Briefwahlunterlagen werden in eine Wahlurne eingeworfen.
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Bei der Bundestagswahl am 23. Februar werden auch viele Menschen mit Behinderung ihre Stimme abgeben. Viele von ihnen wollen Briefwahl machen.

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"Wie geht wählen?" - Großer Bedarf an Kursen in Leichter Sprache

"Wie geht wählen?" - Großer Bedarf an Kursen in Leichter Sprache

Die Bundestagswahl ist erst die zweite, bei der betreute Menschen mit Behinderung wählen dürfen. Aber wie funktioniert eigentlich so eine Wahl? Die Akademie Caritas-Pirckheimer-Haus in Nürnberg klärt in Workshops auf. Das Interesse ist riesig.

Über dieses Thema berichtet: Stadt Land Leute am .

"Wie geht wählen?" Die Frage, die der Workshop in der Akademie Caritas-Pirckheimer-Haus in Nürnberg stellt, ist für die Teilnehmenden nicht so einfach zu beantworten. Denn manche von ihnen wählen erst zum ersten oder zweiten Mal. Mehr als 85.000 erwachsene Menschen mit Assistenzbedarf, die einen Betreuer haben, waren bis 2019 von Wahlen ausgeschlossen – übrigens entgegen der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen, die Deutschland 2009 ratifiziert hat. Entsprechend groß ist nun der Bedarf an Information und Aufklärung (externer Inhalt: Wahl-Hilfe in Leichter Sprache).

Interesse an Politik sehr groß

"Habe ich jetzt eine Stimme oder zwei Stimmen?", fragt Jennifer Ruhland interessiert. Und Dozentin Gabriela Bühner erklärt, dass es verschiedene Wahlkreise gibt, für die Kandidaten verschiedener Parteien antreten. Dass man mit der Zweitstimme eine Partei wählen kann. Dass die Parteien ihre Ideen in Wahlprogrammen erklären. Und was Begriffe wie "Volks-Souveränität", "Menschen-Rechte" und "Rechts-Staatlichkeit" bedeuten. Die jungen Frauen und Männer aus der anthroposophischen Goldbach-Werkstatt in Nürnberg hören aufmerksam zu. Ihr Interesse an Politik ist riesig, das wird an diesem Vormittag deutlich.

Was soll auf meinen "Demokratie-Einkaufszettel"?

Gemeinsam überlegen die Teilnehmenden, was auf ihrem "Demokratie-Einkaufszettel" stehen soll. Sprich: Um welche Themen sich die Politik aus ihrer Sicht unbedingt kümmern sollte. "Dass man zur Arbeit gehen kann", sagt einer. "Dass man ein Dach über dem Kopf hat", ergänzt eine andere. Sportmöglichkeiten sind hier vielen wichtig, und dass Kinder Schwimmen lernen können – und so steht auch das Wort "Schwimmbäder" auf dem Demokratie-Einkaufszettel. "Und Inklusion", sagt Toni Munkert schließlich. Alle nicken – Inklusion und Teilhabe an der Gesellschaft ist allen hier ein großes Anliegen.

Politische Bildung in Leichter Sprache

Die katholische Akademie Caritas-Pirckheimer-Haus in Nürnberg bietet ein umfangreiches Bildungsprogramm (externer Link) für Menschen mit Lernschwierigkeiten an. Bei den Veranstaltungen geht es um die Zeit des Nationalsozialismus in Nürnberg, um Kultur, die Bibel und eben auch um Demokratie. Das CPH hat dazu Arbeitsbücher zu verschiedenen Themen in Leichter Sprache entwickelt. Das Interesse an politischer Bildung ist groß, berichtet Gabriela Bühner. "Man kriegt ja mit, was passiert, aber man kann es oft nicht so gut einordnen, nicht so gut verstehen", sagt sie. "Und auch seine Rechte zu kennen, das ist eines der wichtigsten Dinge in der Demokratie, damit ich für mein Recht auch einstehen kann."

Wahlprogramme der Parteien kein Thema

Gabriela Bühner will die Teilnehmenden darin bestärken, sich eine Meinung zu verschiedenen Themen zu bilden. "Die Meinungen wurden ihnen ja lange abgesprochen. Dass ihre Meinung wichtig ist, ihre Stimme wichtig ist." Über die Wahlprogramme der einzelnen Parteien spricht Bühner nicht. Es geht erst einmal um die Grundlagen, wie so eine Wahl abläuft und wie eine Demokratie funktioniert. Über die Ideen der Parteien können sich die jungen Männer und Frauen dann später selbständig informieren. Die meisten Parteien haben inzwischen Wahlprogramme in Leichter Sprache veröffentlicht. Nur das Bündnis Sahra Wagenknecht und die AfD haben bislang keines.

Teilnehmende haben noch keine Wahl getroffen

Welche Partei sie am 23. Februar wählen will, weiß Anna Weber (Name geändert) am Ende des Workshops noch nicht. "Ich bin gut informiert, aber ich weiß nicht, wen ich wählen soll, das ist total schwierig", meint sie. "Mir wär wichtig, dass sie dafür sorgen, dass die Bürgersteige abgesenkt werden. Weil das ist teilweise katastrophal." Toni Munkert will eine Partei wählen, die sich für mehr Inklusion einsetzt, und Jennifer Ruhland sind Investitionen in die Infrastruktur wichtig, insbesondere in gute Schwimmbäder.

Wahlassistenz ist erlaubt

Die meisten im Kurs wollen Briefwahl machen, damit sie sich in Ruhe über die zur Wahl stehenden Parteien informieren können. Wenn sie Unterstützung bei der Wahl brauchen, können sie sich laut Bundeswahlrecht eine Wahlassistenz suchen. Das muss nicht der Betreuer sein. Diese Person des Vertrauens darf mit in die Wahlkabine, bei der Wahl technisch unterstützen oder bei der Beantragung eines Wahlscheins helfen. Die Wahl selbst muss aber von den Menschen mit Assistenzbedarf getroffen werden. Wer dagegen verstößt, macht sich der Wahlfälschung strafbar (externer Link: Paragraf 107a des Strafgesetzbuches).

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Auf dem Demokratie-Einkaufszettel steht, was sich die Teilnehmenden von der Politik wünschen.

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