Angriffe im Wahlkampf: Schwieriger Wahlkampf: Wie Politiker mit Gewalterfahrungen umgehen
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Angriffe im Wahlkampf: Schwieriger Wahlkampf: Wie Politiker mit Gewalterfahrungen umgehen

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Mit Vorsicht und Adrenalin: Politiker im Haustür-Wahlkampf

Mit Vorsicht und Adrenalin: Politiker im Haustür-Wahlkampf

Die politische Auseinandersetzung in Deutschland ist schärfer geworden. Das können bayerische Landtagsabgeordnete bestätigen, die im Wahlkampf mit Gewalt angegangen wurden – und die oft nur noch in Begleitung um Stimmen werben. Zwei Beispiele.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Samstagmittag im Stadtteil Oberhausen in Augsburg. Es ist kalt und windig. Anna Rasehorn ist unterwegs mit zwei Mitstreitern von der SPD: Die Landtagsabgeordnete möchte von Tür zu Tür gehen und die Menschen von ihrer Partei überzeugen. Ganz analog, wie vor 16 Jahren, als sie das erste Mal als Jugendliche für die SPD geworben hat: Den Wählerinnen und Wählern gegenüberstehen, nicht nur auf Instagram. Allerdings: Sich für eine Partei öffentlich einzusetzen, wird immer gefährlicher. Das hat sie vor wenigen Wochen erlebt.

Mitte Januar war Rasehorn mit einer Parteigenossin nachts zum Plakatieren unterwegs. Ein Plakat war beschädigt worden. Sie wollte es reparieren, als sie von einem Mann massiv angegangen wurde. Er hat sie beleidigt und bedrängt, erzählt sie. Erst kurz bevor die Polizei kam, ließ er von ihr ab. Mehr darf sie nicht sagen, um die Ermittlungen des Staatsschutzes nicht zu beeinträchtigen. Für Rasehorn ist das Motiv des Angreifers offensichtlich: ihr Engagement für die SPD.

In Bayern besonders viele Gewalttaten gegen Politiker

Auch wenn die Zahlen in Bayern leicht zurückgehen, ist der Freistaat laut vorläufiger BKA-Statistik negativer Spitzenreiter bei Übergriffen. Konkret verzeichnete das Bundeskriminalamt für den Freistaat 747 Straftaten im vergangenen Jahr, dazu zählen Beleidigungen und Bedrohungen gegen Amts- oder Mandatsträger, aber auch 35 Gewaltdelikte.

Seit dem Angriff: Mehr Vorsicht und schlechterer Schlaf

Die Tür eines Wohnblocks steht offen, Rasehorn und ihre Begleiter fahren mit dem Aufzug ins oberste Stockwerk und klingeln. Wer die Tür öffnet, sei nie vorherzusehen.

Adrenalin sei deshalb immer dabei, sagt Rasehorn. Angst habe sie nicht, sie sei ja mit Begleitern unterwegs. Aber seit dem Angriff habe sich dennoch einiges verändert: Sie schlafe schlechter, und sie nehme nachts mit dem Fahrrad eine andere Route nach Hause, die ihr sicherer vorkommt.

Die Türe öffnet sich, ein freundlicher Herr bedankt sich für den SPD-Kugelschreiber.

Kritik: AfD gibt demokratischen Konsens auf

Rasehorn sieht den Hauptgrund für diese bedrohliche Entwicklung im Rechtsruck in der Gesellschaft in den letzten Jahren. Unter den Anhängern der "demokratischen Parteien", wie sie es nennt, habe es immer ein unausgesprochenes Einverständnis gegeben: Bei allen Differenzen habe jeder das ehrenamtliche Engagement des anderen respektiert, und man war sich einig, dass man die politischen Themen eben unterschiedlich sehen könne. Diesen Konsens sehe sie bei der AfD nicht.

Auch AfD-Abgeordneter wurde Opfer von Gewalt

Zeitgleich auf dem Augsburger Königsplatz steht Andreas Jurca unter einem hellblauen AfD-Sonnenschirm in der Kälte. Er sitzt für die AfD im Landtag, seit elf Jahren ist er bei der Partei, sagt er. Auch er wurde schon Opfer einer Gewalttat: Im Sommer 2023 wurde er von Unbekannten zusammengeschlagen.

Jurca ist sich sicher, dass die Täter ihn aus politischen Gründen angegriffen haben. Er kandidierte damals für die AfD für den Landtag, sein Gesicht war in ganz Augsburg plakatiert. Die Staatsanwaltschaft ermittelte, konnte bislang niemanden fassen. Das Verfahren wurde eingestellt.

Jurca: Linke Parteien für angespanntes Klima verantwortlich

Wenn Jurca jetzt in der Augsburger Fußgängerzone Flyer verteilt, dann fühle er keine Angst, sagt er, umgeben von etwa zehn weiteren Parteifreunden. Er habe gelernt, sich die Menschen genau anzuschauen und ihr Gefahrenpotential einzuschätzen. Die Polizei ist in der Nähe, eine große Demonstration für die Wahrung der Brandmauer gegen die AfD ist angekündigt: 4.500 Menschen werden später durch die Augsburger Innenstadt ziehen.

Jurca stimmt zu, dass das politische Klima angespannt ist, sieht jedoch die Verantwortung dafür bei den linken Parteien. "Wenn die uns die ganze Zeit beschimpfen und ausschließen, warum sollen wir dann mit Wattebällchen werfen?", fragt er rhetorisch. Er selbst versuche immer "diplomatisch zu bleiben", weil man ja zumindest mit der CSU in Bayern einmal eine Koalition schließen möchte.

Ruhige Stimmung zu Beginn der heißen Wahlkampfphase

Wie vergiftet ist das politische Klima? An diesem Samstagmittag am AfD-Stand kommt es zu keinen Zwischenfällen. Auch bei der zweistündigen Wahlkampftour mit der SPD-Wahlkämpferin Anna Rasedorn gibt es kaum Kontroversen. Einmal wird eine Rentnerin emotional: Es komme zu wenig bei den Menschen an, die ihr Leben lang gearbeitet haben, erregt sie sich, bleibt aber dabei verbindlich und gesprächsbereit.

Das sei auch das Gute, wenn man sich direkt gegenübersteht, betont Anna Rasehorn, im Unterschied zum anonymen Hass im Internet. In den zwei Stunden hatte sie viele kurze und einige wenige längere Gespräche. Die 32-jährige Politikerin zeigt sich erleichtert. Dass nach dem Angriff auf sie vor wenigen Wochen die heutige Haustür-Tour so friedlich verlief, gebe ihr Sicherheit, sagt sie. Die heiße Phase des Wahlkampfs steht allerdings noch bevor.

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