"So mit 16,17 hat es angefangen. Da hab ich gemerkt, dass ich irgendwie anders ausseh'", sagt die heute 27-Jährige. Wir nennen sie Anna. Nur unter diesem Pseudonym will sie ihre Geschichte veröffentlichen, über ihre Gefühle und das Erlebte sprechen. Denn obwohl es so viele Betroffene gibt, über die Figur, über "Dicksein" spricht man nicht gern. Und so hat sie sich auch im Verlauf ihrer Krankheit immer mehr zurückgezogen. Als ihre Waden immer dicker wurden, ohne dass sie etwas dagegen tun konnte. Diäten halfen nichts und an Sport war bald nicht mehr zu denken: "Ich konnte in der schlimmsten Phase nicht mehr Fahrradfahren, so hat die Haut gespannt", berichtet die junge Lipödem-Patientin.
Schnelle Diagnose verkürzt Leidensweg
Wegen der Schmerzen, insbesondere in den Knien, ging sie zu einer Physiotherapeutin. Die hatte zum Glück gleich das richtige Gespür: Es könnte sich um diese Fettverteilungsstörung handeln, um Lipödem, sagte sie der damals 17-Jährigen. Beim Chirurgen bekam sie dann die klare Diagnose: Lipödem. "Für mich war das damals nicht so einfach damit umzugehen. Sehr einfühlsam war das nicht", meint sie heute. Man habe ihr gesagt, das sei "eben so", und man könne eigentlich nichts machen, außer einer Operation.
Erstmal sei das ein Schock für sie gewesen, im Nachhinein aber großes Glück. Nach Rücksprache mit ihren Eltern entschied sich Anna für die Operation. Auch wenn klar war, dass sie in diesem noch relativ frühen Stadium der Krankheit alles selbst zahlen müssten. Dafür, und für den Rückhalt von zuhause, ist sie ihrer Familie sehr dankbar. Gemeinsam suchten sie einen Arzt aus.
Nach jeder Operation ein Stück Lebensqualität zurück
Im frühen Stadium gibt es mehr Ärzte, die die Operation anbieten. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten: Eine OP unter Vollnarkose oder im Dämmerschlaf. Der Arzt, für den sich Anna entschied, operierte im Dämmerschlaf. "Das war für mich eine schlimme Erfahrung, weil man halt obwohl man leicht benebelt ist, doch alles irgendwie mitbekommt." Deshalb hat sie den Arzt gewechselt. Weitere vier Operationen unter Vollnarkose folgten. "Da haben die auch viel abgesaugt, aber es war erträglicher", sagt sie.
Schmerzhaft seien die Operationen und die Zeit danach immer gewesen. "Aber ich hatte eine tolle Unterstützung zuhause. Man vergisst auch schnell, welche Schmerzen das waren, weil man mit jeder Operation ein Stück weiter am Ziel ist. Man hat Lebensqualität zurück, man kann sich wieder besser bewegen, Sport machen." Der Körper funktioniere einfach wieder, das zu spüren, sei sehr befreiend.
Lipödem-OP könnte generelle Kassenleistung werden
Heute, knapp zehn Jahre später, gilt sie als geheilt. Sie hofft, dass sie es geschafft hat. "Klar steckt man nicht in dem Körper drin, und mit jeder Hormonumstellung könnten sich die Fettzellen wieder vermehren", sagt sie. Eine Schwangerschaft etwa könnte wieder eine Wucherung der Zellen auslösen. Das muss aber nicht sein. Für den Moment ist sie einfach nur glücklich und "unfassbar dankbar, dass das so gelaufen ist".
Anderen, die sich vielleicht noch nicht sicher sind, ob sie an der Krankheit leiden, empfiehlt sie den Besuch bei einer Selbsthilfegruppe. Dort könne man Erfahrungen austauschen. Für sie sei letztendlich die Operation das einzige Richtige gewesen. Vor allem auch, dass sie sich so früh dafür entschieden habe. Klar habe sie das Glück gehabt, von ihren Eltern finanziell unterstützt zu werden. Dieses Glück haben viele nicht.
Derzeit wird allerdings eine Studie durchgeführt. Danach will der Gemeinsame Bundesausschuss entscheiden, ob diese Operation eine generelle Kassenleistung wird. Anna hat sich durch die frühe Operation einen langen Leidensweg und möglicherweise noch viel mehr und schmerzhaftere Operationen erspart. Sie hofft, dass es anderen auch so geht.
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