Eigentlich sollte die "MS Rossini" nur ein halbes Jahr als Notunterkunft für Geflüchtete dienen. Doch das ehemalige Flusskreuzfahrtschiff in Bach an der Donau ist seit Januar 2023 durchgehend ein schwimmendes Heim für etwa 180 Geflüchtete. Eine Entwicklung, die so nicht geplant war. "Wir sind seit zwei Jahren in diesem Modus: Wenn jetzt noch ein bisschen mehr kommen als geplant, haben wir ein Problem", sagt die Regensburger Landrätin Tanja Schweiger, Freie Wähler, im Gespräch mit dem BR-Politikmagazin "Kontrovers".
Trotz Protesten: Notunterkunft bleibt auf unbestimmte Zeit
Der Einsatz des Schiffs war Schweigers Idee. Damals wollte die Politikerin vermeiden, dass Sporthallen zu Unterkünften umfunktioniert werden. Ihr Vorhaben stieß anfangs auf viel Gegenwind: Bürger schrieben Protestbriefe und demonstrierten. Für viele im Ort ist das Schiff auch heute noch ein Reizthema. Unter anderem, weil nicht absehbar ist, wie lange es bleibt und wie es weitergeht. Das sei "aufgrund des weiterhin sehr volatilen Zugangsgeschehens nicht prognostizierbar", hieß es in einer Mitteilung des Landkreises Regensburg Anfang des Jahres.
ARD-Deutschlandtrend: Mehrheit wünscht sich andere Migrationspolitik
Der Bedarf für Flüchtlingsunterkünfte bleibt hoch. In Bayern gibt es aktuell 40 Ankerzentren, etwa 460 Gemeinschaftsunterkünfte und 6.100 dezentrale Unterkünfte. Allein 2023 wurden ungefähr 30.000 neue Plätze geschaffen, teils in kreativen Notlösungen wie eben der "MS Rossini".
Zahlen, die viele Bürgerinnen und Bürger offenbar kritisch sehen. Laut dem aktuellen ARD-Deutschlandtrend wünschen sich etwa 77 Prozent der Deutschen eine andere Asyl- und Flüchtlingspolitik.
Palmer: "Wir haben die Migration nicht geordnet"
Auch der inzwischen parteilose Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer kritisiert den politischen Kurs zum Thema Migration seit Langem. Vor über einem Jahr hat er seine damalige Partei Bündnis 90/Die Grünen verlassen, auch wegen Streits um die Flüchtlingspolitik. "Meiner Auffassung nach ist die Politik in den letzten zehn Jahren falsch abgelaufen", sagt er im Interview mit Kontrovers. "Wir haben die Migration nicht geordnet. Wir haben sehr viele Menschen im Land, die gar keinen Asylanspruch haben."
Aus seiner Sicht habe man Probleme geschaffen, die für Kommunalpolitiker nicht mehr erklärbar seien. "Wenn Sie, sagen wir mal, 300 Flüchtlinge in einfachen Containerunterkünften in die Nachbarschaft eines Dorfes mit 500 Einwohnern stellen, dann können Sie kommunizieren, wie Sie wollen. Das wird sicher nicht dazu führen, dass die Leute das als gute Entscheidung begreifen", sagt er.
Im Video: Kontrovers-Interview mit Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer, parteilos
Volkach: Geplante Flüchtlingsunterkunft stößt auf Gegenwind
Ein ähnliches Szenario spielt sich gerade im unterfränkischen Volkach ab. Dort ist eine Flüchtlingsunterkunft in einem Gewerbegebiet geplant, in der bis zu 90 Menschen leben sollen. Die Stimmung in der Bevölkerung ist teils aufgeheizt: Einige fühlen sich überrascht, haben Fragen und Sorgen.
Palmer spricht von "moralischer Falle"
Palmer kann diese Sorgen nachvollziehen. Er fordert mehr Strenge in der Asylpolitik, etwa einen härteren Umgang mit denjenigen, die sich nicht ausweisen. "Die wissen, dass es ohne Pass sehr viel wahrscheinlicher ist, in Deutschland bleiben zu dürfen, weil unser Staat dann nicht in der Lage ist, Abschiebungen zu organisieren", so der Politiker.
Er spricht in diesem Zusammenhang von einer "moralischen Falle", gegen die es eine politische Gegenmaßnahme brauche. Sein Vorschlag: Wer sich ausweist, soll schnellere Integrationsleistungen bekommen. "Und solange sich eben keine Identität ermitteln lässt, bleibt man in den Erstaufnahmeeinrichtungen der Länder auf unbefristete Zeit." Viele würden dann freiwillig wieder ausreisen, glaubt der Kommunalpolitiker.
Schweiger: "Noch keine Situation gehabt, die wirklich bedrohlich war"
Die lauten Proteste um die schwimmende Notunterkunft "MS Rossini" im Landkreis Regensburg haben sich mittlerweile gelegt. Laut Landrätin Schweiger blieb es bislang weitgehend ruhig im und um das Schiff. "Da gibt es vielleicht mal eine Rauferei, aber wir haben jetzt Gott sei Dank noch keine Situation gehabt, die wirklich bedrohlich war – sodass man sagen könnte: ja, die Ängste haben sich bewahrheitet", sagt sie. Das bestätigt auch die Polizei.
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