Mit scharfen Worten kritisiert die Flüchtlings- und Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan (SPD) Äußerungen des CSU-Vorsitzenden Markus Söder in der Migrationsdebatte. "Mich macht das fassungslos", sagt sie im Deutschlandfunk-Interview. "Das sind rechtspopulistische Narrative, die wir sonst von der AfD kennen."
Konkret bezieht sich die Kritik auf Söders Äußerung, Deutschland sei durch die vielen Migranten auch kulturell überfordert: "In vielen deutschen Städten fühlen sich auch die Einwohner, die Deutschen, gar nicht mehr zu Hause", sagte der CSU-Chef kürzlich in der ARD. Ähnlich hatte sich Söder auch beim Gillamoos-Frühschoppen geäußert: "In vielen deutschen Vorstädten fühlt sich der eine oder andere gar nicht mehr daheim, ist nicht mehr ganz sicher, in welchem Land er eigentlich lebt."
Alabali-Radovan: "Sehr fragwürdig"
Alabali-Radovan betont, sie wundere sich sehr, welchen Weg die CSU jetzt einschlage. Schließlich habe ein wesentlicher Teil der Bevölkerung selbst eine Einwanderungsgeschichte. "Deswegen frage ich mich: Wie teilt Herr Söder denn Menschen optisch ein in Deutscher und Nichtdeutscher? Das ist doch sehr fragwürdig, was er da macht."
Der gesamten Union warf sie vor, "ein gefährliches Spiel mit einem Überbietungswettbewerb an populistischen Scheinlösungen" zu spielen. Damit nehme die Union billigend in Kauf, dass Stimmung gegen Migranten gemacht werde.
Grüne werfen Söder "AfD-Aussagen" vor
Auch die bayerische Grünen-Landeschefin Gisela Sengl attackiert den CSU-Chef: "Markus Söder gibt den Spaltpilz und übertreibt ganz bewusst mit seinen AfD-Aussagen. Er tut ja grad so, als würde sich hier niemand mehr daheim fühlen", sagt sie dem BR. Über diese Aussage müsse sie einfach lachen. Söder solle sich besser um seine Aufgaben in Bayern kümmern, "anstatt sich permanent als Kanzlerkandidat in die Nachrichten zu drängen".
Vor einer Woche hatte bereits der ehemalige CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz die Gillamoos-Rede des CSU-Chefs als "Rückfall in eine Zeit" kritisiert, "in der Söder meinte, die AfD in ihrem Tonfall schlagen zu können".
CSU: Ampel leidet an Realitätsverlust
CSU-Generalsekretär Martin Huber weist die Kritik auf BR-Anfrage entschieden zurück. Die Integrationsbeauftragte zeige mit ihren Äußerungen, dass sie das gleiche Problem habe wie die gesamte Ampel: "Sie leidet an völligem Realitätsverlust und ignoriert aus ideologischen Gründen die Wirklichkeit in unserem Land", betonte Huber.
Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) beklagte mit Blick auf das Scheitern der Migrationsgespräche im Bund, die Bundesregierung sei nach wie vor nicht bereit, in der Migrationspolitik wirklich Änderungen herbeizuführen, "natürlich auch dank der grünen Regierungsbeteiligung". Insbesondere mit den Grünen sei eine Beschränkung des Zugangs nach Deutschland nicht zu machen: "Sie wollen, dass weiterhin praktisch jeder zu uns kommen kann."
Endres: "Es gab noch nie so eine strenge Asylpolitik"
Ronja Endres, SPD-Vorsitzende in Bayern, verteidigte den Kurs der Ampel. Es habe noch nie eine derart strenge Asylpolitik gegeben, wie unter dieser Bundesregierung, sagte Endres in der Münchner Runde im BR Fernsehen. Vor der Bundestagswahl 2021 habe man in Deutschland 70 Prozent weniger Leute abgeschoben, so Endres. In diesem Zusammenhang äußerte Endres auch scharfe Kritik an der Opposition – keiner der Unionsminister habe es geschafft, beim Thema Migration so viel zu bewegen. "Wir hatten die schlechteste Opposition seit dem Zweiten Weltkrieg", sagte Endres. Klaus Holetschek, CSU-Fraktionsvorsitzender im Bayerischen Landtag, forderte, man müsse es "sichtbar" machen, dass man an den Grenzen "konsequent, mutig und entschlossen" zurückweise.
Audio: Migration im Mittelpunkt der Generaldebatte im Bundestag
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