Der "Go&Change"-Prozess ist am Dienstag zu Ende gegangen. Das Landgericht Schweinfurt verurteilte den 42-jährigen "geistigen Führer" der Lebensgemeinschaft unter anderem wegen mehrfacher Vergewaltigung und Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten. Außerdem ordnete das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an. Gegen das Urteil ist Revision möglich.
Der Richter kam zu der Überzeugung, dass der Mann im Mai 2023 seine damalige Verlobte im ehemaligen Kloster Lülsfeld im Landkreis Schweinfurt mehrfach vergewaltigt, dreimal bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt und vielfach geschlagen hat. Mit dem Urteil blieb das Gericht unter der Forderung der Staatsanwaltschaft und der Nebenklage. Diese hatten Freiheitsstrafen von sechseinhalb beziehungsweise sieben Jahren gefordert.
In der Gemeinschaft "Go&Change" sowie bei den Taten spielten offenbar immer wieder auch Drogen eine Rolle. So konnte das Gericht laut der Lokalzeitung "Main Post" (externer Link) den gravierendsten Vorfall der Anklage nicht im Urteil einbeziehen, da der Angeklagte wegen einer drogeninduzierten Psychose dabei nicht einsichtsfähig gewesen sei.
Dämonen, Aliens und Drogen
"Go&Change" bezeichnet sich nach eigenen Angaben als eine "Entwicklungsgemeinschaft für Lebensqualität". Deren höchstes Anliegen sei es, eine Kultur zu schaffen, die auf Liebe ausgerichtet ist. Die Gemeinschaft zog vor einigen Jahren in das ehemalige Kloster in Lülsfeld. Der Angeklagte ist bei der Gemeinschaft eine Art geistiger Führer. Seine Anhänger würden ihn als "Heiler" und "Lichtwesen" ansehen, so die Staatsanwaltschaft.
Laut Anklage soll der 42-Jährige unter anderem der Meinung gewesen sein, seinem mutmaßlichen Opfer vor allem mit Schlägen einen Dämon auszutreiben. Er soll geglaubt haben, dass sich Außerirdische ihrem Körper bemächtigt hätten, dass sie bereits Kinder gefoltert hätte und dass sie ihn und seinen Sohn habe töten wollen.
Wie die Hauptzeugin berichtete, sei es ein Narrativ der Gemeinschaft gewesen, dass Aliens, also Außerirdische, auf die Welt gekommen seien, "um Schlechtes zu bringen". Ihrer Aussage zufolge habe der Drogenkonsum in der Gemeinschaft – Cocktails aus Amphetamin, Speed, Kokain, LSD oder Pilzen –nicht auf Freiwilligkeit beruht. "Es gab keine Wahl. Nimm Drogen und du bleibst dabei", sagte sie. Niemand habe den Anweisungen des Angeklagten widersprochen.
Verteidigung zweifelte Glaubwürdigkeit der Zeugin an
Die Verteidiger des Angeklagten wollten in dem 33-tägigen Prozess einen Freispruch erwirken. Dafür versuchten sie immer wieder, die Glaubwürdigkeit der ehemaligen Partnerin anzuzweifeln. So zitierten sie unter anderem aus Chatprotokollen. Die Wahlverteidiger stellten außerdem unzählige Beweisanträge und außerdem mehrmals Befangenheitsanträge gegen die Vorsitzende Richterin, die Staatsanwältin und den psychiatrischen Gutachter.
An allen öffentlichen Verhandlungstagen verfolgten Mitglieder der Lebensgemeinschaft den Prozess im Zuschauerraum.
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