Kurz vor der Sommerpause des Bayerischen Landtags hat die SPD-Landtagsfraktion sich neu aufgestellt: An der Spitze der Fraktion steht ab sofort Holger Grießhammer. Für den 42 Jahre alten Oberfranken stimmten alle anwesenden 16 Abgeordneten. Vorgänger Florian von Brunn, dem die Fraktion vergangene Woche das Vertrauen entzogen hatte, nahm an der Sitzung nicht teil. Einen Gegenkandidaten gab es nicht.
"Es ist vollbracht", sagte Grießhammer bei einer Pressekonferenz nach seiner Wahl. "Wir haben turbulente Tage hinter uns." Ein solches Ergebnis für einen bayerischen SPD-Fraktionschef habe es in der jüngeren Geschichte wahrscheinlich nicht gegeben. Damit sende die Fraktion auch ein "Signal nach außen". Das Votum untermauere, dass die Fraktion nicht gespalten sei. Für einen Neustart sei es wichtig, "dass sich die Kolleginnen und Kollegen hinter dem Vorsitzenden versammeln".
Grießhammer will zweistellige Wahlergebnisse
Grießhammer sagte, er wolle die Fraktion wieder auf Vordermann bringen und die Stärken der Landtagsfraktion mehr herausstellen. Als wichtige Themenfelder führte er bezahlbare Energie, Pflege und Bildung an. Wichtig sei ihm, als Fraktionsvorsitzender nah an den Bürgern zu sein. Die SPD habe in der Vergangenheit in ihren Wahlprogrammen lange unverständliche Sätzen verwendet. "Ich meine, dass die SPD auch eine einfache Sprache, eine leichte Sprache sprechen muss."
Mit Blick auf den linken SPD-Landesverband in Bayern sagte der neue Fraktionsvorsitzende: Er sei überzeugt, "dass wir die Politik der SPD auch in Bayern wieder ein Stück weit in die Mitte der Gesellschaft rücken müssen". Dann könne die SPD auch wieder Wahlerfolge einfahren. Ein erster Schritt wäre "Zweistelligkeit", 15 Prozent. "Und natürlich wäre es für uns sehr toll, und es ist auch anzustreben, dass wir wieder eine zwei vorne stehen haben". Auch von Brunn hatte einst das Ziel ausgegeben, mit der SPD wieder "15 plus x" Prozent zu erzielen. Bei der Landtagswahl im Oktober waren es nur 8,4 Prozent – das bisher schlechteste Ergebnis.
Erst seit neun Monaten im Landtag
Grießhammer wurde 1982 in Marktredwitz (Oberfranken) geboren. Der Maler- und Lackierermeister baute im Fichtelgebirge einen Betrieb mit mittlerweile zwölf Angestellten auf. Darüber hinaus gründete er ein Unternehmen, das Alpaka-Wanderungen und -Produkte anbietet.
Der SPD gehört Grießhammer seit 2000 an, von 2008 bis 2020 war er zweiter Bürgermeister der Stadt Weißenstadt. Vor neun Monaten zog der fünffache Familienvater in den Landtag ein und wurde gleich zu einem der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden gewählt. Grießhammer verwies darauf, dass er schon mit 19 Jahren seine kommunalpolitische Laufbahn begonnen und seither alle kommunalpolitischen Ebenen durchlaufen habe - Ortssprecher, Stadtrat, Kreisrat, Bezirksrat. "Und das ist auch ein Ansatz, den ich gerne mit einbringen möchte: Ich möchte unsere guten und erfahrenen Kommunalpolitiker wieder näher mit zu uns ranholen."
"Mehr Praxis in die Politik bringen"
In seinem ersten Interview als neuer Fraktionschef betonte Grießhammer bei BR24live die Unterschiede zwischen sich und seinem Vorgänger: "Unsere Herkunft ist grundverschieden. Florian von Brunn ist der Münchner - ich bin ein Landkind, ein Dorfkind aus dem Fichtelgebirge. Ich glaube, das prägt schon mal." Auch beruflich habe er einen anderen Hintergrund: "Ich bin Handwerksmeister, Malermeister, selbständiger Betrieb. Das heißt, ich weiß, was es bedeutet, acht Stunden am Bau zu schuften - im Hochsommer, bei über 30 Grad, aber auch im Herbst, wenn es kalt und nass ist. Ich glaube, da bringt man noch mal eine andere Ansichtsweise einfach mit." Der 42-Jährige betonte, sein Kernanliegen sei, mehr Praxis in die Politik zu bringen.
Er sei zwar kein "Haudrauf", werde aber schon auch deutlich machen, was nicht richtige laufe. "Die Regierung um Markus Söder stellt sich immer sehr gut nach außen dar, große Regierungserklärungen", beispielsweise zuletzt zum Bürokratieabbau. "Wir fragen uns: Wer hat die Bürokratie denn so weit kommen lassen? Es waren die Regierungsfraktionen." Die SPD werde ganz genau auf all die Versprechen schauen.
Halbleib neuer parlamentarischer Geschäftsführer
Als neuer parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion wurde auf Vorschlag Grießhammers der Unterfranke Volkmar Halbleib gewählt. Er bekam 13 Stimmen, zwei Abgeordnete votierten gegen ihn, es gab eine Enthaltung.
Stellvertretende Fraktionsvorsitzende sind künftig Anna Rasehorn aus Schwaben, Arif Taşdelen aus Mittelfranken und Doris Rauscher aus Oberbayern.
Von Brunn gibt beide SPD-Spitzenämter in Bayern ab
Die Landtagsfraktion hatte ihrem bisherigen Vorsitzenden am Mittwoch vergangener Woche das Vertrauen entzogen. Daraufhin kündigte von Brunn am Donnerstag an, er werde bei der Neuwahl der Fraktionsspitze nicht erneut kandidieren. Am Sonntag gab der 55-Jährige dann noch seinen Rücktritt als SPD-Landesvorsitzender bekannt.
Den Landesvorsitz will Grießhammer nicht, wie er bekräftigte: "Das steht für mich nicht zur Debatte." Er wolle sich "voll und ganz" auf seine Arbeit in der Fraktion konzentrieren. Bis zum nächsten SPD-Landesparteitag im kommenden Jahr wird die Co-Landesvorsitzende Ronja Endres die bayerische SPD nun allein führen. Sie gratulierte Grießhammer zu seinem "starken Wahlergebnis". Auf X schrieb Endres: "Ich freue mich auf eine gute Zusammenarbeit für soziale Politik in Bayern."
Im Video: BR24 Live zu Holger Grießhammer als neuem bayerischem SPD-Fraktionschef
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!