Begradigter Flusslauf der Salzach bei Tittmoning.
Bildrechte: BR/Christine Haberlander
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Das jetzt gestoppte EU-Renaturierungsgesetz sieht vor, Flüsse wie die Salzach hier bei Tittmoning zu renaturieren.

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Globale Artenschutzziele: Deutschland und EU noch auf Kurs?

Globale Artenschutzziele: Deutschland und EU noch auf Kurs?

Die EU hatte eigentlich ehrgeizige Ziele zum Schutz der Biodiversität. Doch zentrale Vorhaben finden keine Mehrheiten. In der Agrarpolitik gab es Zugeständnisse an die Bauern. Kann die EU die internationalen Artenschutzziele überhaupt noch einhalten?

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Es waren enttäuschende Monate für Naturschützer: Bereits im November hatte das Europäische Parlament gegen einen Gesetzentwurf gestimmt, der den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft hätte reduzieren sollen. Ende März dann haben die EU-Agrarminister als Reaktion auf die europaweiten Bauernproteste beschlossen, Umweltauflagen in der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) zu lockern. Dadurch soll vor allem die Pflicht, vier Prozent der landwirtschaftlichen Flächen zugunsten der Biodiversität stillzulegen, entfallen.

Und auch das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur konnte zuletzt mangels Mehrheit unter den Mitgliedsstaaten nicht wie geplant verabschiedet werden. Das sogenannte EU Nature Restoration Law hat eigentlich zum Ziel, bis 2030 mindestens 20 Prozent der geschädigten Ökosysteme an Land und in den Meeren zu renaturieren. Konkret bedeutet das: Moore wieder vernässen, Wälder aufforsten, Flüsse wieder frei fließen lassen, aber auch mehr Grün in den Städten.

Enttäuschung über "Salto" rückwärts beim Naturschutz

All das zusammen bezeichnet Norbert Schäffer, Vorsitzender des Landesbunds für Vogelschutz, als schweren Schlag gegen den Naturschutz. "Wir sind im Naturschutz auf EU-Ebene jetzt wieder in den 90er-Jahren", sagt Schäffer. Auch die Biologieprofessorin Katrin Böhning-Gaese, Direktorin des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums, sieht eine Rolle rückwärts beim Schutz der Artenvielfalt, "um nicht zu sagen einen Salto rückwärts." Dabei habe es nach der UN-Biodiversitätskonferenz in Montreal eine Weile viel Enthusiasmus gegeben.

Umsetzung der Montreal-Biodiversitätsziele in Gefahr?

Alle drei Maßnahmen, die EU-Strategie zur Pestizidreduktion (SUR), die Umweltauflagen in der Agrarpolitik und das Renaturierungsgesetz sind oder waren im Wesentlichen auch Umsetzungen der globalen Ziele für den Schutz der Biodiversität. Ziele die Deutschland und die EU bei der UN-Biodiversitätskonferenz in Montreal im Dezember 2022 mit unterzeichnet haben. Doch jetzt, nicht einmal eineinhalb Jahre später sehen viele Expertinnen und Umweltschützer die EU bereits nicht mehr auf Kurs. Man sei eigentlich auf einem guten Weg gewesen, die Montreal Ziele umzusetzen, "Maßnahmen, bei denen man eigentlich stolz war auf Europa und dachte, das geht genau in die richtige Richtung", meint die Biologin Böhning-Gaese, doch jetzt stoße man an allen Ecken auf massive Widerstände.

Umweltverbände fürchten um Biodiversität in der Agrarlandschaft

Naturschutzverbände haben insbesondere nach den Entscheidungen zur Brachflächenpflicht in der Agrarpolitik empört reagiert. So sagt etwa NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger: "Wir sind fassungslos, wie schnell hier Umweltrecht rückabgewickelt wird und wie schnell die Politik vergessen hat, was sie sich selbst vorgenommen hat." Naturschützer weisen vor allem daraufhin, dass besonders in der Agrarlandschaft die Biodiversität, etwa bei Insekten oder den Feldvögeln, in den vergangenen Jahrzehnten massiv zurückgegangen ist. Die ursprünglich vorgeschriebenen Brachflächen hätten hier ein wichtiger Baustein als Lebensraum für Insekten und Vogelarten sein können. Der Wegfall tue "wirklich weh", sagt NABU-Präsident Krüger. Reinhild Benning, Agrarexpertin bei der Deutschen Umwelthilfe sagt: "Diese Räume sind in der Vergangenheit immer weniger geworden und werden jetzt noch einmal weniger." So könne die EU die Verpflichtungen für den Artenschutz, die in Montreal unterzeichnet wurden, nicht einhalten.

Bundesumweltministerium: "Setzen uns für Fortführung des Green Deal ein"

Vom in Deutschland zuständigen Bundesumweltministerium mit Ministerin Steffi Lemke (Die Grünen) heißt es, die Bundesregierung setze sich in Gesprächen mit den Mitgliedsstaaten und der Kommission für eine ambitionierte Fortführung des European Green Deal ein. Letztlich werde aber auch die anstehende Europawahl maßgeblich beeinflussen, wie viel Durchsetzungskraft die Klima- und Umweltpolitik der Europäischen Union in den kommenden Jahren haben werde. Eine Sprecherin teilt außerdem mit: Das Ministerium beobachte aktuell eine Polarisierung und nachhaltige Entfremdung, zumindest von Teilen der Landwirtschaft, vom Umweltschutz. Jahrzehnte lange verfehlte Agrarpolitik habe hier großen Schaden angerichtet und viel Vertrauen vor Ort verspielt. Das Ministerium setze sich zusammen mit dem Bundeslandwirtschaftsministerium für Verbesserungen der Gesetzgebung der GAP ein, um zum Beispiel Biodiversitätsleistungen stärker zu fördern. Was das Renaturierungsgesetz angeht, werbe die Bundesregierung bei allen europäischen Partnern für eine zeitnahe Verabschiedung dieser wichtigen Naturschutzgesetzgebung.

Biologin zu Meeresschutz: "Deutschland muss sich eigentlich schämen"

Was das Ziel von Schutzgebieten auf 30 Prozent der Flächen bis 2030 angeht, sieht aus laut Katrin Böhning-Gase zum Teil "gar nicht so schlecht" aus. Deutschland habe gerade die erste Charge von Schutzgebieten an die EU gemeldet. Doch bei der Qualität der Schutzgebiete sieht die Expertin das ganz anders: Die EU hat sich im Green Deal vorgenommen, zehn Prozent der Flächen, also ein Drittel der Schutzgebiete streng zu schützen. Eine Maßgabe, die über die Ziele von Montreal hinaus geht. International hatte es dafür keine Mehrheit gegeben. Nun ist die Frage, wie "strenger Schutz" aussieht. "Nach den Kriterien der Weltnaturschutzunion wären das Gebiete, in denen fast kein menschlicher Eingriff stattfindet, wo man die Natur wirklich Natur sein lässt", sagt Böhning-Gaese. Das sei hierzulande aber nicht unbedingt der Fall. Als Beispiel nennt sie den Nationalpark Wattenmeer, in dessen Kernzone weiterhin legal Fischerei betrieben werde: "An dem Punkt müsste sich Deutschland eigentlich schämen und den wirksamen Schutz gerade in diesen besonderen Schutzgebieten, den Nationalparks, besser durchsetzen."

Naturschutzbund: "Das wird uns auf die Füße fallen"

Insgesamt urteilt Jörg-Andreas Krüger vom Naturschutzbund NABU, derzeit fehle angesichts der anderen kriegerischen Krisen beim Naturschutz der mittel- bis langfristig gedachte Weg nach vorne. "Das wird uns auf die Füße fallen, da müssen wir wieder ran als Gesellschaft."

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