Junglandwirt Michael Sauerwein aus Kettershausen im Landkreis Unterallgäu hält die Tierwohlmilliarde für seine große Chance, wieder Tiere zu halten. Als sein Vater vor ein paar Jahren krank wurde, haben sie sich von den 100 Schweinen und ihren Milchkühen getrennt. Seither hat er immer wieder gerechnet. Jetzt plant er zwei Ställe für insgesamt 600 Schweine mit Investitionskosten von knapp einer Million Euro. Mehr als die Hälfte könnte er aus der Tierwohlmilliarde bekommen.
Aufstockungsverbot bremst Zukunftsbetriebe
Die erste Hürde ist das sogenannte Aufstockungsverbot. Wer Fördergeld will, darf den Tierbestand nicht erweitern. Früher hatten die Sauerweins nur 100 Schweine. Jetzt sollen es 600 werden. Zählen die Kühe, die sie auch hatten, zur Tierhaltungskapazität dazu? Das würde beim Antrag auf die Förderung helfen. Doch das weiß noch nicht mal Michael Sauerweins Förderberater, weil das Programm erst seit 1. März läuft. Er hat schon bei der zuständigen Bundesbehörde nachgefragt und wartet auf Antwort.
Das Aufstockungsverbot hält auch Norbert Schneider von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft für eine der Hürden bei der Tierwohlmilliarde. Er kritisiert, dass vor allem Zukunftsbetriebe, die ihren Betrieb erweitern wollen, gebremst werden durch die Förderung.
Windhund-Verfahren verunsichert
Zweites Problem ist nach Schneiders Ansicht das sogenannte Windhund-Verfahren, nach dem die Förderung vergeben wird. Wer beim Antragstellen schnell ist, bekommt Geld. Wer später dran ist, geht womöglich leer aus. Dadurch leidet die Planungssicherheit. Landwirt Christian Baur aus Kirchhaslach ist außerdem skeptisch, ob die Tierwohlmilliarde grundsätzlich Bestand haben wird oder ob sie nur ein Strohfeuer ist – ob sie also von einer neuen Bundesregierung überhaupt fortgeführt würde. Denn auch in den vergangenen Jahren habe es auf EU-, Bundes- oder Landesebene immer wieder Versprechungen gegeben, auf die man sich nicht habe verlassen können.
Zu wenig Geld für grundsätzlichen Umbau der Tierhaltung
Der Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes im Landkreis Donau-Ries, Karlheinz Götz, findet außerdem, dass zu wenig Geld eingeplant ist. Der Neubau eines einzigen Stallplatzes kostet zwischen 1.500 und 1.700 Euro. Insgesamt gibt es in Bayern 2,4 Millionen Schweine. 97 Prozent davon in Haltungsstufe eins und zwei. Nur drei Prozent in den Haltungsstufen drei und vier beziehungsweise Öko. Wenn man die Tierhaltung grundsätzlich verändern möchte, müsste es deshalb viel mehr Geld geben als die 150 Millionen für 2024 und die insgesamt eine Milliarde in den folgenden Jahren, findet Karlheinz Götz. Er wünscht sich ein Gesamtkonzept für den Umbau der Tierhaltung und nicht die Förderung einer Nische, wie er findet.
Özdemir will außerdem den Tierwohlcent
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir von den Grünen hält den Tierwohlcent für ein geeignetes Instrument für den weiteren Umbau der Tierhaltung. Dass die Milliarde nicht ausreicht, räumt er ein, sagt aber: "Das macht aber – wenn sie verausgabt wird – auch deutlich, dass es angenommen wird und dass es offensichtlich einen Bedarf gibt, der darüber hinausgeht."
Seit 1. März haben 28 Landwirte Anträge auf investive Förderung aus der Tierwohlmilliarde bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung gestellt, acht davon aus Bayern. Die Förderung für die laufenden Mehrkosten kann ab 1. April beantragt werden. Junglandwirt Michael Sauerwein aus Kettershausen wird beides beantragen, sobald das Landratsamt seine Pläne genehmigt hat. Und er hofft auf Geld aus der Tierwohlmilliarde, um seinen Traum von einem neuen Schweinestall verwirklichen zu können.
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