Die bayerische Automobilwirtschaft und die Bayern-SPD haben eines gemeinsam: Sie stecken in der Krise. SPD-Fraktionschef Holger Grießhammer versucht, beiden Krisen mit einer Portion Pragmatismus zu begegnen. Das wurde am Rande eines Besuchs der Fraktion beim Autobauer BMW zum Auftakt der Winterklausur deutlich. Einmal mit der Forderung nach einer Milliardenförderung der Autobranche, und mit einem flexibleren Blick auf die Klimaneutralität des Freistaats bis 2040.
"Bayern-Milliarde" aus Rücklagen für die Autoindustrie
Für die schwächelnden bayerischen Autobauer und vor allem die Zulieferbetriebe fordert die SPD-Fraktion eine "Anschubfinanzierung" aus Haushaltsrücklagen. Eine "Bayern-Milliarde". Rund die Hälfte soll in den Ausbau von Ladestationen für Elektro-Fahrzeuge fließen. Ein großer Teil in die Batterietechnologie und in die Qualifizierung der Mitarbeiter.
Die "Bayern-Milliarde" sei deshalb pragmatisch, weil man das Geld aus vorhandenen Haushaltsrücklagen nehmen könne und ein Großteil über Steuern zurückfließe. Die Kommunen hätten wieder mehr Mittel für die Infrastruktur. "Wenn die Wirtschaft brummt, dann profitiert am Ende auch der Arbeitnehmer und unser Sozialstaat", so die Rechnung der Sozialdemokraten.
Planbarkeit für Unternehmen
Damit diese Rechnung aufgeht, brauche es absolute "Planbarkeit" für die Unternehmen, mahnt Ex-Fraktionschef Florian von Brunn. Der wirtschaftspolitische Sprecher der Fraktion wirft Union und Freien Wählern vor, mitschuldig zu sein am stockenden Verkauf von Elektroautos in Deutschland. Markus Söder und Hubert Aiwanger hätten Unternehmen wie Kunden verunsichert, durch ihr Festhalten an Verbrennungsmotor und "Technologieoffenheit": "Das schafft keine Planungssicherheit. Und deswegen brauchen wir auch ein klares Bekenntnis zur E-Mobilität und die entsprechenden Förderungen", so von Brunn. Und: es dürfe keine weiteren "Belastungen" für die Automobilindustrie geben. Diese aber drohen: Sollten die Autobauer das von der EU ausgegebene CO₂-Ziel mit ihrer Flotte nicht erreichen – sprich, zu wenige E-Autos verkaufen – dann folgen hohe Strafzahlungen. Die Landtags-SPD schließt sich deshalb explizit der Forderung von SPD-Bundeskanzler Scholz und einigen Bundesländer an, diese Zahlungen auszusetzen.
Klimaziel verschieben – "wenn's der Wirtschaft nutzt"
Der wirtschaftsfreundliche Kurs der Klausur wirkt sich auch auf den Kurs der Fraktion in der Klimapolitik aus. Jedenfalls verpasst Grießhammer seiner SPD-Fraktion auch hier einen pragmatischeren Ansatz. Das ambitionierte bayerische Klimaziel 2040 der Staatsregierung "ein, zwei oder drei Jahre" zu überziehen – sei für ihn hinnehmbar - "wenn's der Wirtschaft nutzt". Auch das Jahr 2045, das der Bund als Klimaziel aktuell festgeschrieben hat, sei vorstellbar: "Aber ich glaube, dann sollte das Ziel stehen und nicht beliebig weiter nach hinten rücken", sagt Grießhammer. Die SPD in Bayern hatte vor wenigen Tagen noch scharf kritisiert, dass die Staatsregierung von ihrem eigenen und deutlich strengeren Ziel abrücke: Von einer "Unverschämtheit" und einem "Rückschlag für den Klimaschutz" etwa sprach der energiepolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion Florian von Brunn.
Als Persilschein für Markus Söder und Hubert Aiwanger, die ihr eigens gestecktes Ziel "klammheimlich" kassiert hätten, will die Grießhammer seine Überlegungen aber nicht verstehen. Die "Art und Weise" sei "unseriös", zumal die Staatsregierung das Ziel hätte erreichen können, wenn sie mehr Gas gegeben hätte bei der Energiewende. Und Florian von Brunn erinnert Söder daran: "Es war sein Klimaziel und nicht unser Klimaziel."
SPD-Fraktion hält "grundsätzlich" an Klimaziel 2040 fest
Nach der Klausur betont Grießhammer dann noch einmal ausdrücklich: "Grundsätzlich halten wir als SPD und auch als SPD-Landtagsfraktion" am Bayerischen Klimaziel 2040 fest. Wenn sich der Zeitpunkt "am Ende dieses Prozesses" dann verschiebe, "weil wir zwischendrin einfach mal wirtschaftlich schwierige Rahmenbedingungen hatten", dann komme es am Ende nicht darauf an. Die Münchner SPD-Abgeordnete Ruth Waldmann ergänzt, wenn man das Ziel fast erreicht habe, sei das in Ordnung, man dürfe das Ziel nur nicht von vorneherein abräumen.
Landespflegegeld: SPD will Staffelung nach sozialen Kriterien
Auch in der Gesundheitspolitik wirft die SPD der Staatsregierung Verschleppung vor. Der Freistaat sei bei der Krankenhausreform von SPD-Gesundheitsminister Lauterbach nur deshalb so unter Druck, weil sie keine Krankenhausplanung gemacht habe, kritisiert die SPD-Gesundheitspolitikerin Ruth Waldmann. Sie fordert zugleich mehr Einsatz bei der Pflege. Das von Ministerpräsident Söder um die Hälfte gekürzte Landespflegegeld solle künftig nicht mit der Gießkanne verteilt werden, sondern gestaffelt, nach sozialen Kriterien, so der Vorschlag der Landtags-SPD.
Grießhammer will "in die Mitte"
Fraktionschef Grießhammer hatte schon zu seinem Amtsantritt der Fraktion einen Kurs in die Mitte verordnet. Sein Ziel: Die Freien Wähler als Koalitionspartner der CSU in Bayern abzulösen. Das unterfüttert er jetzt mit mehr Wirtschaftspolitik und Pragmatismus im Klimaschutz. Er hofft, die SPD so aus ihrem Umfragetief zu holen. Das Motto des Fraktionschefs, der selbst einen Handwerksbetrieb führt: "Entscheidend ist, dass wir vorwärtskommen".
Weitere Hintergrund- und Service-Artikel zur Bundestagswahl 2025
- Zum Artikel: Wie sich Bayern auf die Neuwahl vorbereitet
- Zum Artikel: Neues Wahlrecht: So funktioniert die Bundestagswahl 2025
- Zum Überblick: Erst- und Zweitstimme – so wählen Sie richtig
- Zum FAQ: Briefwahl zur Bundestagswahl - so geht's
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!