Seit Jahrzehnten hat niemand in Zeckendorf, Demmelsdorf und Scheßlitz mehr das Kaddisch gesungen, das jüdische Totengebet. Doch als der Künstler Gunter Demnig in dieser Woche 32 Stolpersteine in den drei Orten im Landkreis Bamberg verlegt hatte, erklang es wieder – gesungen für die Jüdinnen und Juden, die in der Shoah dort ermordet wurden. Bis dahin hatte so gut wie nichts mehr an die vertriebenen und ermordeten Nachbarn erinnert. Es war, als hätten sie hier nie gelebt.
Mehr Juden als Christen in Demmelsdorf
Dabei gab es in Zeckendorf, Demmelsdorf und Scheßlitz jahrhundertelang ein reiches jüdisches Leben, berichtet die Initiatorin der Stolpersteine, Maria Becker. Lange Zeit waren Juden hier sogar in der Mehrheit. 1833 schreibt das Erzbistum Bamberg etwa, Demmelsdorf habe 93 Seelen und 156 Juden mit eigener Synagoge und Schule.
"Sie müssen sich vorstellen: Zeckendorf hatte eine Synagoge, aber keine Kirche, bis heute noch nicht", erzählt Maria Becker. Auch Demmelsdorf habe eine Synagoge und keine Kirche gehabt. Lediglich eine kleine Kapelle gebe es inzwischen.
Erinnerung an jüdische Nachbarn überfällig
Dreieinhalb Jahre lang hat Maria Becker die Geschichte der vertriebenen und ermordeten Jüdinnen und Juden von Zeckendorf, Demmelsdorf und Scheßlitz erforscht und Geld gesammelt. Dadurch war es möglich, dass die ehemaligen Nachbarn quasi wieder in die Heimat zurückkehren konnten: 32 Stolpersteine im Straßenpflaster an elf Orten erinnern daran, in welchen Häusern sie einst gelebt haben.
"Das finde ich schon wichtig", meint Anni Uch vor den Stolpersteinen für Jakob und Klara Berg in Demmelsdorf, die in Theresienstadt ermordet wurden. "Das hätt' schon längst gemacht gehört." Den Juden sei großes Unrecht geschehen, das dürfe nicht vergessen werden. "Es muss auf jeden Fall gemacht werden, dass die Geschichte nicht verloren geht", findet auch Dietmar Stadter.
Zehn Stolpersteine in Zeitz, Sachsen-Anhalt, gestohlen
Dass diese Ansicht nicht von allen geteilt wird, zeigt das Beispiel Zeitz in Sachsen-Anhalt. In der Nacht vom 6. auf den 7. Oktober haben dort unbekannte Täter alle zehn Stolpersteine aus dem Pflaster gerissen. Eine klaffende Wunde. Dass Stolpersteine gestohlen oder beschmiert werden, kommt immer wieder vor – nach Angaben des Künstlers Gunter Demnig waren es 900 der von ihm europaweit verlegten 112.000 Steine.
Für den bayerischen Antisemitismusbeauftragten Ludwig Spaenle (CSU) ist dies ein Grund zur Sorge. Wo die Erinnerung an ermordete Menschen nicht geachtet werde, sei "die Zivilisation ins Nirwana gewandert", meint Spaenle. "Wenn Menschen dieses herausnehmen, dann reißen sie ihre eigene Vergangenheit heraus."
Ermordete und vertriebene Juden sichtbar gemacht
In Zeckendorf, Demmelsdorf und Scheßlitz wird das nicht geschehen, hofft Maria Becker – schließlich wird sie von vielen Seiten unterstützt: von der Volkshochschule Bamberg-Land, der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Schülern und Lehrern der Mittelschule Scheßlitz, der jüdischen Gemeinden und nicht zuletzt von vielen Einwohnerinnen und Einwohnern der drei Orte.
Für sie war der Tag der Verlegung ein guter Tag, "weil Namen sichtbar gemacht worden sind in einer Region, in die sie gehörten. Zum ersten Mal nach 45 haben wir sie mit Fotos und Namen gehört und gesehen." Auch eine Internetseite arbeitet die Geschichte der jüdischen Bewohner auf – derzeit nur die von Demmelsdorf. Die Erinnerung an die Juden von Zeckendorf und Scheßlitz soll folgen.
Dank der Stolpersteine sind die ermordeten und vertriebenen Jüdinnen und Juden wieder Teil der Geschichte ihrer Heimat. Und es sollen noch weitere 36 folgen. Dafür wird gerade Geld gesammelt. Und auch die gestohlenen Stolpersteine von Zeitz sollen bald ersetzt werden. Nachdem der Diebstahl bekanntgeworden war, rief der Burgenlandkreis, in dem Zeitz liegt, zu Spenden auf. Mehr als 33.000 Euro aus ganz Deutschland sind inzwischen zusammengekommen.
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