Symbolbild: Rollstuhl.
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Durch eine Gesetzesänderung soll es für Menschen mit Behinderung leichter werden Hilfsmittel, wie Rollstühle oder Orthesen zu bekommen.

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Versorgung von Schwerstbehinderten: Petition erfolgreich

Versorgung von Schwerstbehinderten: Petition erfolgreich

Es war ein langer Weg für eine Familie aus Pfaffenhofen: Ihr Sohn ist schwerstbehindert, braucht einen Spezialstuhl und viele andere Hilfsmittel. Die Beschaffung erleben die Eltern als Kampf und haben eine Petition gestartet – mit Erfolg.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

Aktenordner gefüllt mit Anträgen, Gutachten, Erklärungen und rechtlichen Widersprüchen: so sieht es bei Familie Lechleuthner aus Pfaffenhofen aus. Ihr achtjähriger Sohn Korbinian hat von Geburt an eine Hirnschädigung und leidet zudem an lebensbedrohlichen epileptischen Anfällen. Neben einer Rund-um-die-Uhr-Betreuung braucht er zahlreiche Hilfsmittel wie Orthesen, einen Therapiestuhl und einen speziellen Autositz. All das zu bekommen, empfand die Familie häufig als Kampf.

Viele Anträge abgelehnt

Ihre Krankenkasse habe "in vielen Fällen den Medizinischen Dienst (MD) per Gutachten prüfen lassen, ob das beantragte Hilfsmittel aus medizinischer Sicht notwendig ist". Mehrfach fielen Gutachten des MD im ersten Anlauf negativ aus, sagt das Paar. In solchen Fällen lehnte auch ihre Krankenkasse den Antrag erst einmal ab. Für Korbinians Eltern begann dann ein Spießrutenlauf, den sie schon oft geführt und gewonnen haben: Widerspruch einlegen, ärztliche Atteste und Erklärungen beibringen, Beratungsstellen aufsuchen, Anwälte einschalten.

Doch diese häufigen Auseinandersetzungen mit der Krankenkasse und dem Medizinischen Dienst kosten Kraft, Nerven und Zeit. Ressourcen, die Korbinians Eltern für ihre insgesamt vier Kinder brauchen. Und Zeit, in der der mehrfach behinderte Korbinian auf spezielle Hilfsmittel wie Orthesen und Stühle warten muss. Verbände und spezielle Zentren für Kinder und Jugendliche mit schweren Behinderungen bestätigen: Familie Lechleuthner ist kein Einzelfall.

Petition mit 55.000 Unterschriften

Das wollte die Mutter und Ärztin Carmen Lechleuthner ändern, um das Leben für ihre Familie und viele andere Betroffene leichter zu machen. "So viele Familien und Kinder sind schlecht versorgt. Das hat mich so geärgert, dass ich da was machen musste."

Sie startete eine Petition, die die Prozesse einfacher und schneller machen soll, die erforderlichen Hilfsmittel, wie Autositze, Therapie- oder Rollstühle zu bekommen. Unterstützt von mehreren Behindertenverbänden und Vereinen sowie zahlreichen Ärzten haben die Lechleuthners vor rund zwei Jahren ihre Petition auf den Weg gebracht und über 55.000 Unterschriften gesammelt. Der Bundestag befasste sich schließlich mit ihrer Petition.

Ziel: Hilfsmittel schneller und einfacher bekommen

Das wichtigste Ziel der Petition war es, Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. "Die Kernforderung ist es, Hilfsmittel, die von einem Sozialpädiatrischen Zentrum (SPZ) oder einer vergleichbaren Einrichtung für Erwachsene empfohlen worden sind, ohne Prüfung durch den Medizinischen Dienst von der Kasse übernommen werden müssen. Denn in diesen speziellen Zentren sitzen die ausgewiesenen Experten für die Hilfsmittelversorgung." So formuliert es Thomas Lechleuthner, der selbst als Allgemeinarzt arbeitet.

Bundesweit gibt es rund 160 SPZ, in denen Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin betroffene Kinder und Jugendliche behandeln. Dieser Forderung folgt nun eine Gesetzesergänzung.

Petition erfolgreich

Mit dem neu eingefügten Absatz im Sozialgesetzbuch V soll es leichter werden: Bei Hilfsmittelversorgungen für Kinder und Jugendliche mit Behinderung, deren Verordnungen aus einem sozialpädiatrischen Zentrum (SPZ) kommen, entfällt die Prüfung der Krankenkassen bzw. des Medizinischen Dienstes (MD) auf medizinische Notwendigkeit. Vom MD heißt es auf BR-Anfrage, dass man es grundsätzlich begrüße, dass es Verbesserungen in der Versorgung von Kindern und Jugendlichen gebe, die unter schweren Krankheiten leiden oder von Behinderung betroffen sind.

Der MD erklärt in seiner Stellungnahme zudem, dass eine zeitnahe Versorgung "bereits durch die enge Fristensetzung der Gesetze aus den Jahren 2013 und 2017 gegeben sei". Ebenso wichtig sei zudem eine passende Versorgung. "Eine Fehlversorgung kann schädlich für die Gesundheit sein und muss vermieden werden.“, teilt der MD schriftlich mit.

Gesetz muss noch durch den Bundesrat

Carmen Lechleuthner ist erleichtert: "Der Weg wird unglaublich abgekürzt. Eine Win-win-Situation für alle." Lechleuthner rechnet damit, dass die Gesetzesänderung nicht nur Zeit und Nerven, sondern für die Gesamtgesellschaft viel Geld sparen wird.

Bei der Anhörung im Bundestag wurde auch eine Schätzung des Statistischen Bundesamt präsentiert: dabei geht man davon aus, dass mehrere Millionen Euro einspart werden könnte, weil deutlich weniger bürokratischer Aufwand anfalle. Das Gesetz muss nun noch den Bundesrat passieren, bevor es in Kraft tritt.

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