Auf dem Herd in "Achis Restaurant" in Hof brutzeln Lamm- und Hackfleischspieße auf dem Grill. Hummus, Tabbouleh, Fattoush – seit April kommen im Restaurant von Ahmad Alahmad Alkadrow, genannt Achi, ausschließlich Gerichte aus seinem Geburtsland Syrien auf den Tisch. Zubereitet von einem syrischen Koch, der ebenso wie Achi als Flüchtling nach Deutschland gekommen ist – in dem Restaurant, in dem Achi schon vor rund neun Jahren eine Ausbildung absolviert hat.
Es macht Achi stolz, wenn er daran denkt, dass er es vom kleinen Azubi zum Restaurantchef geschafft hat. Dass er eines Tages ein eigenes Restaurant leiten würde, davon hätte der heute 29-Jährige früher nicht zu träumen gewagt.
Vorm Krieg geflüchtet – Achi kommt bei Freunden in Rehau unter
Zu Hause in Syrien hatte er als Jugendlicher noch andere Pläne: 2014 fing er an, Informatik zu studieren. Doch der Krieg machte die Studienpläne des jungen Mannes zunichte. IS-Kämpfer attackierten die Stadt, in der er lebte. Achi erinnert sich an das Geräusch, als ihm Kugeln um die Ohren pfiffen. Jedes Mal, wenn er aus dem Haus ging, musste er um sein Leben fürchten. Schnell wird Achi klar: So kann und will er nicht leben.
Seine Mutter hatte Achi schon mit sechs verloren, der Vater ist seit dem Jahr 2013 verschollen. Achi lebte in Syrien mit seinen 16 Geschwistern zusammen. Sein großer Bruder drängt ihn, die Flucht nach Europa in Angriff zu nehmen. 2015 geht es los: Schleuser bringen Achi in die Türkei. Von Izmir aus geht es in einem kleinen Schlauchboot nach Griechenland. Nach zwei Monaten kommt er in Deutschland an, in Nürnberg. Schnell bekommt er seine Aufenthaltsgenehmigung, will eine Wohnung suchen. Doch in und um Nürnberg wird er nicht fündig. Freunde in Rehau bei Hof bieten dem jungen Mann eine Bleibe an.
Sprachkurs, Ausbildung, Restaurantbesitzer
In Hof lernt Achi den Gastronomen Eduard Stähle kennen. Der bietet Achi an, in seinem Restaurant eine Ausbildung zu absolvieren. Neben dem Sprachkurs ist der Kontakt zu den Gästen im Restaurant für Achi die perfekte Möglichkeit, die deutsche Sprache zu lernen. Achi übernimmt im Restaurant mehr und mehr Aufgaben, wird für Eduard Stähle zu einer Art Partner im Geschäft.
Als Stähle 2022 beschließt, sich aus dem Restaurant zurückzuziehen, bietet er Achi an, den Laden zu übernehmen. Der junge Syrer nimmt das Angebot an und führt das Restaurant erst einmal so weiter, wie er es von Stähle übernommen hat. Doch im April 2024 beschließt er, alles zu ändern. Er will nur noch original syrische Gerichte auf der Karte haben. Schon jetzt hat Achi viele Stammgäste.
Mittlerweile sind auch einige von Achis Geschwistern nach Deutschland geflohen. Sein kleiner Bruder Wael, der mittlerweile 16 Jahre alt ist, wird vom Jugendamt im mittelfränkischen Bad Windsheim betreut. Doch so oft er kann, besucht Wael seinen großen Bruder Achi in Hof. Der ist glücklich, endlich wieder zumindest einen Teil seiner Geschwister sehen zu können.
Hof ist Achis neue Heimat
In Hof hat Achi eine neue Heimat gefunden. Ob er eines Tages wieder nach Syrien zurückkehren würde? Achi denkt kurz nach. Aktuell könnte er sich das nicht vorstellen. Vielleicht irgendwann einmal. "Doch sehr wahrscheinlich ist das nicht", betont er. In Hof habe er alles, was er braucht und was ihn glücklich macht. Mittlerweile ist Achi auch verheiratet: mit einer jungen Frau, die ebenfalls aus Syrien stammt. Vor sieben Monaten ist er zudem noch Papa geworden. Er denkt häufig an seine Flucht aus dem Kriegsland Syrien, die ihn fast das Leben gekostet hat. Und dann freut er sich, wenn er sich in seinem Restaurant umsieht und all die zufriedenen Gäste sieht, die sich über seine orientalischen Gerichte freuen.
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