Defibrillator im Eingangsbereich eines öffentlichen Gebäudes
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Scheu vor Defibrillatoren: Ersthelfer-Quote noch zu niedrig

Scheu vor Defibrillatoren: Ersthelfer-Quote noch zu niedrig

Rund 10.000 Menschen mit Herz-Kreislauf-Stillstand könnten in Deutschland jedes Jahr durch eine schnelle Reanimation gerettet werden. Eine Schlüsselrolle dabei spielen Defibrillatoren. Aber: Es hakt noch bei der Versorgung - und beim Einsatz.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Wenn das Herz flimmert und das Blut nicht mehr richtig durch den Körper pumpt, zählt jede Sekunde. Bis ein Profi zur Stelle ist, sind Ersthelfer gefragt: Passanten, Angehörige, Freunde. Vor einer solchen Notfallsituation fürchten sich viele Menschen, weil sie nicht genau wissen, was sie tun sollen und befürchten, etwas falsch zu machen.

Verzerrte Vorstellungen machen Angst

Peter Schumann von den Maltesern in München hört in seinen Erste-Hilfe-Kursen immer wieder von Ängsten und verzerrten Vorstellungen. Teilnehmende sähen im Fernsehen spektakuläre Wiederbelebungen, Mediziner mit riesigen Maschinen, die Patienten einen kraftvollen Schlag geben. "Davor haben die Leute natürlich Schiss", sagt Schumann.

Hemmungen und Berührungsängste beobachten auch andere Anbieter von Erste-Hilfe-Kursen wie der ADAC und die "Erste Hilfe Bayern". Deshalb stehen in vielen Erste-Hilfe-Kursen Übungen zum Defibrillator auf dem Programm.

Defibrillatoren geben Anweisungen

Automatisierte externe Defibrillatoren für Laien, kurz AED, hängen inzwischen immer häufiger an Bahnhöfen, in Verwaltungsgebäuden und Stadien und sind extra für Menschen ohne medizinische Vorkenntnisse gemacht. Sie sprechen mit dem Nutzer und führen Schritt für Schritt durch den Vorgang. Dazu gibt es Bilder. Die meiste Arbeit erledigt das Gerät selbst: Es analysiert den Herzrhythmus des Patienten und gibt bei Herzrhythmusstörungen einen Elektroschock ab, damit das Herz wieder in den richtigen Takt kommt.

In Schumanns Erste-Hilfe-Kurs will Reiner Schupfner den Defibrillator ausprobieren. Als Bauarbeiter muss er alle zwei Jahre einen solchen Kurs absolvieren. Wie das Gerät funktioniert, weiß er noch ungefähr von den zurückliegenden Malen. Sein Plan: "Die Dioden aufkleben und dann einfach mal zuhören."

Schnelles Handeln rettet Leben

Doch nicht nur auf die Kenntnisse und den beherzten Eingriff der Ersthelfer kommt es an. Bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand pumpt das Herz das Blut nicht mehr richtig durch den Körper. Lebenswichtige Organe wie das Gehirn werden nicht mehr mit Sauerstoff versorgt. Deshalb ist schnelles Handeln wichtig. "Bereits nach drei bis fünf Minuten beginnt das Gehirn Schaden zu nehmen und die Organe zu versagen. Das heißt, ein AED sollte innerhalb von drei Minuten idealerweise verfügbar sein", erläutert Mathematiker Christopher Scholl vom Fraunhofer-Institut in Nürnberg.

Er forscht zusammen mit dem Unternehmen CardiLink im Projekt "HerzKISO" (externer Link) zur optimalen flächendeckenden Verteilung von Defibrillatoren. Das Team analysiert am Beispiel von Fürth, wo und wie viele Defibrillatoren es idealerweise geben sollte. Anschließend werden die Ergebnisse für andere Orte verallgemeinert.

Versorgung mit Defibrillatoren verbessern

Scholl sagt: Die Versorgung mit AEDs müsse insgesamt verbessert werden. Es gebe zu wenige und nicht flächendeckend. In manchen Gebieten bündelten sich Geräte, an anderen Orten fehlten sie. Defibrillatoren sollten gut zu finden sein und beispielsweise in Rathäuser, Kliniken, Apotheken und Bahnhöfen hängen. Außerdem müsse sichergestellt werden, dass sie funktionieren.

Zentral sei dann, dass Menschen sich den Einsatz wirklich zutrauen und anderen helfen. Trainings in der Arbeit oder der Schule könnten Sicherheit geben: "Damit man sich im Ernstfall darauf verlassen kann: Ich weiß, wie man den AED verwendet, ich bin da sicher und ich mache das auch", sagt Scholl.

Laien zu Reanimation ermuntern - deutsche Quote gering

Die Quote der Laienreanimation liegt in Deutschland laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bei 51 Prozent. Das bedeutet: In jedem zweiten Fall starten Laien einen Reanimationsversuch. In anderen europäischen Ländern ist die Quote teilweise deutlich höher. In den Niederlanden liegt sie bei etwa 70 Prozent, in Schweden bei rund 80 Prozent. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung geht davon aus, dass in Deutschland jedes Jahr rund 10.000 Menschenleben gerettet werden könnten, wenn ihnen bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand mit einer Reanimation sofort geholfen würde.

Kurs gibt Sicherheit für den Notfall

Im Kurs der Malteser folgt Rainer Schupfner begleitet von Piepen den klaren Anweisungen des Defibrillators: "Roten Handgriff ziehen, um Elektroden zu entnehmen. Beachten sie die Bilder auf den Klebeelektroden." Und weiter: "Patienten nicht berühren. Blinkende Taste drücken. Schock abgegeben. Herzdruckmassage fortführen." Der Testlauf bestärkt Schupfner. Er fühle sich gewappnet: "Falls die Situation aufkommt, gerade bei den Eltern, die älter sind. Dass man das irgendwann durchziehen muss."

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