Die Tat hatte die Menschen weit über die Region hinaus schockiert: Ein Russe soll im April 2024 im oberbayerischen Murnau nach einem Streit zwei ukrainische Soldaten erstochen haben. Nun muss sich der Mann wegen Mordes verantworten. Gleich zu Beginn des ersten Prozesstages am Landgericht München II räumte der Angeklagte durch seinen Rechtsanwalt die Tötung der beiden Männer ein.
"Bereue zutiefst, was vorgefallen ist"
Der Mann hatte sich rund 15 Minuten hinter einem grünen Schnellhefter und unter einem blauen Kapuzen-Sweater verborgen, bis die Fotografen und Kameraleute den Saal verlassen mussten. Dann zeigte sich ein älterer Mann auf der Anklagebank: Der 58-Jähriger mit grauem Vollbart und vollem Haar lauschte sehr ruhig und aufmerksam dem Prozess. Ohne Dolmetscherin, denn der Angeklagte lebt schon seit über 30 Jahren in Deutschland. Während des ganzen Prozesstages schwieg er, sein Rechtsanwalt verlas eine längere Aussage.
"Jetzt, in nüchternem Zustand, bereue ich zutiefst, was vorgefallen ist", ließ der 58-Jährige vor dem Landgericht München II durch seinen Anwalt erklären. Wenn er könnte, würde er die Zeit zurückdrehen. Zum Tatzeitpunkt selbst hatte der Mann einen Blutalkoholwert von 2,3 Promille.
Langes Register
Nach Angaben, die er vor längerer Zeit vor einem Gutachter gemacht hatte, war der ausgebildete Kraftfahrer, Anfang der 1990er in der Ex-DDR als Soldat stationiert, dann desertiert. 1992 stellte er einen Asylantrag, der nach seiner eigenen Aussage noch immer nicht abgeschlossen ist. Kurze Zeit später zog er nach Oberbayern, wo er unter anderem auf Baustellen arbeitete. Immer wieder kam er wegen Trunkenheitsvergehen und Körperverletzungen mit dem Gesetz in Konflikt und verbrachte über fünf Jahre in deutschen Gefängnissen. Bis zu seiner Verhaftung lebte er in Murnau.
Politischer Mord oder Streit unter Alkoholkranken?
Die Anklage geht davon aus, dass der Russe die Ukrainer nach einem Streit über den Krieg in der Ukraine erstach. Wegen des möglichen politischen Motivs hatte die Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) der Generalstaatsanwaltschaft München die Ermittlungen übernommen.
"In der Anklage geht die Generalstaatsanwaltschaft von einem Mord unter anderem aus niedrigen Beweggründen aus", so der Sprecher des Landgerichts, Laurent Lafleur. Der Mann soll demnach aus einem übersteigerten russischen Nationalstolz und aus besonderer Verachtung für ukrainische Staatsangehörige gehandelt haben.
Nach Darstellung des Angeklagten ging es bei dem Streit hingegen ausschließlich um Alkohol. Die 23 und 36 Jahre alten Soldaten waren wegen ihrer Kriegsverletzungen in der Unfallklinik Murnau operiert worden und körperlich stark eingeschränkt. Die drei Männer kannten sich lose und hatten mehrfach miteinander getrunken.
"Sicherungen durchgebrannt"
Die Ukrainer hätten ihm am Tattag seine Flasche Wodka nicht zurückgegeben. Es seien Beleidigungen gefallen, die mit dem Alter des Angeklagten und dessen Männlichkeit zu tun hatten, ließ der Angeklagte über seinen Anwalt verlesen. Da seien ihm "die Sicherungen durchgebrannt". Er habe aus seiner Wohnung ein Messer geholt, um die beiden einzuschüchtern. Er sei erheblich betrunken gewesen. Laut der vorgetragenen Aussage wollte er, aber "niemanden töten oder verletzen".
Warum die beiden Soldaten am Ende aber sterben mussten, dazu machte der 58-Jährige keine Aussagen. Laut Staatsanwaltschaft hatten die beiden Opfer zum Zeitpunkt der Tat 3,2 und 2,3 Promille Alkohol im Blut – der Angeklagte 2,3 Promille.
Der Prozess wird voraussichtlich am 10. Februar fortgesetzt. Insgesamt sind sieben Verhandlungstage vorgesehen.
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