Markus Söder (l, CSU), Ministerpräsident von Bayern, und Reinhard Sager, amtierender Präsident des Landkreistages, vor Beginn der 76. Sitzung des Landkreistages auf Kloster Seeon.
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Markus Söder (CSU) und Reinhard Sager, amtierender Präsident des Landkreistages auf Kloster Seeon.

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Söder: "Ein Flieger nach Afghanistan reicht nicht"

Söder: "Ein Flieger nach Afghanistan reicht nicht"

Beim Jahrestreffen des Deutschen Landkreistags steht die Migrationspolitik im Mittelpunkt. Den Bund fordern die Landräte dringend zu einer merklichen Reduzierung irregulärer Zuwanderung auf. Unterstützung kommt vom bayerischen Ministerpräsidenten.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Wer zum Tagungsort will, muss an ihnen vorbei. Etwa zwanzig Bürger demonstrieren an der Auffahrt zum Kloster Seeon gegen Flüchtlingsunterkünfte in ihren Gemeinden. Auf ihren Plakaten steht: "Nein zur Sammelunterkunft!" Eine schwarze Limousine nach der anderen passiert. Es sind Landräte und Landrätinnen aus der ganzen Bundesrepublik, die zur Jahrestagung des Deutschen Landkreistags möchten.

Heike Bachert von der Bürgerinitiative "Rott rot(t)iert" ist eine der Demonstrantinnen. In ihrer Gemeinde, Rott am Inn, leben nur rund 4.000 Einwohner, erzählt sie. Trotzdem solle dort nun eine Unterkunft für 506 Flüchtlinge entstehen. Das sei zu viel für den kleinen Ort, kritisiert Bachert. Es gehe nicht gegen die Migranten an sich, sondern darum, diese gerecht zu verteilen. Die Politik müsse das endlich erkennen und handeln.

Söder fordert sofortiges Handeln vom Bund

Bei der Jahrestagung des deutschen Landkreistags ist die Migrationspolitik das Kernthema. Einer der Gastredner ist Bayerns Ministerpräsident, Markus Söder (CSU). Er fordert von der Bundesregierung sofortiges Handeln. Die Ampel habe gedacht, "wenn man einen Flieger nach Afghanistan schickt, ist das Problem gelöst". Aber es reicht laut Söder eben nicht.

Wer offene Grenzen haben wolle, müsse auch in der Lage sein, diese zu schützen. Dafür brauche es Grenzkontrollen und eine Grenzpolizei, wie sie Bayern habe. Söder fordert die Zurückweisung von Migranten an den deutschen Grenzen – was rechtlich möglich sei. Er frage sich wirklich, warum es dafür noch einmal eine rechtliche Überprüfung brauche. "Was in Dänemark geht, muss bei uns am Ende auch gehen."

"Dürfen das nicht extremen Kräften überlassen"

Des Weiteren müsse die Bundesregierung für mehr Abschiebearrestplätze im Land sorgen und Rückführungsverträge mit Ländern wie Syrien und Afghanistan aushandeln. Außerdem plädiert der bayerische Ministerpräsident für die flächendeckende Einführung einer Bezahlkarte für Flüchtlinge. Allerdings sei das Bundesgesetz so "wässrig formuliert", dass es einige Unsicherheiten gebe. Die Bezahlkarte brauche es jedoch, um Deutschland für Zuwanderer nicht zu attraktiv zu machen.

Landkreistag lobt Faesers Ankündigung zu Grenzkontrollen

Damit ist der CSU-Chef auf einer Linie mit dem Präsidenten des Deutschen Landkreistags, Reinhard Sager. Auch er fordert eine schärfere Asylpolitik. "Das wichtigste Thema der Landräte ist, dass die irreguläre Zuwanderung nach Deutschland zum Abstoppen kommt", sagt er im Interview mit BR24. Sager begrüßt die Ankündigung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser, vorerst an allen deutschen Landgrenzen Kontrollen einzuführen.

"Wir kommen nicht daran vorbei. Solange die europäischen Außengrenzen nicht geschützt sind, müssen wir die deutschen Grenzen schützen", so Sager. Während der Fußball-Europameisterschaft hätten die Kontrollen gewirkt. Die Ankündigung müsse nun konsequent umgesetzt werden. Starten sollen die Kontrollen laut Faeser ab 16. September. Für den Landkreistagspräsidenten ist es höchste Zeit: "Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass weniger Menschen ankommen, damit wir überhaupt in den Landkreisen wieder Luft haben zum Atmen." Sager erwarte hier ein schnelles, durchgreifendes Handeln der Bundesregierung.

Kommunen seien überlastet

In den letzten zehn Jahren seien 2,8 Millionen Asylanträge in Deutschland gestellt worden. Viele der Menschen seien aber nicht integriert, geschweige denn in Arbeit. "Wenn wir jetzt immer mehr Menschen auch aus anderen Kulturkreisen bei uns aufnehmen, ohne Integrationsansätze auszubringen, dann schaffen wir uns die Probleme von morgen und übermorgen", warnt der Landkreistagspräsident.

Erst wenn die Menschen in Deutschland spürten, dass nachhaltig etwas passiere, dass sich Dinge änderten, "dann werden wir auch andere Wahlergebnisse in Deutschland haben", sagt Sager. Mit Blick auf die vergangenen Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen mahnt er: "Der 1. September hat ja gezeigt: Das kommt immer noch ein bisschen schlimmer, als man zunächst gedacht hat."

Kritik an "Kommunikationsverhalten der Bundesregierung"

Verärgert zeigt sich der Landkreistag auch darüber, dass die Bundesregierung die kommunalen Spitzenverbände nicht genug in ihre Entscheidungen einbinde. Das gelte aktuell für die Asylpolitik, aber auch für andere Bereiche. Joachim Schwind vom niedersächsischen Landkreistag wendet sich mit dieser Kritik direkt an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).

Die Bundesregierung behandle die kommunalen Spitzenverbände "stiefmütterlich". Gesetzentwürfe des Bundes würden mit viel zu kurzen Fristen an den Landkreistag herangetragen. "Bitte geben Sie sich in der Bundesregierung einen Ruck und machen Sie auf den letzten Metern einen Neustart beim Kommunikationsverhalten", fordert Schwend.

Habeck: "Abstimmung in der Regierung dauert zu lange"

Habeck, der für ein kurzes Statement per Video zugeschaltet ist, räumt ein, "dass da möglicherweise etwas eingerissen ist". Zu Beginn des Ukrainekriegs habe er "regelrecht Angst" gehabt, dass "in Deutschland die Lichter ausgehen" - wegen der Gasmangellage. Da habe man "unter Hochdruck, in Windeseile" viele Gesetze "durchdrücken" müssen – ohne lange Verbandsdebatten. "Das kann sein, dass dort ein Schlendrian eingezogen ist", sagt der Bundeswirtschaftsminister.

Laut Habeck gibt es aber noch eine zweite Erklärung und die sei "noch viel blöder": die Abstimmung in der Regierung. Die dauere oft "sehr lange, viel zu lange". Um Gesetze dann noch fristgerecht umzusetzen, seien dann "die Dritten die Leidtragenden", also der Landkreistag zum Beispiel oder die Wirtschaftsverbände. Er nehme sich das zu Herzen, versichert Habeck.

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