Edwin Antl steht vor dem Augsburger Hauptbahnhof und wartet auf den Bus der Linie 32. Er öffnet die App des Augsburger Verkehrsverbunds AVV. Und findet nichts. "Der wird hier nicht mal angezeigt", ärgert sich Antl. Dann öffnet er die App des Münchner Verkehrsverbunds MVV. "Da wird der Bus angezeigt. Buslinie 32. Und da steht sogar, dass er Verspätung hat." Dabei hat der MVV bislang noch gar nichts mit dem AVV zu tun.
Augsburger Landrat will den Zusammenschluss
Was Kunde Edwin Antl erlebt, ist genau das, was Augsburgs Landrat Martin Sailer so ärgert am AVV: schlechte digitale Angebote, unpünktliche oder ausfallende Busse. Deswegen will er den AVV mit aller Macht dem MVV angliedern. Die Verbindungen könnten so in die angrenzenden Landkreise Landsberg und Fürstenfeldbruck ausgeweitet werden, mit einem Tarif könne man künftig von "Dillingen bis nach Berchtesgaden" fahren. Und Sailer hofft auf eine bessere Verhandlungsposition gegenüber den Bus-Anbietern.
Zurück am Augsburger Hauptbahnhof wartet Herbert König. Es gibt kaum jemanden, der sich besser auskennt mit dem Thema als er. König war Geschäftsführer des AVV und dann Chef der Münchner Verkehrsgesellschaft MVG, für die er in den Gremien des MVV saß. Was hält er von einem neuen Mega-Tarifverbund aus MVV und AVV?
Branchen-Kenner sieht viele Nachteile
König beginnt mit den Vorteilen. Auch er sieht bei den digitalen Angeboten Nachholbedarf. Hier könne eine Zusammenarbeit der beiden Tarifverbünde durchaus Sinn ergeben. Und auch bei der Verwaltung könnte man zusammenarbeiten und so Kosten sparen, sagt König. Doch das könne man auch vertraglich regeln. Eine Fusion brauche es dafür nicht.
Zumal es in seinen Augen gar nicht um eine Fusion geht, erst recht nicht auf Augenhöhe: "Der AVV würde einfach aufgelöst. Dann haben bei den Tarifen in erster Linie die Landeshauptstadt München und der Freistaat das Sagen. Denn beide haben in den Gremien ein Vetorecht." Zudem befürchtet König, dass beim Zugverkehr die Interessen der Region Augsburg unter den Tisch fallen.
Region Augsburg könnte beim Zugverkehr das Nachsehen haben
Bislang vertrete der AVV die Bahn-Interessen der Region gegenüber dem Bund, dem Freistaat Bayern und der Deutschen Bahn. Der MVV werde dies nicht leisten, glaubt König: "Der MVV kümmert sich schon jetzt um 40 Bahnprojekte im Raum München plus die zweite S-Bahn-Stammstrecke. Dass der MVV also auch noch vehement die Interessen der Region Augsburg vertreten kann, das übersteigt meine Fantasie."
Ähnlich sehe es beim Bus-Verkehrs aus. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Fahrpläne für die Stauden oder für Pöttmes kundennäher werden, wenn sie in München gemacht werden, und nicht mehr in Augsburg", so König weiter.
Und die Berufspendler?
Auch bei den Tarifen werde es keine großen Vorteile geben, auch nicht in den Landkreisen Weilheim-Schongau und Landsberg, die 2025 ebenfalls zum MVV-Gebiet dazustoßen: "Meine Prognose ist: Wer nach München zum Fußball oder zur Wiesn fährt, der könnte einen Vorteil haben. Aber die zehntausenden Berufspendler nutzen sowieso alle das Deutschlandticket." Und das, glaubt König, werde immer günstiger sein. Egal, welcher Tarifverbund das Sagen hat.
Trotzdem will Augsburgs Landrat Sailer den Zusammenschluss. Denn der MVV bringt aus seiner Sicht noch einen weiteren Vorteil mit: nämlich den Freistaat als Teilhaber. Und damit einen Geldgeber, um die Millionen-Defizite im Nahverkehr auszugleichen.
Dieser Artikel ist erstmals am 5.9.2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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