Am Anfang stand eine opulente Hochzeitsfeier: Als Ludwig I., damals noch Kronprinz, im Oktober 1810 Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen heiratet, kommen rund 40.000 Menschen zu dem fünftägigen Fest. Schon damals ist von einem "Volksfest" die Rede - wenn auch noch ohne Bierzelte und Fahrgeschäfte.
Höhepunkt der Feierlichkeiten ist ein großes Pferderennen auf einer Wiese vor den Toren Münchens. Die Idee dazu kommt von Andreas Michael Dall’Armi, Mitglied der Bayerischen Nationalgarde. Vom Hang unterhalb der heutigen Ruhmeshalle verfolgt das Volk das Spektakel. Die Festwiese erhält zu Ehren der Braut den Namen "Theresens-Wiese".
Halb Sportveranstaltung, halb Landwirtschaftsmesse
Im Jahr darauf ist man sich einig: Das Volksfest soll wiederholt werden – künftig privat finanziert. Der "Landwirtschaftliche Verein in Bayern" wird Veranstalter und bezieht den Bauernstand mit ein. 1819 wird es schließlich zum jährlichen Nationalfest erklärt. Das Bier steht da noch lange nicht im Mittelpunkt. Vielmehr ist die Wiesn damals eine Mischung aus Sportveranstaltung und bayerischer Landwirtschaftsmesse mit Prämierungen für Tiere, Menschen und Erfindungen. Verdiente Bürger und brave Schüler erhalten Ehrenmedaillen. Wer aus der am weitesten entfernten Ecke Bayerns anreist, wird mit dem "Weit-Preis" ausgezeichnet.
Ältestes Schaugeschäft auf der Wiesn
Die ersten Karusselle und Schaukeln kommen 1818 aufs Festgelände, sind aber eher Nebensache. Selbst 1881 ist das Wiesn-Angebot noch überschaubar: Es gibt sechs Fahrgeschäfte, zwölf Schieß- und Wurfgeschäfte, 23 Schaubuden – darunter auch das 1869 gegründete "Zaubertheater" des Michael August Schichtl, in dem es bis heute "die Enthauptung einer lebendigen Person mittels Guillotine" zu bestaunen gibt. Der Schichtl gilt damit als das älteste Schaugeschäft auf dem Münchner Oktoberfest.
Nachdem sich die Einwohnerzahl Münchens in nur wenigen Jahrzehnten verneunfacht hat – von rund 40.000 im Jahr 1810 auf knapp 350.000 im Jahr 1890 –, geht auch die Zahl der Wiesnbesucher gegen Ende des 19. Jahrhunderts in die Hunderttausende. Weil gleichzeitig das Eisenbahnnetz wächst, können immer mehr Bayern und "Preißn" einen Ausflug zum Oktoberfest unternehmen.
Bierzelte starten Anfang des 20. Jahrhunderts
Auch dank der Elektrifizierung kommen in den folgenden Jahren immer mehr Theater und Varietés dazu. Unternehmer Carl Gabriel präsentiert Tier- und Völkerschauen. Im Jahr 1901 etwa wird ein ganzes Beduinendorf samt Bewohnern gezeigt – eine Art Werbekampagne für den deutschen Kolonialismus der damaligen Zeit.
Mit dem Aufstieg Münchens zur "Weltbierhauptstadt" drängen dann auch die ersten festlich geschmückten Brauerei-Zelte auf die Wiesn. Zum 100. Oktoberfest-Jubiläum im Jahr 1910 fließen in der Pschorr-Bräurosl, dem damals mit 12.000 Plätzen größten Festzelt, schon 12.000 Hektoliter Bier. Daneben gehen die Kult-Fahrgeschäfte Toboggan, Teufelsrad und Krinoline an den Start.
Im Video: BR24 Retro - Krinoline auf dem Oktoberfest 1959
Düstere Zeiten und Aufbruchstimmung
Wegen der beiden Weltkriege und Wirtschaftskrisen muss das Oktoberfest in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mehrmals ausfallen. Unter den Nationalsozialisten ist ab 1936 Hakenkreuz-Beflaggung Pflicht. Jüdische Schausteller werden von der Wiesn verbannt. 1938 wird das Oktoberfest in "Großdeutsches Volksfest" umgetauft – es ist das letzte vor dem Krieg.
Als München nach dem Zweiten Weltkrieg in Trümmern liegt, wird auf der Theresienwiese schon wieder gefeiert – zunächst mit einem kleinen "Herbstfest", ab 1949 dann wieder mit dem traditionellen Oktoberfest. Der erste Anstich der Wiesn-Geschichte im Schottenhamel-Zelt – inzwischen längst eine feste Tradition – folgt im Jahr darauf. Der damalige Oberbürgermeister Thomas Wimmer (SPD) macht dabei aber keine besonders gute Figur: 17 Schläge braucht er, bis das Bier fließt – so viele wie kein Oberbürgermeister mehr nach ihm. Erleichtert ruft er danach aus, was zur Parole aller künftigen Oktoberfeste werden soll: "O'zapft is!"
In den 1960er-Jahren wächst das Oktoberfest weiter: mehr Buden, Bierzelte und Fahrgeschäfte. Nach den Olympischen Spielen 1972 kommen auch zunehmend Amerikaner, Italiener und Australier nach München, um in den Zelten mitzufeiern.
Wiesn-Attentat mit rechtsextremistischem Hintergrund
Der 26. September 1980 ist der dunkelste Tag in der Wiesn-Geschichte: In einem Abfallkorb am Eingangsbereich des Oktoberfests explodiert eine Bombe. Bei dem Anschlag werden zwölf Besucherinnen und Besucher sowie der Attentäter getötet. Mehr als 200 Menschen werden teils schwer verletzt. Bis heute gilt das Oktoberfestattentat als der blutigste Terroranschlag in der Geschichte der Bundesrepublik.
Die Ermittlungen verlaufen konfus. Spuren, die ins rechtsextremistische Milieu führen, werden lange nicht weiterverfolgt. Im Bundestagswahlkampf 1980 wird der Anschlag zum Politikum. An der Version der Behörden, die im Bombenleger Gundolf Köhler einen Einzeltäter sehen, gibt es erhebliche Zweifel. Recherchen unter anderem des BR-Journalisten Ulrich Chaussy und Zeugenaussagen bewirken Jahrzehnte später eine Neuauflage der Ermittlungen. Erst im Juli 2020 bewertet die Generalbundesanwaltschaft das Tatmotiv als rechtsextrem.
Zwei Jahre Corona-Pause und ein neuer Besucherrekord
Als 2020 die Corona-Pandemie ausbricht, wird das Oktoberfest zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg abgesagt. Zwei Jahre lang pausiert das größte Volksfest der Welt. Damit musste die Wiesn in ihrer über 200-jährigen Geschichte insgesamt 26 Mal ausfallen – meist wegen Kriegen, zweimal aber auch wegen der Cholera.
Nachdem der Andrang bei der ersten Nach-Corona-Wiesn auch wegen einiger Beschränkungen noch etwas verhalten war, wurde im vergangenen Jahr ein neuer Allzeit-Rekord aufgestellt: 7,2 Millionen Besucherinnen und Besucher strömten auf die Wiesn – rund 100.000 mehr als im bisherigen Rekordjahr 1985. Für alle, denen das zu viel Trubel ist, gibt es seit 2010 die "Oide Wiesn", auf der es noch zugeht wie in alten Wiesn-Zeiten: Retro-Fahrgeschäfte, Schuhplattler und traditionelle Blasmusik in den Zelten – fast wie vor 100 Jahren.
Im Video: O'zapft is - das Oktoberfest 2024 startet
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!