Bereits 1990 hat eine kleine Gruppe Mittelalter-Begeisterter den Verein "Münchner Barbaren“ gegründet. Schon zwei Jahre später schlug der Verein, damals noch mit nur sechs Mitgliedern, sein erstes Lager beim Kaltenberger Ritterturnier auf.
Über die Jahre ist das Lager immer größer geworden. Mittlerweile fahren schon 65 Vereinsmitglieder zu dem Mittelalterspektakel in Oberbayern. Die Altersspanne der Barbaren reicht vom zwölfjährigen Mädchen bis zum 78-jährigen Gründungsmitglied. Sie alle verbindet die Liebe zu einer vergangenen Zeit und ihren Bräuchen.
Vom Schulhausmeister zum Großfürsten
Der Verein "1. Münchner Barbaren" ahmt mittelalterliche Bräuche auf mehreren Mittelalterfesten nach. Mittendrin Manfred Ewender aus Mühldorf. Seit mehr als 20 Jahren fährt er unter anderem zum Ritterturnier in Kaltenberg, viele Jahre trat er als Axtkämpfer in der Arena an. Auf dem Mittelalterfest wird der pensionierte Schulhausmeister für drei Wochen zum - demokratisch gewählten - Großfürsten. Seine Mittelalter-Begeisterung geht auch unter die Haut. Auf dem rechten Oberarm hat er das Wappen der Münchner Barbaren tätowiert, auf dem linken eine Axt.
Abkehr vom Digitalen und einfaches Leben
Der Verein stellt vor allem Kulturen des frühmittelalterlichen Mittel- und Osteuropas nach – darunter Franko-Alemannen, Saxen, Skandinavier, Rus-Wikinger und Mongolen. Manfred Ewender hat sogar einen DNA-Test machen lassen, um festzustellen, wo seine Ahnen herkamen. "Da hat sich herausgestellt: mütterlicherseits: Keltisch. Väterlicherseits: Mongolisch!".
Allen Barbaren gefällt am Mittelalterleben besonders die Freiheit, die Einfachheit – und auch die Abkehr vom Digitalen. "Hier gibt es kein Handy, keinen Fernseher, die Kinder und Erwachsene lernen wieder sich zu unterhalten", schwärmt Ewender, "und das ist das Fantastische: dass du aus deinem normalen Alltagstrott herausgerissen wirst".
In eine fremde Welt eintauchen
Doch warum sind manche Menschen so fasziniert vom Mittelalter? "Es geht um den Reiz des Fremden, des Anderen, des Exotischen", erklärt Steffen Patzold. Der Historiker ist Professor für mittelalterliche Geschichte und historische Hilfswissenschaften an der Universität Tübingen.
Patzold vermutet, dass Veranstaltungen wie das Kaltenberger Ritterturnier auf viele Menschen deswegen einen so besonderen Reiz haben, weil sie dort in die Person aus einer früheren Zeit schlüpfen und sich so für eine Weile aus der aktuellen Zeit verabschieden könnten. "Es ist, als würde man in eine fremde Welt eintauchen", sagt Patzold.
Mittelalter bis zur Unterhose
Letztlich bleibe man aber ein Tourist, "und das ist auch gut so", findet Patzold. "Das Leben im Mittelalter war kein Spaß", sagt der Historiker. Annehmlichkeiten wie eine heiße Dusche, aber auch Antibiotika und Anästhesie habe es damals noch nicht gegeben.
Fest stehe aber: Diejenigen, die mittelalterliche Bräuche nachahmten, hätten oftmals ein erstaunlich genaues Wissen über die Gegebenheiten von damals - zum Beispiel, wie eine Unterhose im Mittelalter aussah. "Das bewundere ich sehr", sagt Patzold.
Leben in mongolischen Jurten und germanischen Zelten
Manfred Ewender von den "1. Münchner Barbaren" lebt sein Wissen und seine Faszination über das Mittelalter auf dem Ritterturnier in Kaltenberg voll aus. Zum Beispiel übernachtet er mit seiner Frau in der schönsten Jurte im Lager, einem runden Zelt aus Holz und Leinen, darin ein mit Fellen bedecktes Bett. Für die Besucher soll alles authentisch aussehen. Plastiktuben, Turnschuhe oder Leselampen sieht man hier nicht. Nur einen modernen Luxus gönnt sich Manfred Ewender von den "Münchner Barbaren": Unterhosen.
Schwertkampf bei 30 Grad
In dem germanischen Langzelt nebenan legt Großkrieger Hergar sein selbstgefertigtes Gewand an. Im echten Leben heißt Hergar Udo und ist Polizist aus Dachau. Trotz Schweißperlen auf der Stirn geht es für Udo bei knapp 30 Grad zum Freikampf – einem Schwertkampf, bei dem es drei Treffer für den Sieg braucht. Anders als beim Show-Kampf wird hier keine Choreografie einstudiert. Verletzungen sind deswegen keine Seltenheit. "Es passiert immer wieder was", sagt Udo, "gerade habe ich Schnitte vom Freikampf". "Aber das passiert halt mal", so Udo. Für etwas mehr Sicherheit verwendet der Verein Schwerter mit einer Schlagkante von drei Millimetern und mit einer abgerundeten Spitze.
Für die Mittelalterfeste gehen Urlaubstage drauf
Für die Teilnahme an den Mittelalterfesten nehmen sich viele Mitglieder von der Arbeit oder Schule frei. An den Wochenenden wird unter den Barbaren meist bis zum Morgengrauen gefeiert und es fließen viele Liter Bier – alles natürlich bei Kerzenschein. Aber um am nächsten Morgen wieder der Großfürst oder Kämpfer zu sein, sei es wichtig, zwischendurch "auch mal ein Wasser zu trinken", so Ewender.
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