Seit zwei Jahren wird die gesamte AfD in Bayern vom Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet. Der Staat will feststellen, welchen Einfluss Extremisten in der Partei haben und wohin die Partei insgesamt steuert. Im September 2022 machte die Behörde die Beobachtung mit einer Pressemitteilung bekannt. Kurz darauf wehrte sich die AfD und reichte im Oktober 2022 Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht (VG) München ein: gegen die Beobachtung und gegen die Information der Öffentlichkeit. Ihr Eilantrag gegen die Beobachtung und Information wurde im April 2023 zunächst vom VG München zurückgewiesen, später auch im Wesentlichen vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof.
AfD-Urteil in München – Darum geht es:
Nun wird im Hauptverfahren entschieden, ob die Beobachtung der AfD zulässig ist. Die Richter haben geprüft, ob tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen in der Partei vorliegen. Diese sind laut Gesetz nämlich zwingend, um eine Beobachtung durchzuführen. Darüber hinaus geht es um die Frage, ob es zulässig ist, dass der bayerische Verfassungsschutz die Gesamtpartei – und nicht nur den bayerischen Landesverband – beobachtet. Für beide Fragen sichteten die Richter tausende Aktenseiten und Belege des Verfassungsschutzes. Auch aktuelle Beispiele aus 2024 wurden ihnen vorgelegt. Im Wesentlichen klärt das Verwaltungsgericht laut eigener Aussage drei Themenkomplexe.
Das halten die Verfassungsschützer der AfD vor:
Zum einen haben die Richter geprüft, ob die AfD das im Grundgesetz festgehaltene Prinzip der Menschenwürde systematisch verletzt. Als Beispiel nannten die Verwaltungsrichter zu Beginn des Prozesses den Umgang mit Menschen muslimischen Glaubens und Personen mit Migrationshintergrund. Die Frage lautet, ob die Partei ein Bedrohungsszenario gegen jene Minderheiten aufbaut und verbreitet.
Als Zweites gehen die Richter der Frage nach, ob die AfD das sogenannte Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip anerkennt. Der Verfassungsschutz verweist auf Umsturzfantasien, die in Chatgruppen der Partei kursierten und zum Teil durch eine investigative Recherche des BR Ende 2021 öffentlich wurden.
Und: Das Verwaltungsgericht beleuchtet den von der Partei genutzten Volksbegriff. Wird dieser von der AfD ethnisch kulturell ausgelegt, wie ihn etwa die als rechtsextremistisch eingestufte Identitäre Bewegung propagiert? Das Gericht prüft dazu Aussagen zum Begriff der "Remigration" und muss entscheiden, ob die Partei zwischen Deutschen erster und zweiter Klasse unterscheidet und ab wann ein ethnischer Volksbegriff gegen das Grundgesetz verstößt.
Über den Einzelthemen schwingt auch die Frage mit, welche Aussagen für die Gesamtpartei stehen und welche nicht. Die AfD argumentiert, dass Aussagen einzelner Funktionsträger und Mitglieder nicht systematisch gegen die Partei verwendet werden können. Außerdem sieht sie ihre Erfolgschancen als Partei gegenüber den politischen Wettbewerbern durch die Beobachtung des Verfassungsschutzes geschmälert.
Das könnten die Folgen sein:
Worüber die Verwaltungsrichter nach eigener Aussage nicht urteilen werden, ist die Frage, ob die AfD als gesichert extremistisch einzustufen ist oder nicht. Sollte die 30. Kammer die AfD-Klage abweisen, stünde einer intensiveren Beobachtung der Partei durch den Verfassungsschutz nichts im Wege. Die AfD könnte allenfalls eine Berufung vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof einlegen und bei Misserfolg eine Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht beantragen.
Erfahrungsgemäß folgen die Richter im Hauptverfahren der Entscheidung im Eilverfahren. Das spräche gegen einen Erfolg der AfD-Klage. Spannend dürfte sein, ob die Verwaltungsrichter den Spielraum des Verfassungsschutzes bei der Beobachtung der AfD eingrenzen.
Politisch könnte eine Niederlage vor Gericht die AfD empfindlich treffen: Beamte oder Anwärter in den Reihen der Parteimitglieder sähen sich gegebenenfalls einer zusätzlichen Prüfung unterzogen, wenn sie in den Staatsdienst eintreten oder darin aufsteigen wollen. Bestätigt das Verwaltungsgericht München die vom Verfassungsschutz aufgezeigten Anhaltspunkte für mögliche verfassungsfeindliche Bestrebungen in der Partei, dürfte das auch die Diskussion um ein mögliches Verbotsverfahren gegen die AfD weiter befeuern.
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