Die quirligen Fotosets in Hamburg, New York und Paris sind heute für ihn Vergangenheit: Die Arbeit mit den Models hat der frühere Modefotograf Gerd Bayer gegen die Arbeit mit Kühen eingetauscht. Immerhin sind es besonders attraktive Kühe, nämlich japanische Wagyu-Rinder.
Bayer hat im 150-Seelen-Dorf Rüsselshausen bei Würzburg den Bauernhof seiner Eltern übernommen. Er stellt den Betrieb auf Biolandwirtschaft um. Statt um die Welt zu jetten, tuckert er nun mit dem alten Traktor zwischen seinen Weiden hin und her.
Zuerst Unverständnis bei den Freunden
Seine Freunde hätten den Schritt anfangs nicht verstanden, erinnert sich Bayer, doch ihn treiben mehrere Gründe an. Einer davon sei, dass er mit seiner Arbeit nicht länger einen überhöhten Konsum fördern wolle, "der Ressourcen verbraucht, die in dem Ausmaß nicht verbraucht werden müssen". Stattdessen setzt er nun auf Nachhaltigkeit. "Wenn ich tot bin, habe ich was hinterlassen. Da ist ein Baum, da leben Tiere, da wachsen Früchte", sagt er.
Spuren hinterlassen ist vielen Menschen wichtig
Spuren zu hinterlassen – das ist für die viele Menschen enorm wichtig, weiß die Psychologin Theresa Lampersberger aus Innsbruck durch ihre Forschungen. Gemeinsam mit einem Team aus Psychologen und Sinnforschern beschäftigt sie sich bei der Plattform "sinnmacher.eu" intensiv mit dem Sinn im Leben und möchte Menschen auf der Suche danach helfen.
Mit speziellen Fragebögen und Tests etwa versucht sie mit ihren Klienten herauszufinden, "welcher individuelle Sinn oder welche Sinnquellen veranlassen, dass wir unser Leben als sinnerfüllt beschreiben". Laut "sinnmacher.eu" zeigen Studien, dass Menschen gesünder und glücklicher leben, wenn sie einen Sinn im Leben haben.
Zu den Sinnquellen zählen etwa Unabhängigkeit, Freiheit, Leistung, Erfolg, Genuss und Fürsorge. Der Glaube an etwas "größeres Ganzes" und eine "höhere Macht" stiften am stärksten Sinn, sagt Lampersberger. "Weil sie über mich und meine eigene Person hinausgehen. Da zählt zum Beispiel bei einer 'höheren Macht' Religion oder Spiritualität dazu, beim 'größeren Ganzen' auch so etwas wie Naturverbundenheit", erklärt die Psychologin.
Sinnstiftend und herausfordernd
Das Arbeiten in und mit der Natur und seinen Tieren ist auch für Gerd Bayer ein großes Geschenk. Auch wenn seine neue Arbeit manchmal eine Herausforderung für ihn darstellt – denn auch das Abschiednehmen gehört einmal im Monat zu seinem Arbeitsalltag: "Ich schlachte jeden Monat ein Tier, leicht ist das nie, aber ich brauche eine Wirtschaftlichkeit."
Gerade als Biobauer kennt Gerd Bayer die Konflikte in der Landwirtschaft. Trotzdem findet er darin einen tieferen Sinn. "Wenn ich nicht mehr lebe und der Boden hat zwei Prozent mehr Humus, dann ist das das, was ich wollte." Etwas zum Wachsen bringen, meditativ arbeiten können – das treibt Gerd Bayer an. "Ich merke schon, dass ich belächelt werde, aber das ist irrelevant."
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