Der Deutsche Presserat hat nach einer Reihe von Beschwerden gegen die "Süddeutsche Zeitung" zu ihrer Berichterstattung über die sogenannte Flugblatt-Affäre der Redaktion den Rücken gestärkt. Das Selbstkontrollorgan der Presse teilte am Dienstag in Berlin mit, man habe die Beschwerden zur Verdachtsberichterstattung als unbegründet zurückgewiesen.
Presserat: Erhebliches öffentliches Interesse
Es habe ein erhebliches öffentliches Interesse an dem veröffentlichten Verdacht bestanden, Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger habe in seiner Jugend ein antisemitisches Flugblatt verfasst. Die Vorwürfe gegen Aiwanger hätten in eklatantem Widerspruch zu dessen Ämtern als Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident gestanden. Der geschilderte Vorgang habe zwar bereits 35 Jahre zurückgelegen und Aiwanger sei damals noch nicht volljährig gewesen. Jedoch seien die Vorwürfe so gravierend gewesen, dass darüber habe berichtet werden dürfen, ohne Aiwangers Persönlichkeitsschutz zu verletzen, erklärte der Presserat.
Journalistische Sorgfaltspflicht nicht verletzt
Die Mitglieder des Presserats diskutierten demnach auch, ob die nur schrittweise Offenlegung des Sachverhalts durch die Redaktion in aufeinanderfolgenden Artikeln die journalistische Sorgfaltspflicht verletzt haben könnte. Das Vorgehen sei jedoch nicht zu beanstanden gewesen, weil der Redaktion von Anfang an hinreichende Anhaltspunkte für den geäußerten Verdacht vorgelegen hätten.
Auch eine Vorverurteilung nach Ziffer 13 des Pressekodex habe nicht vorgelegen, da die Vorwürfe laut dem Gremium korrekt als solche und nicht als Tatsachen bezeichnet wurden, dem Betroffenen ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde und entlastende Stimmen zu Wort kamen.
SZ-Artikel lösten im August Flugblatt-Affäre aus
Die "Süddeutsche Zeitung" hatte im August und vor der Bayern-Wahl die Flugblatt-Affäre ins Rollen gebracht. Die im Ausschuss des Presserats behandelten Beschwerden betrafen den Angaben zufolge die Artikel "Aiwanger soll als Schüler antisemitisches Flugblatt verfasst haben", "Das Auschwitz-Pamphlet" sowie "Lügen, Schweigen, Abtauchen" und "Söders Dilemma" in der SZ beziehungsweise auf "sueddeutsche.de". Sie waren zwischen dem 25. und 28. August erschienen.
Söder ließ Aiwanger im Kabinett
Dabei geht es um ein antisemitisches und menschenverachtendes Flugblatt, das bei Aiwanger zu Schulzeiten gefunden worden war. Aiwanger geriet in der Affäre massiv unter Druck. Er selbst sprach von einer gezielten Kampagne gegen ihn. Als Verfasser des Flugblatts, das seinerzeit in Aiwangers Schultasche gefunden worden war, bezeichnete sich schließlich dessen Bruder. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) entschied sich damals gegen Aiwangers Entlassung aus dem Kabinett. Die "Süddeutsche Zeitung" trat der Kampagnen-Kritik Aiwangers mehrmals entgegen.
Vorwurf gegen SZ: "Kampagnenjournalismus"
Beim Deutschen Presserat waren insgesamt 18 Beschwerden über die Berichterstattung eingegangen. Dabei hielten die Beschwerdeführer der SZ-Redaktion unter anderem "Kampagnenjournalismus" kurz vor der Landtagswahl in Bayern vor. Der Presserat machte deutlich, dass Redaktionen über den Zeitpunkt von Berichterstattung selbst entscheiden.
Der Deutsche Presserat ist die freiwillige Selbstkontrolle der deutschen Printmedien und ihrer Online-Auftritte. Anhand von Beschwerden überprüft er die Einhaltung von ethischen Regeln im Journalismus - der Pressekodex des Rats bildet diese ab. Der Rat kann zum Beispiel Rügen aussprechen. Die betroffenen Medien sind dann angehalten, diese in ihren Zeitungen zu veröffentlichen.
Mit Informationen von AFP, dpa, KNA und epd.
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