Lehmhütten mit Wellblechdächern gelten nicht gerade als standhaft. Ein starker Regenschauer und die Wände können sich regelrecht auflösen. In Kibera, einem Slum nahe der kenianischen Hauptstadt Nairobi, leben Hunderttausende unter kärglichen Bedingungen.
Oliver von Malm ist noch Architekturstudent, als er vor mehr als zehn Jahren beschließt, den Alltag der Menschen zu verbessern. Auf die Idee kam er auf einer Reise nach Kenia. Als er in Nairobi sich von einem Einheimischen den Slum Kibera zeigen ließ. Da stand für den Münchner fest, er will stabile Häuser bauen, die auch noch preiswert sind. Doch wie soll das gehen?
Kurvige Wände aus Beton-Elementen
Von Malm tüftelt jahrelang an seiner Idee. Gemeinsam mit der Kommunikationsmanagerin Kristina Cress gründet der Architekt die gemeinnützige Gesellschaft "Start Somewhere". Den entscheidenden Schritt zur Verwirklichung liefert schließlich die Weißenhorner Firma Peri im Landkreis Neu-Ulm. Das Unternehmen stellt Schalungen her, in denen die mittlerweile patentierten "Twist Blocks" als Beton-Elemente gegossen werden.
Es handelt sich dabei nicht um irgendwelche Bausteine. Die Twist-Blocks lassen sich durch Noppen auf der Oberseite wie Legosteine zusammensetzen, ohne dass es dafür Mörtel braucht. Die 18 Kilogramm schweren und einen halben Meter langen Steine muss man nicht im rechten Winkel aufbauen. Dank einer abgerundeten Seite sind auch geschwungene Wände möglich.
Steine sind wiederverwendbar
In Gegenden wie einem Slum gehört den Menschen oft nicht der Grund, auf dem ihre Häuser stehen. Wird eine Straße oder etwas anderes gebaut, werden die Hütten nicht selten mit einem Bulldozer eingerissen. "Wir haben hier den Vorteil, dass die Menschen das Gebäude abbauen und woanders wieder aufbauen können, denn gut 80 Prozent der Steine lassen sich problemlos wiederverwerten", erklärt Kristina Cress. Gerade in dicht besiedelten Gegenden wie Slums, in denen es häufiger zu Bränden kommt, bieten die Bausteine auch einen guten Schutz vor Feuer.
Hilfe zur Selbsthilfe
Die Twist-Blocks werden aber nicht einfach von Europa nach Afrika geliefert. Vielmehr stellen sie die Menschen vor Ort selbst her. "Die Steine werden in Werkstätten produziert. So verlagern wir den Großteil der Wertschöpfung nach Afrika", sagt Andreas Mayer von der Firma Peri. In Kibera gibt es viele ungelernte Arbeitskräfte, die sich oft als Tagelöhner verdingen. Die Steine zu fertigen und zu verbauen, ist verhältnismäßig einfach und bietet feste Jobs. Zwanzig Häuser sind vor Ort schon entstanden, darunter auch vier Schulen.
Weitere Projekte in Planung
"Unser altes Gebäude hatte sich in der Sonne stark aufgeheizt und jetzt haben wir einfach eine viel kühlere Umgebung. Das ist wirklich ein Segen", sagt Ezekiel Mogaka, der in Kibera als Lehrer in einer der vier neu gebauten Schulen arbeitet.
Weil die Bausteine flexibel sind, lassen sich die Zwischenräume im eng bebauten Slum zudem gut ausnutzen. "Viele sind stolz, dass so eine Neuerung zum ersten Mal bei Ihnen in Kibera verbaut wird. Sie malen die Steine sogar an", sagt Cress. Am Victoriasee entsteht derzeit eine Steinmanufaktur für einen Schulcampus, eine weitere ist in Uganda in Planung. Doch angesichts steigender Baukosten - wäre das System nicht auch hierzulande geeignet?
Einsatz in Deutschland
Der Schwerpunkt liege momentan auf dem sozialen Projekt, betonen Peri und das gemeinnützige Unternehmen "Start Somewhere".
Aktuell gibt es die Steine noch nicht im Handel, aber sie haben durchaus Interesse geweckt. "Wir waren damit auf einer Baumesse und viele haben gefragt, wo man die Steine denn kaufen kann? Weil Menschen sie zum Beispiel im Garten oder im Innenausbau einer Hotellobby nutzen wollten", erzählt Andreas Mayer von Peri. Eine Idee, die durchaus Potenzial hat. Den deutschen Innovationspreis haben die Twist-Blocks jedenfalls schon abgeräumt.
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