"Na, kommt..." Selina Tausch hält eine Karotte in der Hand. Ihre riesigen schwarzen Schützlinge mit den geschwungenen Hörnern kommen angerannt. "Wenn man sie kennengelernt hat, dann liebt man sie. Für mich sind sie sanfte Riesen, an denen ich sehr hänge", so Tausch weiter. Ihre Schäferei betreut aktuell die Wasserbüffel im Hafenlohrtal im Hochspessart. Ein Tier wiegt etwa eine halbe Tonne. Vor 15 Jahren sind die ersten grasenden Gärtner in dem unterfränkischen Naturschutzgebiet eingezogen – fünf Büffel aus Sachsen. Heute sind es 25 Tiere. Ein Erfolgsprojekt in Sachen Landschaftspflege, aber auch für die Artenvielfalt im Spessart.
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Wasserbüffel kommen mit feuchten Flächen gut zurecht
Die Wasserbüffel grasen im Sommer in den Bachauen des Hafenlohrtals. Sie fressen vor allem Gräser und Sträucher – und sorgen so dafür, dass das Tal ein Wiesental bleibt und nicht komplett verbuscht. Die Tiere kommen mit dem Futterangebot dieser feuchten Flächen gut zurecht. Mit ihren breiten Klauen können sie sich auch im sumpfigen Gelände gut fortbewegen. Normale Rinder wären dafür nicht geeignet.
Büffel als Attraktion auf Wanderungen
Für Menschen, die im Spessart wandern oder Fahrrad fahren, sind die Wasserbüffel eine echte Attraktion: Wenn die Tiere entspannt knabbern oder ein Schlammbad nehmen, kann man sie gut beobachten. Allerdings sind die Kolosse keine Streicheltiere. Die Menschen sollten die Büffel nur über den Zaun hinweg anschauen und sie in Ruhe ihren Job als Landschaftspfleger machen lassen.
Am Anfang: Wasserbüffel im Hafenlohrtal in der Kritik
Die Wasserbüffel hatten anfangs nicht nur Fürsprecher in der Region. Es gab Bedenken, die Tiere könnten der Wasserqualität der Hafenlohr sowie der Flora und Fauna in dem Wiesental im Hochspessart schaden, zum Beispiel durch ihren Kot. Doch diese Befürchtungen haben sich nicht bewahrheitet.
Suhlen der Büffel ziehen Insekten und Amphibien an
Im Gegenteil: Die Artenvielfalt im Hafenlohrtal hat sich verdoppelt, betont Christian Salomon vom Naturpark Spessart. Als Gebietsbetreuer für Grünland ist er von Anfang an zuständig für das Beweidungsprojekt. Über 1.800 seltene Tier- und Pflanzenarten lassen sich hier heute nachweisen. Die Büffel hätten ein ökologisch wertvolles Biotop "getrampelt", so Salomon. Sie strukturieren den Lebensraum, der durch sie sehr vielfältig werde. So legen die Wasserbüffel zum Beispiel Suhlen an, die dann als Kleingewässer Libellen und Fröschen Lebensraum bieten.
Insekten und Käfer als Futter für Vogelarten
"Der Dung der Wasserbüffel zieht zudem sehr viele Käfer an. Deswegen kommen auch viele Vögel nach, die die Käfer fressen. Die Büffel gehören in die Landschaft, wie ursprünglich Auerochse, Wisent oder Elch", so Salomon weiter. Fast 60 Vogelarten nutzen die Weide der Wasserbüffel als Brut- oder Jagdgebiet. Christian Salomon hält das Nest eines Neuntöters in der Hand, von den Vögeln gebaut aus Büffelhaaren. "Dieser Weidevogel braucht viele Insekten und hat hier sogar einen Hightech-Baustoff für seine Nester gefunden", erklärt der Gebietsbetreuer.
Schmetterlinge, Libellen, Luchse und Fischotter
Mit dem Großen Feuerfalter und dem Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling sind Schmetterlings-Arten auf der Büffelweide eingewandert, die es vor dem Projekt nicht gab und die auf der roten Liste gefährdeter Arten stehen. Auch seltene Libellenarten, wie die Kleine Pechlibelle, sind nun heimisch. Fotofallen machen außerdem Schnappschüsse von Biber, Wildkatze, Luchs und Fischotter auf der Weide.
Büffel im Winter bei Schäferei in Bergrothenfels
Nach erfolgreicher Teilnahme beim Förderwettbewerb "Wildes Deutschland" des World Wide Fund For Nature (WWF) wurde das Wasserbüffelkonzept 2013 weiterentwickelt. Neuer Halter der Wasserbüffel wurde die Schäferei Tausch, die eine Winterkoppel mit offenem Stall am Hof bei Bergrothenfels im Landkreis Main-Spessart einrichtete. Von da an weiden die Tiere nur noch im Sommer im Hafenlohrtal. Eine wirtschaftliche und ökologische Verbesserung, denn im Winter muss reichlich Heu zugefüttert werden.
Bio-Zertifikat seit 2016, Fleisch wird in der Region verkauft
Eine große Allianz aus Akteuren unterstützte das neue Konzept: Regierung, Landkreis, Gemeinden, Landwirtschaftsverwaltung, WWF, BN und LBV. 2016 erhielt die Schäferei Tausch ein Bio-Zertifikat. 2018 zeichnete das Bundesamt für Naturschutz die Initiative aus als "Projekt der UN-Dekade", da es "in vorbildlicher Weise die biologische Vielfalt fördert".
Das Bio-Fleisch der Wasserbüffel vermarktet die Schäferei nach eigenen Angaben direkt und nur auf Anfrage – vor allem an Privatleute, aber auch an einzelne Gaststätten der Region.
Stausee geplant: Hafenlohrtal viele Jahre in Gefahr
Das Gebiet, in dem heute die Wasserbüffel und viele seltene Arten daheim sind, war viele Jahre in Gefahr: Im Hafenlohrtal war ein riesiger Trinkwasserspeicher geplant. Auf einer Länge von 15 Kilometern wäre das malerische Tal in einem bis zu 60 Meter tiefen Stausee versunken, so das Konzept der Bayerischen Staatsregierung. Eine Aktionsgemeinschaft hat jahrzehntelang dagegen gekämpft und hat das Vorhaben schließlich verhindert. Nun kann sich das Flüsschen Hafenlohr, das dem Tal seinen Namen gibt, weiter von Rothenbuch bis zum Main schlängeln.
- Zum Artikel: Fast zerstört, jetzt Naturwunder-Kandidat: Das Hafenlohrtal
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