Der technikaffine Architekt Rudolf Kempf gründete am 7. November 1904 in Aschaffenburg die "Erste Deutsche Autolenkerschule". Zu dieser Zeit machten viele einen großen Bogen um Autos. Es gab immer wieder spektakuläre Zusammenstöße mit Radfahrern, Pferdefuhrwerken und Fußgängern. Rudolf Kempf erkannte die Not und witterte das große Geschäft. Der erste Kurs startete mit 36 Fahrschülern: Schlosser, Mechaniker und Herrschaftskutscher aus verschiedenen Ländern.
Unter den ersten Schülern: königliche Chauffeure
Sanitätslehre, Physik und Motortechnik wurden unterrichtet. Außerdem standen an acht Stunden in der Woche Fahrübungen auf dem Stundenplan. Zehn Wochen lang dauert die Ausbildung und am Ende gab es ein Zertifikat. Kempf bot auch "Herrenkurse" für Offiziere, Ärzte, Fabrikanten, Baumeister und Autobesitzer an. Die Fahrschule war international gefragt. Der König von Griechenland schickte beispielsweise seinen Chauffeur nach Aschaffenburg.
Lenker und Denker
Die Herausforderungen der ersten Autofahrer kann Thomas Feierabend gut verstehen. Er restauriert in Würzburg Oldtimer. Die Kundschaft kommt aus vielen Ländern Europas. Die ersten Autos sind nicht leicht zu bedienen und die Straßen waren in sehr schlechtem Zustand, weiß Thomas Feierabend: "Der Fahrer musste sich selbst zu helfen wissen und sein Auto reparieren können. Es gab keine Vertragswerkstätte an jeder Ecke." Deshalb wurde in der ersten Fahrschule auch intensiv Motor- und Technikkunde in einer eigenen Werkstatt unterrichtet.
Frauen mussten draußen bleiben
Frauen konnten die "Erste Deutsche Autolenkerschule" anfangs nicht besuchen. Zugelassen wurden nur Männer, die das 17. Lebensjahr vollendet hatten und einen selbst geschriebenen Lebenslauf sowie ein amtliches Sittenzeugnis vorlegen konnten. Die Schule wollte einen "Stamm guter Chauffeure" heranbilden. Erst seit 1958 dürfen sich Frauen unabhängig vom Einverständnis des Ehemanns oder Vaters zur Fahrschule anmelden.
Laura Schmitt findet das sehr kurios und kann nicht verstehen, warum es mit der Gleichberechtigung beim Führerschein so lange gedauert hat. Die 17-Jährige macht ihn derzeit in Aschaffenburg.
Aschaffenburg: Geburtsstadt des ersten Fahrsimulators
Die ersten Stunden übte die Führerscheinanwärterin in einem Simulator, der in der Stadt der ersten Fahrschule, in Aschaffenburg, entwickelt wurde. Schalten, Gas geben und Bremsen – Laura Schmitt konnte die Abläufe verinnerlichen, bevor sie ins richtige Fahrschulauto stieg. Der Simulator spart zwar Zeit, dennoch kostet ein Führerschein aktuell rund 3.000 bis 4.000 Euro.
Laura Schmitt fährt inzwischen selbstbewusst durch die Aschaffenburger Innenstadt, vorbei an einem zwei Meter hohen Denkmal. Es erinnert an die erste Deutsche Autolenkerschule, gegründet vor 120 Jahren.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!