Vielen Gebäuden im Augsburger Domviertel sieht man auf den ersten Blick ihre historische Bausubstanz an. Altbauten mit Sprossenfenstern und Fassaden voller Erker und Vorsprünge, dazwischen enge Gassen und versteckte Gärten. Auf dem Vorplatz des Doms lassen sich sogar Überreste von Augsburgs Römererbe besichtigen und gegenüber residiert seit Jahrhunderten der städtische Bischof.
Nach energieeffizienten Sanierungsprojekten würde man hier vielleicht nicht unbedingt als erstes suchen, und doch: Inmitten der geschichtsträchtigen Substanz hat sich ein finnischer Bauherr ganz bewusst für eine Sanierung entschieden, bei der Klimaschutz und Wohngesundheit im Vordergrund stehen.
Finnischer Bauherr verfolgt Kreislauf-Gedanke
"Ich bin das gewohnt, ich bin Finne. Die Materialien, die ich verwende, müssen dem Kreislaufgedanken möglichst direkt naheliegen", erklärt Ossi Aalto schmunzelnd. Er wohnt selbst unweit der Baustelle und saniert das Gebäude, damit seine Kinder hier einziehen können. Auch eine Mietwohnung soll entstehen. Finnland hat eine lange Tradition der Nutzung natürlicher Ressourcen und des nachhaltigen Umgangs mit der Umwelt. Historisch gesehen haben die Menschen in Finnland natürliche Materialien wie Holz und Stein genutzt und Wert daraufgelegt, sie effizient zu verwenden und wiederzuverwenden.
Aalto wählt deshalb lieber naturnahe Fasern zur Dämmung, Holz statt Kunststoff, Ziegel statt Beton. Vor neuer Technik scheut er sich trotzdem nicht: Die moderne zentrale Be- und Entlüftungsanlage im Haus etwa spare bis zu 30 Prozent an Heizkosten, rechnet der Augsburger vor – und halte ihm als Allergiker zudem die Luft sauber.
Wie eine Kampagne des Freistaats helfen will
Bislang sind Bauherren wie Ossi Aalto eher noch die Ausnahme. Damit sich mehr Bürgerinnen und Bürger beim Bauen an das Thema Energieeffizienz herantrauen, hat der Freistaat eine Kampagne aufgelegt. Unter dem "Richtungsweisend – Energieeffizientes Bauen und Sanieren" will die Landesagentur für Energie und Klimaschutz (LENK) informieren – und das möglichst "neutral und technologieoffen", wie Christina Bauer erklärt: "Die Angebote stehen kostenfrei zur Verfügung. Wir möchten einen 'positiven Einstieg' schaffen und die Unsicherheit nehmen."
Bis zum Herbst tourt die Landesagentur mit der Kampagne durch ganz Bayern, von Amberg über Augsburg bis ins Allgäu. Immer mit dabei: Ein energieeffizientes Tiny-Haus, das dem neusten Stand entspricht. In der Info-Kampagne geht es ums Energie- und Geldsparen, aber auch um die Aspekte "Wohngesundheit" und "Wohlfühlatmosphäre". Hier geht es vor allem um die Frage nach den Materialien: "Ab und an muss man vielleicht anfangs mehr investieren, aber man hat dafür langfristig Freude daran", erklärt Bauer.
Auf der Augsburger Baustelle von Ossi Aalto ist dieser Gedanke bereits Realität. Der finnische Bauherr sieht allerdings Nachbesserungsbedarf vonseiten der deutschen Politik: Um mehr private Häuslebauer für umweltgerechtes Bauen zu begeistern, brauche es verlässliche finanzielle Förderung, die nicht ständig geändert würde: "Das verunsichert ja komplett", sagt Aalto und fügt hinzu: "Wenn man so was in die Hand nimmt, dann läuft das die nächsten 50 Jahre."
Sanierung von Bestandsgebäuden als Potenzial
Der Blick in die Daten zeigt: Gerade in der Sanierung von Bestandsgebäuden liegt enormes Potenzial. Experten wie Susanne Runkel, Professorin für Architektur an der Technischen Hochschule Augsburg, fordern diesbezüglich, dass bereits verbaute Materialien möglichst wieder verwendet werden. Bislang, so Runkel, liege die Quote für Sanierungen im deutschen Gebäudebestand bei unter einem Prozent. Sanieren statt neu zu bauen spare jede Menge "graue Energie" – dieser Begriff umfasst die Gesamtmenge an Energie, die für die Herstellung, den Transport und die Entsorgung von etwas notwendig ist.
Dämmstoffe: Bessere Energiebilanz als Neubau
"Was dann dazu neu dazu kommt, sind in der Regel leichte Dämmstoffe", erklärt Runkel. Diese Materialien fielen in der Energiebilanz nicht so sehr ins Gewicht wie die "Primärkonstruktion", also der Rohbau – wenn der erhalten wird.
Die richtige Dämmung sieht auch Tim Miltenberger von der Photovoltaik-Beratung am Landratsamt Augsburg als eine kostengünstige Möglichkeit, um ein Gebäude energetisch "fit zu machen": Heizungsrohre isolieren, Decken dämmen und möglicherweise alte Heizungspumpen austauschen, nennt er als mögliche Schritte.
Experte: "Beste Wärme ist die, die gar nicht benötigt wird"
"Die beste Wärme ist die, die gar nicht erst benötigt wird", so Miltenberger. Wie sich der Energieverbrauch senken lässt, das könne zum Beispiel ein maßgeschneiderter individueller "Sanierungsfahrplan" (iSFP) zeigen, der im Rahmen von förderfähigen Energieberatungen von Energieeffizienz-Experten ausgearbeitet wird. Eine Übersicht der Beratungsmöglichkeiten bietet die Deutsche Energieagentur.
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