Der bayerische Ministerpräsident erhob sich als einer der letzten im Saal, als es nach der Fastenrede von Maximilian Schafroth auf dem Münchner Nockherberg lang anhaltenden Beifall gab. Im anschließenden Interview waren Markus Söder seine mindestens zwiespältigen Gefühle anzumerken. Zwar begann er mit einem Lob ("sehr schön insgesamt") und attestierte der Rede "echte Höhen", machte aber auch "ein paar Tiefen" aus. "Manche Sachen stimmen halt nicht, sind überzeichnet."
Insgesamt gefiel die Fastenrede dem CSU-Chef nach eigenem Bekunden "besser als letztes Jahr" - in den sozialen Netzwerken aber lobte er später nur das "tolle Singspiel" und erwähnte die Fastenrede mit keinem Wort. Vor einem Jahr schrieb er noch: "Starke Fastenpredigt von Maxi Schafroth mit einem klaren Bekenntnis zur Freiheit." Dieses Jahr bekam Söder - gemeinsam mit Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger (Freie Wähler) - deutlich mehr und härtere Kritik des Fastenredners ab als in den Vorjahren.
Schafroth geißelt "verbale Entgleisungen"
Zwar teilte Schafroth auch gegen die Ampel ("politischer Komödienstadel") aus, insbesondere gegen die Grünen, und erklärte den Nockherberg zu einem "Safe Space für Konservative". Vor allem aber nahm er sich die Rhetorik der "Bierzelt-Rambos" Söder und Aiwanger vor. Er warf ihnen "verbale Entgleisungen", "Aufstacheln" und "Gezündel" vor, beklagte eine "Spirale der verbalen Hochrüstung". Er spreche nicht für Wenige, wenn er sage: "Es macht uns keinen Spaß mehr, euch bei diesem opportunistischen Zirkus zuzuschauen", sagte der Allgäuer Kabarettist.
Söder habe sich in sein "christsoziales Schneckenhaus" zurückgezogen, Aiwanger sei zum "politischen Holzspalter" mutiert. Denn: "Gespaltenes Holz ist besser zum Zündeln." Wenn ein gesunder gewachsener Stamm bleibe, "dann ist dazwischen kein Platz für so einen Borkenkäfer wie dich", stichelte der Fastenredner gegen Aiwanger - und stellte sofort klar: "Ich übernehme nur euren Sound." Die Frage aber sei, wie sich das auf das Miteinander auswirke. Schafroth rief die beiden Parteichefs daher zu "Abrüstung und Achtsamkeit" auf.
Nach Einschätzung von Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) kam die Botschaft bei den meisten Gästen an: Schafroth habe deutlich gemacht, dass viele von der Politik mehr wollten als "leeres Stroh-Dreschen" und "viel Wind-Machen". "Die meisten Menschen im Saal haben es genau so gesehen: Die haben nämlich dann auch wieder am Schluss stehend applaudiert." Die Staatsregierung am Nachbartisch sei nur "quälend aufgestanden, hat dann auch applaudiert", schilderte Reiter.
CSU-Vize Weber: Mehr Sorgfalt in der politischen Kultur
CSU-Vize Manfred Weber stand auf und klatschte, als Söder noch saß. Weber gilt als Befürworter eines sachlicheren Politikstils, als ihn sein Parteichef pflegt. Auf seiner Facebook-Seite schrieb Weber, der auch Chef der Europäischen Volkspartei ist, später: "Einige Botschaften waren zurecht nachdenklich. Es braucht mehr Sorgfalt in der politischen Kultur und mehr Miteinander."
Noch überraschender als Webers Sätze ist aber die vorbehaltlose Anerkennung zweier weiblicher Mitglieder aus Söders Kabinett für die deftige Fastenrede. So lobte Gesundheitsministerin Judith Gerlach auf Facebook explizit den Auftritt Schafroths: "Toller Abend am Nockherberg - Glückwunsch an Maxi Schafroth zur gelungenen Rede und Worten, die nachhallen." Sozialministerin Ulrike Scharf hob neben dem "fantastischen Singspiel" auch die "grandiose Fastenpredigt" hervor.
Aigner: "Scharf- und tiefsinnige Rede" - Mandoki: "Fulminant"
Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) attestierte Schafroth auf Facebook eine "scharf- und tiefsinnige" Rede. Im BR-Interview sagte sie zudem: "Ich finde, er hat ziemlich nach allen Seiten gleichmäßig ausgeteilt, aber so, dass man das sehr gut akzeptieren kann." Aigner selbst war von Schafroth gelobt worden: "Danke, dass du im Landtag immer wieder den richtigen Ton findest. Sachlich und klar." Sie solle Söder und Aiwanger mal erklären, "wie das geht".
Ex-Dschinghis-Khan-Mitglied Leslie Mandoki, der vor zehn Jahren für die CSU bei der Landtagswahl antrat, schrieb auf Facebook: "In einer Zeit, in der sich viele Politiker gegenseitig überbieten mit Realsatire, gelang Maximilian eine fulminante Festrede."
CSU-Landtagsfraktionschef Klaus Holetschek wertete Schafroths Kritik an ihm selber als "nicht so schlimm". Der Fastenredner hatte ihn als einen von Söders "Preferiti" verspottet, die automatisch ihre Häupter senken, wenn Söder den Raum betrete. Holetschek sagte dazu: "Dass ich mit dem Ministerpräsidenten gut auskomme, das finde ich gar nicht verkehrt." Insgesamt habe es in der Rede auch nachdenkliche Elemente gegeben, beispielsweise die "richtige" Kritik an der AfD. "Es waren ein paar gute Pointen dabei. Ein paar Dinge, die fand ich nicht so witzig, aber das gehört dazu." Was ihm konkret nicht gefallen hat, wollte Holetschek nicht sagen.
Kritik aus der Münchner CSU
Alles andere als begeistert zeigten sich dagegen die Spitzenvertreter der Münchner CSU-Stadtratsfraktion. Fraktionsvize Hans Theiss befand, die Fastenpredigt sei "besser als letztes Jahr gewesen", was aber "nicht sonderlich schwer war". Der Wunsch "nach weniger Hitzigkeit" in der politischen Diskussion sei nicht unberechtigt. "Wer jedoch Ungeziefervergleiche anstellt, begibt sich auf belastetes Terrain und diskreditiert sich selbst."
Stadtratsfraktionschef Manuel Pretzl schrieb auf Facebook: "Die Fastenpredigt hat mich heuer allerdings überhaupt nicht überzeugt." Der Münchner "Abendzeitung" sagte er: "Derblecken kann er net." Wenn man selbst Achtsamkeit einfordere und dann einen bayerischen Minister mit Ungeziefer vergleiche, dann kenne man sowas "aus der NS-Zeit".
Auch CSU-Chef Söder hatte im BR Fernsehen "ziemlich harte Vergleiche" Schafroths beklagt, der damit seinen eigenen Appell zur Mäßigung "nicht ganz so befolgt" habe. Als Beispiel nannte auch er den Borkenkäfer-Vergleich. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) warft ein: "Allerdings ist der Kabarettist und nicht Politiker, das ist ein kleiner Unterschied."
FW-Generalsekretärin: Zu viel persönliche Agenda
Freie-Wähler-Chef Aiwanger, der besonders scharfe Attacken abbekam, hatte nach eigenen Angaben Schlimmeres erwartet von der Fastenrede. Zugleich verteidigte er im BR-Interview seine Rhetorik als notwendige Reaktion auf "politische Manöver der Ampel". In den sozialen Netzwerken, in denen er sehr aktiv ist, postete Aiwanger zum Nockherberg überhaupt nichts. Digitalminister Fabian Mehring (Freie Wähler), über dessen kleines Ressort sich Schafroth lustig machte, fand die Fastenrede "spitze", wie er auf X schrieb.
Deutlich kritischer fällt das Resümee der bayerischen FW-Generalsekretärin Susann Enders aus. Zwar habe die Rede viele Spitzfindigkeiten, eine rote Linie und "unverkennbaren schwäbischen Charme" enthalten, sagt Enders auf BR24-Anfrage. Aber: "An manchen Passagen war mir zu viel persönliche Schafroth-Agenda, das trifft nicht immer den Sinn des Derbleckens."
Sie verteidigt ihren Parteichef: "Klare Worte und das unverblümte Benennen von Problemen und politischen Irrwegen gerade der Ampel in Berlin ist notwendig, das sollte nicht mit Wörtern wie 'Hasstiraden' beschrieben werden." Das spiegele auch das Problem der heutigen Zeit wider: "Nicht die Verursacher (Ampel) ernten Kritik, sondern diejenigen, die sich trauen, diese Kritik laut auszusprechen."
Zustimmung von Politikern anderer Parteien
Wohlwollend sind erwartungsgemäß die Reaktionen von Politikern anderer Parteien ausgefallen. SPD-Landeschefin Ronja Endres freute sich über ihre erste namentliche Erwähnung in der "hervorragenden, nachdenklich stimmenden Fastenrede von Schafroth". Die Münchner Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) lobte eine "starke Fastenpredigt mit scharfsinnigem Humor, treffenden Spitzen, ernstem Appell und einem versöhnlichen Ende".
Für Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze war die Quintessenz von Schafroths Rede "auf den Punkt", denn alle hätten Verantwortung dafür, die Demokratie zu stärken und zu verteidigen. Die Münchner grün-rosa Stadtratsfraktion schrieb in den sozialen Netzwerken über die Starkbierprobe: "Wir haben uns herzlich amüsiert, nehmen aus dem Abend aber auch mit, dass Sachlichkeit und Fairness in der Politik wieder in den Fokus rücken sollen. Wir hoffen, dass auch CSU und Freien Wähler sich diesen Wunsch zu Herzen nehmen."
Im Video: Die Fastenrede von Maximilian Schafroth
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