Im kommenden Schuljahr soll es losgehen: Die sogenannte "Verfassungsviertelstunde" startet nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur dann zunächst nur in ausgewählten Jahrgangsstufen. Dem Vernehmen nach befindet sich das Konzept zwar noch in der Abstimmung, das Verfahren soll aber vor dem Abschluss stehen. Das Kultusministerium wollte sich auf BR24-Anfrage nicht zu den Plänen äußern.
In ihrem Koalitionsvertrag hatten sich die CSU und Freie Wähler darauf verständigt, im Schulunterricht einen neuen Fokus auf die Verfassungswerte zu richten. Sie reagierten damit auf den wachsenden Druck für die Demokratie durch Populisten und Extremisten. "Hierzu führen wir eine 'Verfassungsviertelstunde' als wöchentliches Format ein, in der anhand von praktischen Beispielen über die Bayerische Verfassung und das Grundgesetz sowie die dort verankerten Grundsätze diskutiert wird", heißt es konkret im Koalitionsvertrag.
Verfassungsviertelstunde wird ab kommenden Schuljahr eingeführt
Nach Angaben aus Regierungskreisen ist die verpflichtende Einführung nach den Sommerferien zum Schuljahr 2024/25 an allen öffentlichen und privaten Grundschulen, Mittelschulen, Förderschulen, Realschulen, Wirtschaftsschulen, Gymnasien, den Fach- und Berufsoberschulen (FOS/BOS) sowie allen weiteren beruflichen Schularten vorgesehen. Ziel sei ein "dauerhaftes Format der politischen Bildung an Bayerns Schulen". Zum Schulhalbjahr 2024/25 soll es eine Evaluation geben.
Format vorerst nur in ausgewählten Stufen – Ausweitung aber möglich
In den Grundschulen soll es die Verfassungsviertelstunde zunächst nur in zwei Jahrgangsstufen geben, in den weiterführenden Schulen in je einer Jahrgangsstufe der Unter-, Mittel- und Oberstufe. An der BOS sei der Beginn in der Vorklasse, an der FOS in der Vorklasse sowie in Jahrgangsstufe 11 und an den weiteren beruflichen Schulen in den Jahrgangsstufen der Sekundarstufe 2 vorgesehen. Eine freiwillige Ausweitung auf weitere Jahrgangsstufen bereits im Schuljahr 2024/2025 sei möglich. Zum Schuljahr 2025/26 soll das Konzept dann entsprechend ausgeweitet werden.
BLLV-Präsidentin befürwortet schrittweise Einführung - will aber mehr
Die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV), Simone Fleischmann, begrüßt das geplante Modell: "Die schrittweise Einführung ist richtig. Nur so können Inhalte und Konzepte sinnvoll ausgearbeitet und dann perspektivisch zu einem roten Faden verbunden werden", so Fleischmann zu BR24. Die BLLV-Präsidentin betonte aber auch, dass es im Freistaat grundsätzlich mehr politische Bildung in Schulen bräuchte: "Bayern ist da Schlusslicht."
"Witz", "Maus", "Feigenblatt" - Opposition kritisiert Pläne
Aus der Opposition gibt es hingegen deutliche Kritik an der schrittweisen Einführung. Die Sprecherin der Grünen für Bildung, Gabriele Triebel, spricht von einem "Versuchsballon" in einzelnen Jahrgangsstufen und wirft der Staatsregierung vor, das Thema nicht zu Ende zu planen. "Die meisten Schülerinnen und Schüler gehen erstmal leer aus – Bildungsgerechtigkeit ade", so Triebel. Eine "Druckbetankung in 15 Minuten" könne nicht die einzige Antwort auf "den Rechtsrutsch und den zunehmenden Populismus" sein. In dieser Form sei die Verfassungsviertelstunde eine "Feigenblatt-Idee".
Laut Simone Strohmayr, bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, ist die Verfassungsviertelstunde "ein ganz guter Ansatz". Wenn jedoch nicht alle Jahrgangsstufen mitmachen, sei das "ein Witz". Demokratie sei nicht in 15 Minuten zu lernen, sie müsse gelebt werden - zum Beispiel, in dem Schülerinnen und Schüler mehr mitbestimmen dürfen. Die Verfassungsviertelstunde dürfte keine "Alibi-Veranstaltung" sein, so Strohmayr.
"Der Berg kreiste und gebar eine Maus", sagt der bildungspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Oskar Atzinger. "Nach großer Ankündigung fehlt es nun offensichtlich an Ideen bei der Umsetzung." Bereits jetzt sei es in mehreren Schulfächern möglich, Inhalte und Werte der Verfassung zu besprechen. Außerdem sieht die AfD wichtige Fragen ungeklärt: "Wer soll unterrichten? Wird dafür reguläre Unterrichtszeit verwendet?"
Verfassungsviertelstunde findet im regulären Unterricht statt
Eine Verkürzung des Unterrichts soll es nicht geben, dies hatte Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) bereits im vergangenen November klargestellt. Die Verfassungsviertelstunde soll innerhalb des regulären Unterrichts stattfinden und Inhalte der Verfassung – etwa die Gleichberechtigung von Frauen und Männern – mit Unterrichtsinhalten verknüpfen. In der Praxis soll ein Thema laut dpa statt in einem 15-minütigen Block pro Woche auch gebündelt etwa in 45 Minuten behandelt werden können.
Mit Informationen von dpa
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