Archivbild: Kinder spielen in einem Kindergarten
Bildrechte: picture alliance / SvenSimon | Malte Ossowski / SVEN SIMON
Audiobeitrag

Archivbild: Kinder spielen in einem Kindergarten

Audiobeitrag
>

Sprachtest-Pflicht kommt im Eiltempo: "Übers Knie gebrochen"

Sprachtest-Pflicht kommt im Eiltempo: "Übers Knie gebrochen"

Bayerns Staatsregierung drückt bei der Sprachtest-Pflicht aufs Tempo. Am Montag will das Kabinett den Gesetzentwurf absegnen, damit er im Landtag schnell beschlossen werden kann. Lehrerverbände haben viele Fragen und einige Kritik dazu.

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 am Samstagvormittag am .

Jetzt aber wirklich: Seit 14 Monaten sind sie angekündigt, zweimal waren sie schon Thema im bayerischen Kabinett, beim dritten Mal sollen die verpflichtenden Sprachtests für alle Vier- bis Fünfjährigen endgültig auf den Weg gebracht werden: Am Montag will der Ministerrat nach BR-Informationen den Gesetzentwurf beschließen, damit er schnell in den Landtag kommt.

Künftig soll eineinhalb Jahre vor der Einschulung der Sprachstand aller Kinder in Bayern festgestellt werden. Werden dabei Defizite entdeckt, müssen die Kinder eine Kindertagesstätte mit einem "Vorkurs Deutsch" besuchen. Ziel ist, dass das Gesetz noch im Dezember in Kraft tritt. Die Ankündigung von Ministerpräsident Markus Söder (CSU), dass es die Testpflicht ab dem Schuljahr 2024/2025 geben werde, soll eingehalten werden.

Enger Zeitplan

Ebenfalls angekündigt hatte Söder, dass er "keinen Schnellschuss" wolle. Für die Grundschulen ist der Zeitplan aber sehr eng. Noch im Dezember/Januar sollen sie Briefe an alle Familien in ihrem Sprengel schicken, deren Kind 2025 fünf Jahre alt wird. Dann heißt es: Von einem Teil der Eltern eine Bescheinigung des Kindergartens entgegennehmen, dass keine Sprachdefizite vorliegen, und mit allen übrigen Familien Termine vereinbaren. Schon im März soll getestet werden – wobei das Test-"Instrument" noch entwickelt wird und somit vorerst keine Schulungen möglich sind.

Ein Fokus auf sprachliche Förderung sei zwar "absolut richtig", sagt die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV), Simone Fleischmann, dem BR. Die Einführung werde aber "übers Knie gebrochen". Wie solle das für Schulleitungen obendrein zu schaffen sein?, fragt sie. Und nicht nur zeitlich sind die Pläne laut Fleischmann "sehr ambitioniert", sondern auch personell und strukturell. Kritik kommt auch von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).

"Testen allein bringt nichts"

Übereinstimmend fragen BLLV und GEW: Wer soll die zusätzlichen Tests an den Grundschulen vornehmen? Wo sollen die Fachkräfte für die Sprachförderung herkommen? Die GEW betont, dass es schon ein "etabliertes, gut durchdachtes System" gebe, um den Sprachstand der Kinder zu ermitteln – in Kindergärten, bei den verpflichtenden sogenannten Us beim Kinderarzt sowie beim Schuleingangsscreening. In der Praxis scheiterten viele Förderbemühungen "einzig und allein an den personellen Rahmenbedingungen", heißt es in der GEW-Stellungnahme zum Gesetzentwurf.

Tatsache ist: In den vergangenen Jahren musste der Vorkurs Deutsch wegen des Personalmangels in Kindergärten und Grundschulen vielerorts ausfallen. "Testen allein bringt hier gar nichts", betont Bayerns GEW-Landesvize Florian Kohl. Statt "Symbolpolitik zu betreiben", brauche es eine Stärkung der bestehenden Strukturen sowie eine Senkung des Betreuungsschlüssels in Kindergärten. "Dann klappt’s auch mit der Förderung."

Lehrer "fallen nicht vom Himmel"

Laut Kultusministerium sind allein für die Sprachtests durch Beratungslehrkräfte 30 Stellen an den Grundschulen nötig. Fleischmann betont: "Es fallen die Menschen nicht vom Himmel. Wir haben ohnehin schon zu wenige für den Pflichtunterricht." Daher müsse ehrlich gesagt werden, dass etwas anderes wegfallen werde – beispielsweise Beratungsangebote zu Lese-Rechtschreib-Schwäche und Dyskalkulie.

Die GEW empört sich zudem darüber, dass die Staatsregierung auch Bußgelder vorsieht, wenn Eltern ihre Kinder an den Sprachtests nicht teilnehmen lassen. Im Sinne der Bildungspartnerschaft zwischen Eltern und Fachkräften sei das ein fragwürdiges Vorgehen.

Ministerin: "Können nicht warten"

Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) verteidigt Zeitplan und Inhalt des Vorhabens: "Sprache ist der Schlüssel zu Integration", sagt sie dem BR. Es gehe darum, Kindern den Bildungserfolg zu ermöglichen. "Und da können wir nicht warten. Dann müssen wir so schnell wie möglich in die Umsetzung kommen." Der Ministerin zufolge geht es darum, auch die Kinder zu erreichen, die keinen Kindergarten besuchen. Das sind etwa sieben Prozent.

Selbstverständlich brauche es dafür auch Personal. Zwar sei die Lage insgesamt "herausfordernd", räumt die Ministerin ein. Trotzdem investiere der Freistaat schon im aktuellen Schuljahr durch 50 zusätzliche Stellen für Sprachförderangebote deutlich. "Und in den kommenden Jahren werden wir die Versorgung auch schrittweise weiter ausbauen."

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!