Die Israelitische Kultusgemeinde Nürnberg hat heute mit einem Festakt gleich zwei wichtige Ereignisse gefeiert: Zum einen die Einweihung der zerstörten ehemaligen Hauptsynagoge vor 150 Jahren sowie die Eröffnung der aktuellen Synagoge und des Gemeindezentrums in der Arno-Hamburger Straße vor 40 Jahren.
Neue Tora-Rolle in Nürnberg fertiggestellt
Zur Feier des Jubiläums wurden bei dem Festakt die letzten Buchstaben einer neuen Tora-Rolle auf das Pergament geschrieben und der Gemeinde übergeben – ein besonderer religiöser Akt im Judentum. "Jeder Jude ist ein Buchstabe in der Tora-Rolle", sagte Rabbiner Steven Langnas bei seiner Rede. Zusammen ergeben sie Worte, die wiederum zu Sätzen, zu Paragrafen und letztendlich zu einer Geschichte werden – zu der Geschichte des jüdischen Volkes. Deswegen sei die Fertigstellung der Rolle sogar noch etwas mehr als nur der Akt. "Es ist ein Zeichen der symbiotischen Beziehung zwischen der Tora und dem Volk Israels", so Langnas.
Nazis zerstören Synagoge im Jahr 1938
So viel Grund zum Feiern die jüdische Gemeinde in Nürnberg heute auch hatte – so viel Schatten und Dunkelheit liegt trotzdem über der Geschichte der Gemeinde. Im August 1938, also schon Monate vor der Pogromnacht im Deutschen Reich, wurde die Hauptsynagoge von den Nationalsozialisten zerstört. In der darauffolgenden Zeit versuchten sie dann, auch jegliches jüdisches Leben in Nürnberg niederzureißen – letztendlich aber ohne Erfolg, wie auch der heutige Festakt zeige. "Die Buchstaben sind geblieben, sie haben uns Kraft verliehen", so Langnas.
Schutzbekenntnis zu jüdischem Leben
Dass jüdisches Leben aber auch heute noch in Gefahr ist, zeigen auch jüngste Ereignisse wie der Vorfall in München. Am Donnerstagmorgen hatte ein 18-jähriger österreichischer Staatsangehöriger am israelischen Generalkonsulat in München mehrere Schüsse abgegeben. Die Polizei tötete den Angreifer. Auch wenn die Ermittlungen noch laufen, könne man wohl sagen, dass das ein Terrorangriff auf jüdisches Leben gewesen sei, sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder.
"Wir werden auf keinen Fall akzeptieren, dass jemand die Freiheit jüdischen Lebens, die Unversehrtheit jüdischen Lebens angreift. Wer dies tut, muss mit der ganzen Entschlossenheit Bayerns rechnen", so Söder. Damit bekräftigte er sein Schutzversprechen für alle Jüdinnen und Juden im Freistaat. "Wer Juden angreift, greift uns alle an", sagte er.
Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König (CSU) sagte in seiner Rede: "Mit aller Deutlichkeit und Härte müssen wir wieder gegen Antisemitismus vorgehen. Der Rechtsstaat hat die Mittel – und wir müssen sie endlich wieder einsetzen". Denn: "Jüdisches Leben hat in Nürnberg traditionell ein Zuhause", so König.
Hamburger: "Wir wollen mitbauen"
Der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnbergs, Jo-Achim Hamburger, appellierte an die Gäste des Festakts, für die Freilassung der Geiseln im Gazastreifen, die sich noch immer in den Händen der Hamas befinden, zu beten. "Wir haben uns manchmal gefühlt wie unsere Brüder und Schwestern 1933 – ein großer Solidaritätsentzug, gerade von der Straße her", sagte er im BR-Interview in Bezug auf einen erstarkenden Antisemitismus. Aber dennoch fand Hamburger auch tröstliche Worte: "Aber diese Solidarität, die wir heute erfahren, die ist uns mehr als wichtig. Das ist unser Land: Wir wollen hier mitbauen, mitgestalten – wir wollen mitkreieren."
Im Video: Interview mit IKG-Vorsitzendem Jo-Achim Hamburger zum Festakt in Nürnberg
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