"Hallo, hallo! Gruber ist mein Name", ruft eine aufgeregte Stimme am anderen Ende der Leitung. "Ich brauche Ihre Hilfe!" Alexander Müller-Gottwald sitzt an einem großen halbrunden Schreibtisch, vor ihm stehen sechs Bildschirme. Über das Headset auf seinem Kopf kommuniziert der Feuerwehrmann mit dem Anrufer. Der erklärt ihm: Sein Vater sei umgefallen und gebe kein Lebenszeichen mehr von sich. Müller-Gottwald fragt nach der Adresse und trägt sie in das Computersystem ein. Eine digitale Karte zeigt ihm, welcher Rettungswagen am nächsten ist. Per Mausklick schickt der Feuerwehrmann den Wagen zum Unglücksort.
Mehr als 100 Notrufe pro Stunde
Rund 2.500 Anrufe gehen jeden Tag bei der Integrierten Leitstelle in München ein, der größten Leitstelle Bayerns. Ob Küchenbrand, Autounfall oder medizinischer Notfall: Wer in der Landeshauptstadt die 112 wählt, landet hier. In diesem Fall handelt es sich nur um eine Simulation. Der Anrufer wird von einem anderen Feuerwehrmann gespielt. Alexander Müller-Gottwald aber weiß genau, was zu tun ist. Da der Betroffene in dem Szenario höchstwahrscheinlich einen Herzstillstand erlitten hat, leitet der Feuerwehrmann den Anrufer bei der Reanimation an - so lange bis das Rettungsfahrzeug eintrifft. Im Schnitt dauert das laut Münchner Feuerwehr rund acht Minuten.
Je früher die Reanimation, desto höher die Überlebenschancen
"Nach drei Minuten Herzkreislaufstillstand sterben schon die ersten Gehirnzellen ab", erklärt Thomas Klusak, der bei der Münchner Feuerwehr für die Einsatzsteuerung und das Training zuständig ist. Es gehe darum, das nicht mehr schlagende Herz so früh wie möglich mechanisch von außen zu komprimieren und einen Notkreislauf aufzubauen, um die lebenswichtigsten Organe wie Herz, Hirn und Lunge notdürftig mit Sauerstoff zu versorgen. Je früher Ersthelfer mit der Reanimation beginnen, desto höher seien die Überlebenschancen, sagt Klusak.
Stresssituation für alle Beteiligten
"Legen Sie einen Handbalken auf die Mitte des Brustkorbs", leitet Alexander Müller-Gottwald den Anrufer an. Die genauen Anweisungen liest er vom Bildschirm ab. "Drücken Sie jetzt auf den Brustkorb - mindestens fünf Zentimeter tief!" Dann zählt der Feuerwehrmann in schnellem Tempo vor, in welchem Rhythmus der Ersthelfer drücken soll. Und immer wieder fallen dabei die Worte: "Das machen Sie gut!" Weil eine Reanimation über mehrere Minuten hinweg sehr anstrengend ist, sei es wichtig, immer wieder zu motivieren, erklärt Müller-Gottwald, der gelernt hat, in brenzligen Situationen ruhig zu bleiben - auch wenn das nicht immer gleich gut gelingt. "Jeder Notruf ist eine Ausnahmesituation für den jeweiligen Anrufer. Je nachdem wie aufregend die Situation ist, überträgt sich das auch auf uns", sagt er. Kolleginnen und Kollegen, die eine Herzdruckmassage angeleitet haben, sollen danach erstmal fünf Minuten durchatmen und runterkommen, bevor sie den nächsten Anruf entgegennehmen.
180 Herzdruckmassagen im Monat
Alleine im vergangenen Januar haben die Disponentinnen und Disponenten der Münchner Feuerwehr rund 180 Herzdruckmassagen übers Telefon angeleitet. In einem der Fälle hatte eine junge Münchnerin morgens festgestellt, dass ihr Freund keine Lebenszeichen mehr von sich gab. Mithilfe der Einsatzkräfte am Telefon reanimierte sie ihn erfolgreich. Das Rettungsteam brachte den 31-Jährigen ins Krankenhaus. Ein paar Stunden später ging es ihm wieder gut.
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