Blumen, Kerzen und Teddybären an einer Mauer erinnern an den Tod eines Kindes.
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Blumen, Kerzen und Teddybären an einer Mauer erinnern an den Tod eines Kindes in einem Kinderheim in Wunsiedel.

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Getötetes Mädchen in Wunsiedel: Prozess beginnt am Donnerstag

Getötetes Mädchen in Wunsiedel: Prozess beginnt am Donnerstag

Nach dem Auffinden einer toten Zehnjährigen in einem Wunsiedler Kinderheim im April 2023 startet der Prozess gegen einen Mann, der das Mädchen vergewaltigt haben soll. Die Tötung ist nicht angeklagt – der Tatverdächtige ist selbst noch ein Kind.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

In der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung St. Josef in Wunsiedel ist im April 2023 eine Zehnjährige tot aufgefunden worden. Das Mädchen soll von einem zur Tatzeit elfjährigen Jungen erwürgt worden sein. Dieser kann aber aufgrund seines Alters nicht strafrechtlich verfolgt werden. In dem Prozess, der am Donnerstag vor dem Landgericht Hof beginnt, muss sich ein 26-Jähriger verantworten.

Angeklagter soll Mädchen missbraucht haben

Laut Anklage soll der zur Tatzeit 25-Jährige das Mädchen sexuell missbraucht haben. Er ist wegen Vergewaltigung angeklagt. In dem Verfahren geht es also nicht explizit um den mutmaßlichen Mord an der zehnjährigen Lena aus Waldsassen im Landkreis Tirschenreuth, sondern um den mutmaßlichen sexuellen Missbrauch des Mädchens durch den angeklagten 26-jährigen Daniel T.

Elfjähriger ist strafunmündig und kann nicht angeklagt werden

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Hof hatten ergeben, dass dem angeklagten Mann eine Beteiligung an der Tötung des Mädchens nicht nachzuweisen sei, so Dietmar Burger, Sprecher des Hofer Landgerichts. Der tatverdächtige Junge sei jedoch strafunmündig und es dürfe gegen einen Strafunmündigen kein Strafverfahren geführt und insofern auch keine Anklage erhoben werden.

Dem angeklagten 26-jährigen Müllwerker aus dem Landkreis Wunsiedel wird vorgeworfen, das Mädchen mit den Händen vergewaltigt zu haben – im Beisein des elfjährigen Jungen.

Angeklagter lebte einst selbst in dem Kinderheim

Zuvor soll der Angeklagte in der Nacht durch ein offenes Badezimmerfenster in eine Wohngruppe des Kinderheims eingestiegen sein. Er war als Kind selbst einige Jahre in diesem Kinderheim untergebracht und kannte sich demnach auf dem Gelände der Einrichtung aus. Laut Staatsanwaltschaft habe Daniel T. dabei vermutlich das Ziel verfolgt, wertvolle Gegenstände zu stehlen.

Im Heim habe er zunächst mit dem elfjährigen Jungen ein Gespräch mit sexuellem Inhalt geführt, währenddessen soll er sich vor dem Jungen entblößt und selbst befriedigt haben. Der Junge ist daher im Verfahren nicht nur als Zeuge geladen, sondern auch Nebenkläger – weil er selbst mutmaßlich Opfer eines sexuellen Missbrauchs ohne Körperkontakt durch den Angeklagten Daniel T. geworden ist.

Vor Prozess: Anwalt des Elfjährigen äußert sich

Kurz vor Beginn des Prozesses hat sich der Verteidiger des Jungen im Gespräch mit BR24 geäußert. Wie der Rechtsanwalt Michael Hasslacher sagte, sei es sein Anliegen, einen Beitrag dazu zu leisten, dass der Fall restlos aufgeklärt werden könne. Ziel sei es, herauszufinden, ob der angeklagte 26-Jährige nicht auch einen Beitrag zur Tötung des Mädchens geleistet habe.

Unabhängig davon, dass sein Mandant juristisch für die Tat nicht belangt werden könne, habe der Fall jedoch Konsequenzen für die Beurteilung des Elfjährigen. So müsse geklärt werden, wie und in welcher Intensität der Junge vom Jugendamt künftig betreut werden müsse. Dass sich der Elfjährige um Aufklärung bemühe, werde sich günstig auf diese Beurteilung auswirken, so der Anwalt. Das Jugendamt habe zudem ein Gutachten darüber in Auftrag gegeben, wie gefährlich der Junge für die Allgemeinheit sei. Dieses liege allerdings noch nicht vor.

Vater des Mädchens nicht bei Prozessauftakt anwesend

Auch die Anwältin des Vaters des getöteten Mädchens äußerte sich kurz vor dem Prozess noch gegenüber BR24. Martina Fuchs-Andonie sagte, ihr Mandant werde heute nicht anwesend sein, weil Gerichtsmediziner und Gutachter aussagen werden. "Das ist zu belastend, das muss man keinem Elternteil zumuten", so die Anwältin. Wunsch des Vaters der Getöteten sei es, seine Fragen so gut es geht beantwortet zu bekommen. Die Verteidigerin erklärte aber auch: "Es wird hier Recht gesprochen werden. Er wird weder sein Kind zurückbekommen noch wird er bekommen, was er für gerecht empfindet."

Urteil soll Anfang März gesprochen werden

Für den Prozess vor dem Landgericht Hof sind insgesamt 39 Zeugen geladen und neun Verhandlungstage angesetzt. Ein Urteil wird am 6. März erwartet. Im Hinblick auf mögliche Pflichtverletzungen der für die Fürsorge der Kinder zuständigen Behörden ermittelt die Staatsanwaltschaft nach einer Strafanzeige durch eine Privatperson separat, unabhängig von dem jetzt beginnenden Prozess gegen Daniel T.

Mutter erhofft sich vom Verfahren einen "gewissen Abschluss"

Im Verfahren sind für Lutz Rittmann, der die als Nebenklägerin auftretende Mutter der getöteten Lena vertritt, einige Fragen offen, die das Geschehen im Kinder- und Jugendhilfezentrum St. Josef in Wunsiedel in der Tatnacht betreffen: "Wie kann es sein, dass in dem Heim niemand etwas von dem Geschehen mitbekommen hat? Wie kann das sein, dass ein hochaggressiver Junge mit elf Jahren dort untergebracht war?"

Die Mutter des Mädchens erhoffe sich laut Anwalt Rittmann durch das Verfahren einen gewissen Abschluss der Geschehnisse. Sie sei unglaublich traurig und erschüttert, ihr Kind werde aber auch durch einen Prozess nicht mehr lebendig, so ihr Anwalt im Gespräch mit dem BR. Die zehnjährige Lena war ihm zufolge nur kurzfristig in Wunsiedel untergebracht.

Sorgerechtsstreitigkeiten der Eltern hatten sich laut Rittmann so aufgeschaukelt, dass Lena den Schulbesuch verweigerte. Auf Vorschlag des zuständigen Jugendamtes kam das Mädchen ins Kinderheim, um "Abstand zu gewinnen und zur Ruhe zu kommen", so Rittmann. Dem Mädchen soll es tatsächlich besser gegangen sein und Lena hätte offenbar zeitnah wieder nach Hause kommen sollen.

Emotionale Belastung für andere Heimkinder

Der bevorstehende Prozessbeginn sei eine emotionale Belastung für die Kinder und Jugendlichen aus dem Wunsiedler Heim, teilte die Katholische Jugendfürsorge (KJF) Regensburg als Träger mit. In den vergangenen Monaten sei es für die Verantwortlichen vor allem darum gegangen, ein Leben in Normalität wiederzuerringen. Man habe gemeinsam liebevoll einen Ort des Gedenkens und der Erinnerung eingerichtet und gepflegt – darüber hinaus sollten Alltag, Schule und Freizeit möglichst unbelastet gestaltet werden: Unter anderem ist in Marktredwitz aktuell eine Kunstausstellung der Kinder und Jugendlichen im St.-Josef-Heim zu sehen.

Anlässlich des Prozessbeginns habe man die psychologische und pädagogische Begleitung der Kinder nun wieder intensiviert und engmaschiger gestaltet. Anfragen der Presse darüber hinaus könne man während des laufenden Verfahrens nicht beantworten, so die KJF.

Kinderpsychiatrie-Chefärztin: Wunsiedel kann es überall geben

Gegen eine Stigmatisierung des Kinder- und Jugendhilfezentrums und des zum Tatzeitpunkt elfjährigen Jungen wehrt sich Kerstin Hessenmöller, Chefärztin der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Bezirkskrankenhaus Bayreuth (KJP): "Wunsiedel kann es überall in Deutschland geben", sagte sie im Vorfeld des Prozesses im BR-Interview. "Der Fall Wunsiedel ist eine besondere Herausforderung für alle gewesen. Empfehlungen wurden klar ausgesprochen. Aber ganz wichtig: Die Kette fängt ganz woanders an, ganz am Anfang", so die Chefärztin weiter. Man müsse immer auch im Blick haben, was einem Kind in seinem bisherigen Leben widerfahren sei.

In Fällen wie diesem in dem Jungen "nur" einen Straftäter zu sehen, sei schwierig. Denn Kinder seien nicht einfach Täter, sondern auch Opfer der Umstände. Bei all den wachsenden Anforderungen in der Kinder- und Jugendhilfe fehle es zudem an Fachpersonal und der Finanzierung: "Ich kann nicht erwarten, dass ich eine Jugendhilfeeinrichtung hoch qualifiziert führe – gerade mit Kindern mit komplexen Störungsbildern – und auf der anderen Seite sparen." Deshalb sei es ihr auch ein Anliegen, dass die geleistete Arbeit der Jugendämter und Jugendhilfen mehr Wertschätzung und Anerkennung finde.

Kinder können im juristischen Sinn keine Täter sein

Laut Nikolaus Bosch, Professor für Strafrecht an der Universität Bayreuth, kann ein Kind als Tatverdächtiger in Deutschland in keiner Weise strafrechtlich belangt werden. Für strafunmündige Täter seien in Deutschland allein Jugendhilfe und Jugendämter zuständig: Aus Sicht der Gesetzgebung sind somit laut Bosch ausschließlich Maßnahmen zulässig, die am Kindeswohl orientiert sind. Auch entsprechende Daten werden bei der Justiz nicht gespeichert. Das bedeutet, dass die Strafjustiz im Kindesalter begangene Straftaten auch später nicht mehr berücksichtigen kann und darf – auch wenn die verdächtige Person 14 Jahre alt oder volljährig geworden ist.

  • Zum Artikel: Schwere Straftaten – Wenn die Täter noch minderjährig sind

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