Es ist der mittlerweile achte Verhandlungstag im Prozess gegen einen 54 Jahre alten ehemaligen Sicherheitsdienstmitarbeiter einer Asylbewerberunterkunft in Nürnberg-Schmausenbuck. Der Vorwurf: Er soll zwei Bewohnerinnen über Jahre hinweg dutzende Male vergewaltigt haben. Zudem habe er eine der Frauen gefügig machen wollen, indem er ihr gedroht haben soll, ihr das Kind vom Jugendamt wegnehmen zu lassen, so die Staatsanwaltschaft. Eine Zeugin, Rahaf A., hat heute belastende Aussagen gemacht. Allein die Dauer ihrer Befragung zeigt deren Bedeutung: Sie saß insgesamt fünf Stunden auf dem Zeugenstuhl.
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Prozess dauert länger als geplant
Es haben bereits etliche Zeuginnen und Zeugen ausgesagt, viele Befragungen zogen sich stundenlang. Deshalb mussten bereits Zeugen umgeladen werden. Zu den ursprünglich neun Verhandlungstagen wurden noch fünf weitere Prozesstage angesetzt, weitere könnten noch folgen. Wann ein Urteil zu erwarten ist: unklar.
Bislang wurde viel über die Arbeitsabläufe der Sicherheitsleute gesprochen: Wie laufen die Schichten ab? Wer arbeitet mit wem? Welche Räume werden kontrolliert? Alles, um nachvollziehen zu können, ob der Angeklagte ungestört die Frauen habe vergewaltigen können. Denn: Es steht Aussage gegen Aussage.
Zeugenaussagen: mal belastend, mal nicht
An den vergangenen Verhandlungstagen haben ehemalige Kolleginnen des Angeklagten geschildert, dass sie Kontrollgänge immer nur zu zweit gemacht hätten. Eine von ihnen sagte, dabei habe immer "Augenkontakt" bestanden. Der Angeklagte habe also nie die Möglichkeit gehabt, unbemerkt zu verschwinden. Die heutige, zweite Zeugin Rahaf A. erzählt ganz anderes: Der Angeklagte habe für Rundgänge, die eigentlich 20 Minuten dauern, mehr als ein oder zwei Stunden gebraucht. Auch sei er oft allein in die Kellerräume gegangen – dort, wo die Vergewaltigungen meistens stattgefunden haben sollen.
Eine in dem Fall ermittelnde Kriminalpolizistin sagte vor einigen Tagen vor Gericht aus, dass sie die Angaben der ersten Kollegin als unglaubwürdig einschätzte. Es sei realistisch nicht möglich, über eine komplette Nachtschicht hinweg "Augenkontakt" mit einem Security-Kollegen zu halten, so wie es die Zeugin schilderte. Laut Polizistin habe die Kollegin den Angeklagten "gut dastehen lassen wollen".
"Kurdische Mafia": Drohungen des Angeklagten?
Die zweite Zeugin berichtet in ihrer Aussage vor Gericht, dass ihr das Verhalten des Angeklagten zunehmend verdächtig erschienen sei. So sei der 54-Jährige nachts ins Zimmer einer Bewohnerin gegangen. Sie habe ihn zur Rede stellen wollen. Dabei soll er die Tür geöffnet haben und dabei sein Hemd in die Hose gesteckt haben. Die Bewohnerin habe fast nackt in der Badezimmertür gestanden. Daraufhin habe die Zeugin den Angeklagten häufiger beobachtet. Vieles sei ihr merkwürdig vorgekommen. Sie habe unter anderem Kondome in seinem Spind gefunden.
Als die Vorwürfe gegen ihn laut wurden, soll der Angeklagte die Zeugin bedroht haben, er habe Kontakte zur kurdischen Mafia. Die Zeugin habe in der Folge – auch aus Angst – ihre Arbeit in der Unterkunft in der Schmausenbuckstraße gekündigt. Ähnliche Drohungen soll der Angeklagte laut der mutmaßlich Geschädigten auch ihr gegenüber geäußert haben: "Du musst Angst haben, ich bin Kurde, ob ich eingesperrt werde oder nicht, dir wird was passieren", so habe er sich ihr gegenüber geäußert, gab sie bei der Polizei zu Protokoll.
Aussage gegen Aussage – hilfsbereit oder frauenverachtend?
Im Prozess wurden auch ehemalige Bewohnerinnen der Unterkunft befragt. Sie sollten ihr Verhältnis zum Angeklagten schildern. Dabei wurde der ehemalige Security-Mitarbeiter als sehr hilfsbereit beschrieben. Er spreche viele Sprachen, könne und würde damit vielen Frauen mit Briefen, Amtsgängen und dergleichen helfen.
Eine Zeugin berichtet dagegen von frauenverachtenden Aussagen. Sie versicherte sich erst bei der Vorsitzenden Richterin, dass sie derartige Worte vor Gericht äußern darf. Dann berichtete sie, dass der Angeklagte sagte, alle Bewohnerinnen seien "Sharmuta". Das arabische Wort lässt sich im Deutschen mit "Schlampe" oder "Hure“ übersetzen, ist im arabischen Sprachraum aber sogar noch stärker herabwürdigend als die deutschen Begriffe. Bei all diesen Vorwürfen schüttelte der Angeklagte immer wieder verneinend seinen Kopf.
Auf die Frage des Verteidigers, wie die Bewohnerinnen zum Angeklagten standen, schilderte die Zeugin, dass es drei verschiedene Verhältnisse gegeben habe: Eine Gruppe von Frauen habe ihn geliebt, eine habe ihn gehasst und sich vor ihm versteckt, eine dritte Gruppe musste als "Spion" für ihn arbeiten und ihm zum Beispiel berichten, wenn Besucher zu lange blieben.
Viele "Puzzleteile" für ein Gesamtbild – Urteil nicht in Sicht
Ursprünglich war der Prozess bis zum 14. Dezember terminiert, dann aber gab es neue Termine bis Ende Januar. Heute kündigte die Vorsitzende Richterin Barbara Reim an, dass wohl noch weitere Verhandlungstermine hinzukommen werden. Eine Gerichtssprecherin hatte bereits erklärt, dass in einem Vergewaltigungsprozess, in dem Aussage gegen Aussage steht, oft besonders viele Zeugenaussagen notwendig seien. Sie könnten "Puzzleteile" liefern, aus denen dann hervorgehen könne, was wirklich passiert sei. Wann ein Urteil fallen könnte, ist daher noch völlig unklar.
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