Plakat bei einer Mahnwache vor dem Hohen Dom Augsburg mit der Aufschrift "Kirche der Zukunft braucht Frauen in allen Weiheämtern". (Archivbild)
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Viele an der katholischen Kirchenbasis fordern endlich Reformen - wie hier bei einer Mahnwache vor dem Hohen Dom in Augsburg. (Archivbild)

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Retten Reformen die Kirche? Stimmung an der katholischen Basis

Retten Reformen die Kirche? Stimmung an der katholischen Basis

Viele Bischöfe setzen auf Reformen und den Synodalen Weg. Der Vatikan ist aber skeptisch. Was wünschen sich die katholischen Gläubigen? Ein Stimmungsbild von der Kirchenbasis.

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Als Reaktion auf den Missbrauchsskandal hat die katholische Kirche mit dem Synodalen Weg versucht, Reformen einzuleiten: zur katholischen Sexuallehre, zur Stellung der Frau, zum Zölibat oder zur Haltung der Kirche bezüglich Homosexualität. Der Vatikan ist skeptisch gegenüber dem deutschen Reformweg, Bayerns Bischöfe sind gespalten und auch nicht alle Katholikinnen und Katholiken finden, die Reformen gehen in die richtige Richtung.

Traditionsbewusst, reformfreudig, kritisch

Nachgefragt an der Kirchenbasis im traditionellen katholischen Herzen Bayerns, im oberbayerischen Wallfahrtsort Altötting. Susanna Hagen fährt jeden Monat hierher. Sie geht dann immer in denselben Laden. Die Regale sind voll mit heiligen Figuren, Medaillen, Kreuzen – und Kerzen. Grabkerzen kauft sie hier regelmäßig - zum Verschenken oder auch einfach so für die eigene Wohnung.

Wie Susanna Hagen zieht es jährlich Tausende Menschen zum bekanntesten Wallfahrtsort Bayerns. Nach Altötting kommen Gläubige und Pilger, denen die Kirche noch etwas bedeutet und die Tradition. Trotzdem sei sie dafür, dass der Zölibat abgeschafft wird, sagt Susanna Hagen. "Wenn sie Priester heiraten lassen würden, dann gäbe es die schlimmen Fälle von Kindesmissbrauch vielleicht mehr."

Die 71-jährige Katholikin wünscht sich, dass sich die Kirche überhaupt mehr öffnet. Und zum bayerischen Papst Benedikt XVI. hat sie auch eine klare Meinung. "Der war auch nicht immer ein Engel", sagt die alte Dame mit Bezug auf den Zivilprozess eines Missbrauchsbetroffenen vor dem Landgericht Traunstein, bei dem auch der einstige Erzbischof von München und Freising und spätere Papst angeklagt ist, weil er möglicherweise eine Mitschuld trug am Missbrauch, den der Kläger als kleiner Bub erlitt.

96 Prozent der Katholiken wünschen sich Veränderung

Mit ihrem kritischen Blick auf die katholische Kirche ist Susanna Hagen in Altötting nicht alleine. Schnell zeigt sich: Im katholischen Herzen Bayerns sind eigentlich die allermeisten für Reformen. Das war auch zu erwarten. Im November vergangenen Jahres wurde die sogenannte Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU 6) veröffentlicht: eine groß angelegte Studie dazu, wie die Bevölkerung zur Kirche steht. Sie hat ergeben: 96 Prozent der Katholikinnen und Katholiken finden, ihre Kirche müsse sich grundlegend verändern, wenn sie eine Zukunft haben will. Nur, was heißt das genau?

Sympathie für Frauen in Weiheämtern

Neben der Gnadenkapelle zündet eine Frau in einem kleinen Häuschen eine Kerze an. Rita Poller trägt einen beigen Mantel und eine schwarze runde Brille. Sie hätte da schon eine Idee, was man verändern könnte, zum Beispiel Frauen zu Priesterinnen weihen - da wäre sie dafür, sagt sie. "Bei uns gibt's sehr viele theologisch gut gebildete Frauen."

Die Weihe zu öffnen für Frauen, deren Ausschluss vom Priesteramt hinterfragen, das ist nur einer von vielen Punkten, die der Synodale Weg beschlossen hat, die viel diskutierte Reformbewegung von katholischen Laien und Bischöfen.

Skepsis gegenüber "alten Männern" im Vatikan

Rita Poller hat den synodalen Weg beobachtet und auch mitbekommen, wie kurz vor der Vollversammlung der deutschen Bischöfe in Augsburg erneut der Vatikan intervenierte und wieder einmal ein Stoppschild für die deutschen Reformbemühungen aufstellte. Dafür bringt sie kein Verständnis auf: "Ich finde das schon etwas idiotisch und hierarchisch, wie die Kirche halt immer ist." Die Katholikin beklagt, dass in der Kirche der Vatikan und alte Männer das Sagen hätten.

Ihren Kindern könne sie es nicht verübeln, sollten diese austreten, sagt sie. Für sie geht Rita Poller sonntags in die Messe. Irgendjemand müsse ja für die Jungen beten, findet die alte Dame. "Ich hab Gottseidank einen direkten Draht nach oben und nicht über Rom oder München oder übern Bischof." In ihrer eigenen Jugend habe die Kirche noch für Gemeinschaft gestanden, sei ein Erlebnis gewesen, aber heute: "Die katholische Kirche, was macht die für Jugendliche, für Kinder?"

Verständnis für Junge, die austreten

Ein paar Meter weiter läuft gerade ein Mädchen von der Schule in den Ort. Die 18-Jährige mit dunklen Haaren, die ihren Namen nicht nennen möchte, findet die katholische Kirche ziemlich altmodisch. Das erkenne man vor allem an den Gottesdiensten, findet sie. "Würde man die anders gestalten und das Publikum mehr einbeziehen, so eine Erneuerung würde nicht schaden", glaubt sie.

Aber ein bisschen traditionell dürfe sie schon sein, die Kirche, meint die Jugendliche. Verheiratete Priester kann sie sich durchaus vorstellen. "Aber dass Homosexuelle jetzt schon heiraten, ist vielleicht einen Schritt zu früh." Zölibat abschaffen okay, gleichgeschlechtliche Ehe – lieber nicht. Diese geht auch einem Mann zu weit, der zum Weihrauch-Kaufen nach Altötting gekommen ist. Und eine Schwester, die nebenan in einer Ordensgemeinschaft lebt, findet, die Homo-Ehe verstoße gegen die Menschenwürde. Und dann ist da noch ein Priester, der heute mit seiner Mutter Altötting besucht.

Für geistliche Erneuerung statt Kirchenreformen

Auch er findet, die Kirche muss sich reformieren. Aber er denkt dabei eher an eine geistliche Erneuerung: "Wir müssen zurück zum Evangelium. Wir müssen zurück, den Glauben wirklich zu praktizieren", ist er überzeugt. Der Pfarrer heißt Thomas Renftle und stammt vom Staffelsee.

Den Reformkurs des Synodalen Wegs sieht er skeptisch, an der katholischen Lehre will er nicht rütteln: Der Zölibat sei ein Geschenk, eine Ehe für gleichgeschlechtliche Paare sei nicht möglich, und dass Frauen von der Weihe ausgeschlossen sind, sei nicht per se Diskriminierung, so findet er. Schon gar nicht, wenn Bischöfe ihr Amt als Dienst am Menschen verstehen, nicht als Machtinstrument.

Was die Kirche retten kann? Das Hören auf Gott, so glaubt Renftle. "Und ich erlebe es so, dass das eigentlich die große Not unserer Gemeinden ist, dass das die Leute nicht mehr versammelt." Mit dieser konservativen Haltung ist Renftle klar in der Minderheit, zumindest legt das die aktuelle Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung nahe.

Statistik zeigt Wunsch nach demokratischer Kirche

Demnach sind neunzehn von zwanzig Katholikinnen und Katholiken offen dafür, dass Priester heiraten dürfen – also für die Abschaffung des Zölibats. 85 Prozent stimmen voll oder eher zu, dass Kirchenmitglieder über Führungspersonen der Kirche demokratisch abstimmen dürfen, also zum Beispiel über Bischöfe, die bislang ohne Laien-Beteiligung ausgewählt werden. Und die meisten katholischen Menschen wollen, dass Priester homosexuelle Paare segnen – was Papst Franziskus ja vor Kurzem auch offiziell erlaubt hat.

Gleichzeitig mahnt in Deutschland eine kleine Gruppe Bischöfe, die Kirche dürfe sich nicht dem Zeitgeist anpassen, die reine katholische Lehre müsse bewahrt werden. Dazu gehören etwa der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki und bayerische Bischöfe wie Gregor Maria Hanke in Eichstätt, Stefan Oster in Passau – und Rudolf Voderholzer in Regensburg. Die Skepsis der Bischöfe spiegelt nicht die Meinung der Kirchengemeinden in ihren Diözesen wider, zum Beispiel die von Gläubigen aus der Pfarrei St. Anton, mitten in Regensburg.

Katholiken in Regensburg: Voderholzer "Bremsklotz" für Demokratie

Knapp zwei Dutzend Kinder und Jugendliche sind am Sonntag zur Familienmesse gekommen. Danach, bei Kaffee und Kuchen, erzählen die Eltern, was sie von ihrer Kirche erwarten: Dass auf die Wünsche der Basis eingegangen werde zum Beispiel, sagt eine Mutter, dass Kirche nicht die Augen verschließe vor der Realität etwa der von gleichgeschlechtlichen Paaren. "Zwei Männer oder zwei Frauen - das sind ja auch Christen", findet sie.

Auch den Zölibat könne man überdenken, ergänzt die Frau. "Vielleicht haben sie dann auch weniger Probleme mit dem Nachwuchs." Und ein Mann aus der Gemeinde wirft ein, man müsse als Kirche auch neuere wissenschaftliche Erkenntnisse umsetzen, aber die Kirche hinke hinterher. Der Grund ist für ihn klar: "Für mich ist unser Bischof Voderholzer ein Bremsklotz der Demokratie."

Pfarrer wünscht sich mehr Offenheit für Kritik

Selbst der Pfarrer der Gemeinde, Martin Müller, kritisiert seinen Bischof. Rudolf Voderholzer beharre auf die geltenden Regeln, weil er glaube, die Kirche würde sonst auseinanderfallen. Pfarrer Müller wünscht sich eine veränderte Kultur der Kritik. "Dass über Leute, die sich die Zukunft der Kirche anders vorstellen, nicht so abwertend gesprochen wird." Mit Bischof Voderholzer habe er darüber am Ende sogar ein gutes und offenes Gespräch gehabt, erzählt der Pfarrer.

Demnächst Gespräche über Synodalen Weg in Rom

Doch ob die kritischen Stimmen von der Basis bei den Bischöfen und im Vatikan immer ankommen und was sie bewirken, weiß niemand. Aus Rom kamen immer wieder Verbote, die Reformbeschlüsse des Synodalen Wegs auch umzusetzen. Zuletzt Ende Februar vor der Bischofskonferenz in Augsburg, als den deutschen Bischöfen untersagt wurde, über die Einrichtung eines neuen Gremiums abzustimmen, des Synodalen Rates. Für den 22. März sind die deutschen Bischöfe zu Gesprächen nach Rom geladen - auch über den deutschen Reformkurs. Doch bereits jetzt steht fest: Von den Reformwünschen der Katholiken in Altötting oder Regensburg wird das Besprochene meilenweit entfernt sein.

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