Deutschland hat auf UN-Klimakonferenzen in der Regel eine starke Stimme. Auf der COP29 dürfte das anders sein: Eigentlich war geplant, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zum Auftakt der Konferenz am Montag nach Baku reist und dort am Dienstag vor der Weltgemeinschaft spricht. Nach dem Aus der Ampel-Koalition hat er diese Reise jedoch abgesagt. Begründung: "Die aktuelle politische Lage".
Fährt Deutschland als "lahme Ente" nach Baku?
Bisher weiterhin geplant sind dagegen die Reisen von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) und Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) im Laufe der Konferenz zu den Verhandlungen in Aserbaidschan. In der momentanen Situation mit bevorstehenden Neuwahlen können sie aber wohl nicht viel ausrichten. Deutschland ist aktuell beim internationalen Klimaschutz eine "lame duck" (lahme Ente). So werden sonst vor allem in den USA Politiker bezeichnet, die zwar noch im Amt sind, aber politisch nicht mehr handlungsfähig sind. Zusagen, die Deutschland jetzt im internationalen Klimaschutz macht, müssten von der nächsten Bundesregierung umgesetzt werden, die dann möglicherweise ganz andere Prioritäten setzt. Sie wären also wenig wert.
Deutschland gilt sonst international eigentlich als Vorreiter und verlässlicher Partner. Doch bei dieser Konferenz wird die deutsche Delegation von den anderen Staaten in den Verhandlungen wohl weniger ernst genommen werden. Die Verhandlungsführer dürften sich dieser außergewöhnlichen Situation bewusst sein und könnten einen Umweg wählen: Deutschland ist gewissermaßen doppelt vertreten, nämlich zusätzlich noch als Teil der EU. Deutschland könnte also versuchen, über die EU-Delegation inhaltliche Akzente zu setzen.
Ausstieg aus fossilen Energien von der Agenda genommen
Experten fragen sich außerdem, ob unter Aserbaidschans Präsidentschaft ehrgeizige Klimaschutzbeschlüsse überhaupt möglich sind: 90 Prozent der Exporteinnahmen des Landes stammen aus dem Export fossiler Brennstoffe, die größtenteils in die EU gehen. Ein Indiz dafür gibt es bereits: Bei der Konferenz im vergangenen Jahr (COP28) in Dubai hatten die Vertragsstaaten einen langfristigen Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas beschlossen – mit einer abgeschwächten Formulierung: Der Begriff "Ausstieg" wurde ersetzt durch "Übergang weg" von der Nutzung von fossilen Brennstoffen. Das wurde dennoch als Verhandlungserfolg gefeiert. COP29-Gastgeber Aserbaidschan hat das Thema Ausstieg aus fossiler Energie für dieses Jahr aber vorab schon von der Tagesordnung genommen.
Sorge um Pariser Klimaabkommen nach Trump-Sieg
Auch der Wahlsieg von Donald Trump bei der US-Präsidentenwahl wirft einen Schatten auf die Klimakonferenz. Mit ambitionierten Klimaschutzanstrengungen seitens der USA sind wohl in den nächsten Jahren nicht mehr zu rechen. Im Gegenteil: Es ist zu erwarten, dass Trump erneut, wie schon nach seiner ersten Wahl zum Präsidenten, den Austritt der USA aus dem Pariser Abkommen erklären wird. US-Präsident Biden hatte den Austritt gleich zu Beginn seiner Präsidentschaft rückgängig gemacht. Lambert Schneider vom Öko-Institut in Berlin, der auch Mitglied der EU-Delegation beim Klimagipfel in Baku ist, befürchtet sogar, dass es diesmal "nicht so glimpflich ausgehen" könnte und es bei den USA bleibt. Andere Länder könnten dem Austritt folgen.
Neue nationale Klima-Ziele
Wichtig werden in Baku die neuen nationalen Klima-Ziele für den Zeitraum bis 2035. Die Staaten müssen sie bis Anfang 2025 vorlegen. Im Pariser Abkommen ist festgelegt, dass sich die Ziele mit der Zeit verstärken müssen. Das wäre auch notwendig, um die Ziele zu erreichen. Hanna Fekete, Mitbegründerin der Denkfabrik New Climate Institute in Köln, erwartet, dass einige Staaten schon recht am Anfang der Konferenz ihre neuen Ziele vorstellen könnten. "Wir wissen auch, dass die EU oder Indien, China wahrscheinlich kein neues Ziel vorlegen. Das heißt, da fehlen einfach ganz große Emittenten", sagt Fekete.
Knackpunkt internationale Klimafinanzierung
Es geht außerdem um eine neue internationale Klimafinanzierung. Bisher existiert ein Budget von 100 Milliarden US-Dollar im Jahr, mit dem die Industriestaaten den Klimaschutz in ärmeren Ländern unterstützen. Dieses läuft aus und muss neu verhandelt werden. Analysen, wie etwa von Klimaökonom Reimund Schwarze vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), rechnen mit einem Bedarf von mindestens dem Zehnfachen bis hin zu 2.400 Milliarden Dollar, die notwendig wären. Wie viel die Staaten tatsächlich bereit sind zu zahlen, wird sich bei der COP29 herausstellen. Außerdem wird es auch darum gehen, Fonds zum einen für die Klimawandelanpassung zu bilden, aber auch darum, die Schäden, die durch den Klimawandel entstehen, finanziell einzukalkulieren.
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