorgänge im Freistaat erfasst – auch solche, die keinen Bezug zur Kriminalität haben, zum Beispiel die Namen von Zeugen bei einem Verkehrsunfall. Das neue Schlagwort "gegen CDU und CSU" wird also nicht mit den Namen von Einzelpersonen verknüpft.
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