Noch einmal den Akku der kleinen Bluetooth-Box checken, dann verstaut Sophie Innmann den Lautsprecher in einem hölzernen Vogelhäuschen. Lautes Pfeifen dringt nun aus dem Einflugloch des Häuschens. In Blick- und Hörweite sind sechs weitere Exemplare unerreichbar hoch an Bäumen befestigt worden. Alle bergen dasselbe Geheimnis: eine kleine Soundbox mit SD-Karte, von der in Dauerschleife gepfiffene Melodien von jeweils drei oder vier unterschiedlichen Menschen aus Hof ertönen. 22 internationalen Menschen, die schon länger oder nur temporär in Hof leben, hat die Künstlerin solche Lippenbekenntnisse entlockt.
So klingt meine Heimat
"Ich habe sie gebeten, sich zu überlegen, was für sie Heimat bedeutet. Als sie das wussten, habe ich sie gefragt, ob sich dieser Begriff in eine Melodie oder in ein anderes Geräusch übersetzen lässt", erklärt die 38 Jahre alte Sophie Innmann. Heimatgefühle, übersetzt in Töne - diese Soundinstallation im Hofer Luitpoldhain trägt den Namen "Rhapsody". Was in das Mikrofon der Künstlerin gepfiffen wurde, klingt nun in aller Vielfalt aus den Vogelhäuschen: mal eine Melodie aus einer Kinderserie, Vogelgesang aus dem brasilianischen Urwald, ein rhythmisiertes Gedicht. Jeden Tag bis zum 23. Februar schaltet Sophie Innmann die Boxen zwischen 15.00 Uhr und 16.00 Uhr ein und steht persönlich mitten im Klangteppich, als "Ausstellungsbetreuerin, Guide und Kulturvermittlerin", sagt sie lächelnd.
Ein internationaler Klangteppich
Unter den 22 Hofern, die in der Soundinstallation vertreten sind, ist Kenan Canbay, ein in Hof lebender Kurde. Er hat eine Melodie aus einer Fernsehreportage über Kurden in der Türkei beigetragen. "Das verbinde ich mit Heimat, weil es eine Doku war über den Schmerz der kurdischen Bevölkerung, mit dem auch ich aufgewachsen bin, obwohl ich in Deutschland geboren wurde", erzählt der Mann mit den dunklen Augen. Marina Waller hat Wurzeln in der Ukraine und hat die Melodie einer russischen Fernsehserie für Kinder gepfiffen, die sie früher oft geschaut hat. Lukas Nothnagel verbindet ein Gedicht mit dem Begriff "Heimat". "Die Wörter, die sich reimen, kann man ja auch in eine Melodie transferieren", sagt er, spitzt die Lippen und pfeift eine getragene Melodie.
Die Hofer Wurzeln der Künstlerin
Sophie Innmann hat diese Soundinstallation bereits im Bayerwald und im Schwarzwald mit Menschen aus der jeweiligen Region durchgeführt. Dass sie nun in Hof ausstellt, wirft sie in ihr persönliches Heimatgefühl zurück: Sie selbst ist in Hof aufgewachsen. 2014 schloss sie ihr Studium an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe als Meisterschülerin von Leni Hoffmann ab und bereist seit zehn Jahren als bildende Künstlerin die Welt - von Auftrag zu Auftrag, Ausstellung zu Ausstellung. Über die Rhapsody in Hof sagt Sophie Innmann: "Pfeifen ist eine universelle Sprache. Man kann nicht erkennen, woher der Mensch kommt, wie alt er ist oder welches Geschlecht er hat."
Der Ort der Installation, der Luitpoldhain im Theresienpark, ist ebenso ungewöhnlich wie reizvoll. Keine Eintrittsgebühr, keine geschlossenen Räume oder gediegenes Flüstern. Stattdessen: Frische Luft, alte Bäume, gespitzte Ohren, Melodien voller Sehnsucht oder Freude, das Hämmern eines Spechts stimmt ein, dazu das Plaudern mit der Künstlerin. Niederschwellig und nahbar - Kunst, integriert ins Leben.
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