Im Rechtsstreit um eine öffentliche Warnung des Freistaats Bayern vor Produkten der Großmetzgerei Sieber hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe die Mitwirkungspflicht des Unternehmens betont. Die Metzgerei hätte mit den zuständigen Behörden aktiv zusammenarbeiten und von sich aus darauf hinweisen müssen, dass es auch Produkte gebe, von denen keine Gesundheitsgefahr ausging. Das entschied der Karlsruher Senat. Damit ist ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) München teilweise aufgehoben.
Nachdem vor acht Jahren Listerien in Produkten der Firma gefunden wurden, folgten Warnungen durch das bayerische Verbraucherschutzministerium und Waren-Rückrufe. Kurze Zeit später war Sieber zahlungsunfähig. Der Insolvenzverwalter verklagte daraufhin den Freistaat.
BGH: Anforderungen an Bayerische Behörden "überspannt"
Die Metzgerei hatte auf Anordnung des Freistaats 2016 ihre Produktion wegen möglicher Listerien eingestellt und ging kurz darauf insolvent. Der Insolvenzverwalter forderte vom Freistaat Schadenersatz in Millionenhöhe. Das OLG München gab seiner Klage teilweise statt. Die Stilllegung der Produktion, der Rückruf und die Warnung seien zwar für Produkte gerechtfertigt gewesen, in denen Listerien vorkommen konnten. Für verpackte und pasteurisierte Waren gelte das aber nicht. Das Gericht sah eine Verletzung der Amtspflicht.
Die Karlsruher Richterinnen und Richter waren nun anderer Ansicht. Die zuständigen Beamten seien nicht verpflichtet gewesen, von sich aus etwa durch Befragung des Personals "ins Blaue hinein" zu ermitteln, ob und welche nach-pasteurisierten Produkte die Metzgerei im Sortiment hatte, so der BGH. Das OLG habe die Anforderungen an die Behörde überspannt. Das Verfahren muss in München nun erneut verhandelt und entschieden werden.
Acht Todesfälle nach Listerien-Infektion
Es war ein großer Aufschrei im Mai 2016: Eine bayerische Großmetzgerei soll schuld an Bakterieninfektionen sein, an denen auch mehrere Menschen starben. Tatsächlich beobachteten Forschende seit 2012 einen Listeriose-Ausbruch mit Schwerpunkt in Baden-Württemberg und Bayern.
Das Robert-Koch-Institut (RKI) und das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hatten den Fall damals untersucht. Mithilfe von sogenannten Genom-Analysen (externer Link) waren sie im Juni 2016 zu dem Schluss gelangt, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Zusammenhang zwischen den entdeckten Listerien auf einem Produkt der oberbayerischen Sieber GmbH und den untersuchten Listeriose-Patienten besteht. Auf dem "Wacholderwammerl" des Geretsrieder Großmetzgers fanden sich die gleichen Keime wie bei den Erkrankten. Rund 80 Infektionen registrierte das RKI seit 2012, acht Menschen starben.
Daraufhin veröffentlichte das bayerische Verbraucherschutzministerium eine amtliche Warnung vor den Produkten der Sieber GmbH. Es bestünden hinreichende Anhaltspunkte dafür, "dass von Erzeugnissen der Firma Sieber eine Gefährdung für die Gesundheit der Verbraucher ausgehen kann, auch wenn ein direkter Nachweis von Listerien nicht für sämtliche Produkte der Firma Sieber vorliegt".
Hat das Ministerium überreagiert?
Außerdem ließ das Ministerium im großen Stil Ware zurückrufen und verhängte ein Produktions- und Vertriebsverbot. Kurze Zeit später musste Sieber Insolvenz anmelden, 120 Mitarbeiter verloren ihren Arbeitsplatz.
Der Insolvenzverwalter des Unternehmens, Josef Hingerl, verklagte den Freistaat Bayern wegen Amtspflichtverletzung. Das Verbraucherschutzministerium hätte nicht pauschal vor allen Produkten der Metzgerei warnen dürfen, nur vor den Belasteten. Es sei dadurch mitverantwortlich für die Insolvenz. Deshalb fordert Hingerl knapp elf Millionen Euro Schadensersatz vom Freistaat.
Es ging unter anderem darum, ob es zur Amtspflicht einer Behörde gehört, zu ermitteln, ob es auch Fleischprodukte gab, die unschädlich waren. Sieber hatte 2016 Produkte in der Verpackung nachpasteurisiert. Listerien sterben bei Temperaturen über 70 Grad ab.
Streit durch die Gerichtsinstanzen
Das Landgericht München hatte die Klage des Insolvenzverwalters in erster Instanz abgewiesen. Insolvenzverwalter Hingerl ging in Berufung, das Oberlandesgericht München (OLG) gab ihm daraufhin teilweise Recht (externer Link).
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