Auf dem Boden liegendes Messer.
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Kann ein Waffenverbot Gewalttaten verhindern oder reduzieren?

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Waffenverbote: Symbolpolitik oder sinnvolle Maßnahme?

Waffenverbote: Symbolpolitik oder sinnvolle Maßnahme?

Bayerische Kommunen dürfen künftig Waffenverbotszonen erklären. Die Gewerkschaft der Polizei Bayern begrüßt den Schritt. Doch kann er Gewalttaten verhindern? Ein Kriminologe spricht eine Warnung aus und empfiehlt noch eine weitere Art der Prävention.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Nach dem Terroranschlag in Solingen hat Bayern die Umsetzung des Waffenrechts verschärft: Bayerische Kommunen sollen künftig schnell Waffenverbotszonen auf öffentlichen Plätzen ausweisen können.

Auch ein generelles Mitführverbot von Waffen war Thema der Diskussion. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte sich für ein grundsätzliches Verbot in öffentlichen Verkehrsmitteln ausgesprochen. Der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke, forderte gar ein generelles Verbot von Messern in der Öffentlichkeit. Doch sind derartige Maßnahmen zielführend und umsetzbar?

Polizei-Gewerkschaft: Sicherheit durch höhere Entdeckungsrate

Die Gewerkschaft der Polizei in Bayern sieht ein generelles Mitführverbot für Messer als nicht zielführend und gar problematisch in der Umsetzung: Denn dies müsste flächendeckend kontrolliert werden. Aus Personalgründen sei das nicht möglich. "Deshalb sehen wir den Vorstoß eines generellen Messerverbots kritisch, da man Attacken wie in Solingen damit nicht verhindert. Den Vorstoß werten wir als blinden Aktionismus", erklärt der Landesvorsitzende Florian Leitner.

Dass Kommunen selbst über Waffenverbotszonen entscheiden können, begrüße man jedoch. Durch eine höhere Entdeckungsrate könne das die Sicherheit verbessern. "Wir brauchen dann aber natürlich auch Strafen, die unmittelbar erfolgen", mahnt er. Die Einrichtung der Zonen erfolge dann gemeinsam mit der Polizei im Hinblick auf Sicherheitskonzepte mit entsprechendem Personal.

"Auf der Münchner Wiesn wird dies bereits erfolgreich praktiziert, dort gibt es strikte Taschenkontrollen, die die Sicherheit erhöhen", berichtet Leitner. Auch mit den temporären Waffenverbotszonen an vier bayerischen Hauptbahnhöfen habe man positive Erfahrungen gemacht.

Kriminologe: Wann Verbotszonen funktionieren

Kriminologe Dirk Baier vom Institut für Delinquenz und Kriminalprävention an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften gibt hingegen zu bedenken, dass es keine umfassende wissenschaftliche Forschung gibt, die zeigt, wie wirksam derartige Maßnahmen sind. Bei den Verbotszonen in Leipzig und Wiesbaden sei die Wissenschaft involviert gewesen. Man habe festgestellt, dass Messer abgenommen wurden, aber eine signifikante Reduktion von Gewalt habe man nicht feststellen können.

"Trotzdem finde ich in zweierlei Hinsicht durchaus sinnvoll, dass es solche Verbotszonen gibt", sagt Baier. Erstens werde vor Ort das Bewusstsein für das Thema erhöht und die Menschen würden aufmerksamer. Zudem könne es auch direkte temporäre Effekte auf die Sicherheit geben – unter bestimmten Bedingungen: "Meine Einschätzung lautet: Solche Verbotszonen machen nur Sinn, wenn es statistisch belegbare Problemzonen gibt – also Gebiete, in denen übermäßig viel in Zusammenhang mit Waffen wie Messern passiert."

Verbote und Kontrollen – ein Zusammenhang

Zudem müssten die Verbote auch kontrolliert werden und bei einem Verstoß gegen das Waffenverbot müsse klar sein, dass man sich strafbar macht. "Anderenfalls wäre es eine reine Absichtserklärung und die Leute merken recht schnell, dass es ein Papiertiger ist. Auch dass die Polizei die entsprechenden Ressourcen aufbringt, um diese Gebiete zu kontrollieren, halte ich für wichtig", sagt er.

Allerdings sei die Polizei bereits jetzt am Anschlag. Gibt es künftig sehr viele Waffenverbotszonen, "werden die Polizeiressourcen nicht ausreichen", befürchtet Baier. Zudem bezweifle er eine langfristige Wirksamkeit. "Der Kontrolleffekt kann sich abnutzen oder es kann zu Verdrängungseffekten kommen", warnt Baier. Dann verlagere sich Gewalt an andere Orte.

Forscher: "Wer so etwas plant, sucht sich Wege"

Zur Wahrheit gehöre auch: "Einen terroristischen Anschlag, also eine sehr geplante Form von Gewaltausübung, wird man durch solche Kontrollen wohl nicht verhindern können", sagt Baier. Messerangriffe und Gewalt durch Menschen mit Migrationshintergrund erhalten derzeit viel Aufmerksamkeit, wodurch der Druck auf die Politik steige, etwas dagegen zu tun. "Ein gewisses Maß an Aktionismus ist bei dieser Diskussion deshalb dabei", meint Baier.

"Tatsächlich steigt die Gewaltkriminalität in Deutschland seit zwei Jahren wieder", erklärt Baier. Der Kriminologe plädiert aber dafür, die klassische Gewaltprävention wieder mehr in den Blick zu nehmen, etwa mit Programmen an Schulen. Das sei eine langfristige, wenn auch teure Maßnahmen, die auch Messerangriffe reduzieren könne. Und: "Diese Art von Prävention richtet sich sinnvollerweise an alle Menschen, unabhängig von Nationalität."

Im Video: Erdinger Herbstfest - Mehr Kontrollen statt Messerverbot

Erdinger Herbstfest: Mehr Kontrollen statt Messerverbot
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Erdinger Herbstfest: Mehr Kontrollen statt Messerverbot

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